#1

Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 21.01.2013 00:19
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

strandlieder


I

gesang vom mondsüchtigen ara

an stränden unterm halbmond
schalige sicheln nach oben gereckt
hörst du des aras schrei schillernd
grün im grün der mangroven
gesänge krächzend nacht
strophen erhört von niemand worte
erlauscht in der einsamkeit
nicht einmal von ihrem schöpfer
dem ara verraten im schweiss

seines denkens laut
vor sich hinlallend



II

deep sea blues

und ich finde die gräßlichen
häßlichen wieder und wieder
selbst am reinsten sandstrand
die buntesten polydingsda unter
bergen von schaum gebadeten
fischen und andern verendeten
die sich die unverrottbaren
statt krill einverleibten
auf dass der nahrungskette
das glied im bauch schwillt
und es sich bald lohnen wird
fabrikschiffe zum plaste ernten
zuzulassen auszusenden denn noch
schwimmen sie über der tiefsee

badengehen?



III

erinnert

der pferde kopf neben gras
soden angespült voller
leben geschlängel hungriger
haff entronnen nehrungsnahrung
trommeln lautloser
schreie im möven himmel

leises wiegen des schädels
in wind getürmter weiß
bekrönter

schwarz grüner flor
mond straßen geteilt


in der ferne

weit draußen erkennt schärferer
blick zwischen wolken seewärts
riesen windfänger im griff von
stahl spezial unter wasser gerammt
durch tonnen in zig meter im
grund der see nach schweinswal -
vergraulen weit genug vom salz -
genuss der strandkorbianer tief
im grün gründelnden armdicke leiter
leitstand bewacht von untergangs -
trainierten - rettungsinseln fürchtend

reissen anker -
kabel ent -
kommt kapital


dieser kopf

dieser kopf dieses
bild dieser aale
grassiert immer noch
in meinem hirn und
trommelt den marsch



IV

elektron wider hall

sehe ich polarlichter leuchten
spiralen bahnen geladener
arktis brems strahlen
im zombie grün reling
anlehnend himmelwärts energie
schleudern jenseits von van
allen eden

lorenz kraft amtet und
drei finger zum zenith
gereckt um taue geschlagen
ins leinwand weiß gefärbt
kreischt zur vierten
potenz

nach oben kopf
im nacken



V

zehweh

sein zeh verbrennt sich an dem heißen
sand gekupfert grell von sonne all
und röstfrisch schmurgelt des piraten
beute in der grube die er selber
grub auf dass betitelt er mit gold
durch kugeln jener gier'gen räuber
hineingestürzt entbunden wird
und nie mehr aufgefunden da enttitelt

nur noch der zeh ragt aus dem sand



VI

weit hinaus

zieht die strömung den träumer
auf der lufti in immer kälteres
wasser trotz beinschlag zum strand
und der wind hilft der strömung

allein schwamm er raus so allein
wie in zimmer hotel und daheim
wartet niemand hört im fernen boot
die rufe die schreie sieht niemand
das winken der kaltblauen arme

strömung und wind drehen nicht
zu kalt ist die hand lässt den griff
fahren unter sternen hinter dem dunst



VII

landwind

und über das meer drückt
der wind weit der wüste sand
hinaus zum schelf wo unter
toten korallen jung frauen
gebeine der liebe abhanden
kamen und solche see rosen
noch nicht wieder von wellen
zum sand strand gespült sind



VIII

kindeskinder

es streiten sich brecher mit klippen
schaumgeborene mit steinkindern
die draussen wellenbergen entlaufenen
mit vormals durch plattengeschiebe getürmten

getrieben von winden gezeiten und strömen
gehalten von schichten kräften und drücken
tanzen sie ewig von neuem den gleichen kampf
in dem schon urahnen sich um- und ansprangen
erbost von der plötzlichen hemmung des laufs die einen
vergrämt durch nässende ätzung die andern

und doch werden sie sich vereinen
in löslichen salzen
in weichgeschliffenen sänden

bis zur subduktion oder
bis zum erneuten anprall der platten



IX

tsunami

in den hafen aus eis
dünt erst langsam
hinein deine kleinste
welle und klatscht
filigran an den gletscher

hinaus zieht der sog sie
bis kaum noch wasser
über dem grund steht
wie bei gesprungener
ebbe talt es bis zum
horizont aus grüne

die dem suchenden
auge zu türmen sich
scheint in der ferne
dicht bei der linie
wo fahl der himmel
sich aufreckt

und dann schießt
die schwarz-graue wand
heran und türmt sich
noch über die spitze
des eisbergs

zerdonnert die klüfte
und spalten im kristallenen
weiß und bricht entzwei
die ehemals harten flächen
zu kalbenden keilen

die stürzen entgegen
der stürmenden flut
zerreißen mit tollem getöse
die wand voller packeis
so riesig gewälzt wie
zellophan auf die wasser

vom drucke am fuße
entlastet zerbersten ränder der weiße
der bucht vor dem gletscher
die eisige decke und
grünliches wasser befreit
die verklingende riesenwelle




X

vertraut

beim weg am ufer spritzen gischtfontänen
vom wind getrieben bis zu kiefernwipfeln
und grad noch hilft ostfriesennerz
vor nässe in pullovern nicht vor nassen füßen
denn gummistiefel hat nicht jeder
und auch die gelben oder blauen dichten hosen - fehlen meist


und vorne bei den buhnen waschen wellen
die brecher gerne sich und mächtig nennen lassen ließen
den feinen sand wie schlamm bis zu den wanderbänken



XI

luftraum

in wolken toben schlachtenrösser
mit wandelnden formen und farben im fell
ihr wiehern stiebt der wind in weiten
des himmels zu schaurigen klängen und schrei'n

sie rennen gegen wolkenmauern
die hagel beschießen den himmlischen ritt
welch barde wird das bild beschreiben
das kurz und verwaschen am himmel erscheint

wird frühling dies mit sonne fluten
wird bläue den gräulichen zeltern zum grab
noch stürmt auch frühling an den küsten
die mutigen setzen die segel schon jetzt



XII

alleen

zwischen knicks und rainen
auf beiden seiten umrahmt
ziehen stracks alleen
von tausend ästen bedacht

tunnel zwischen winden
die wandrer kämpfen lassen
ölung lockt am hafen
in katen dampft die suppe

reet deckt warm die dächer
in kalten winterstürmen
lachen tönt in stuben
die frechen augen blitzen

niemand ging verloren
trotz schnee in hoher wehe
stets erhoben stämme
sich stolz den weg zu zeigen



XIII

klippen

du stehst am rand und schaust
hinab auf den schmalen streifen
sand zwischen brandung und wand
im fall kaum zu verfehlen

zerschlagen die rippen und spanten
zerbrochen die ruder der kiel
verschwunden jegliches zeichen
lebendiges sucht man vergeblich

schmal sind die klüfte und klein
höhlen und basis für seemövenbrut
ihr kreischen begleitet die flüge
über der see doch zu deinen füßen

von unten schiesst der wind
herauf zaust kalt deine brauen
zusammengekniffen die augen
leer bleibt glaslos das meer



XIV

meerjungfrau

im wasser treibt die flaschenpost
wird watend mit der hand gegriffen
was wird sie bringen ist die frage
und schon zerschellt am stein das glas

mit feuchten fingern aus den scherben
ein tasten nach der weissen rolle
sie breiten zitternd auf dem stein
die botschaft blass und kaum zu lesen

die sprache ist so furchtbar fremd
die zeichen unbekannte schemen
ist es ein fisch mit seinem schwanz
fraß er zur hälfte schon die frau

die stirn gefurcht im tiefen sinnen
durchzuckt der blitzschlag der erkenntnis
erinnerung springt auf geschwind
an alte träume voller tiefe

der blick aufs meer sucht schon nach ihr
wo kann er sie denn endlich finden
die er so lange schon gesucht
er wankt ins wasser - ist verflucht




XV

südsee

tropenstürme spülen
planken plaste und gewürme
über kais und morsche stege
in verfaulte hafentürme

längst verloschen sind die feuer
die mit lichterlanzen
gaukelspiele in die nebel warfen
und die steuerleute lockten
unter land zu segeln
bis die brecher bockten und bedrückten
und sie statt der durchfahrt zu dem hafen
auf die scharfen klippen trafen

noch belebte sie die hoffnung
auf das ende ihrer nöte
sahen sie doch zwischen felsen
lampen blakend schwingen und auch seile
in den groben händen
fest die brigg zu binden
dass sie nicht im meer versinke

riefen hilf mir ich ertrinke
sahen nicht die messerklingen
und die schlanken enterhaken
wie sie durch das dunkel
blitzend schwangen
und sie unter wasser zwangen
oder ihnen brust und hals zerschlitzend
in den bauch eindrangen

längst flanieren auf den klippenpfaden
touris sieht man die trotz haien baden
und am abend fallen alle
in das netz der hafenkraken
die sie statt um golddublonen
um euronen
und dann um die ecke bringen
oder auf den lagern zwingen
ihnen lüstern beizuwohnen
während jene lauthals singen

gut gegelt sieht man sie morgens
schwarz bebrillt und schlaff
an den pools mit fetten ringen
warten auf den nächsten taffen kick
oder einen heißen blick

oder ruhen in der gartengrube
völlig hirnlos leichenstarr
oder treiben in den meeresweiten
nur als spielball der gezeiten
so wies hier schon immer war


XVI

meerwege

leuchttürme kurz vor abrissen
letzte lichtrotoren bis 30 sm
sichtbar die blink und farbmuster

wo fahren schiffe wenn nicht dran
vorbei im strahl der satellitensignale
und im echo von radar und tiefenlot

androide wegsuche ersetzt wärter
leuchtfeuer des geistes verblassen
im glanz vernetzter adressen

kannst du noch koppeln kapitän
kreuzpeilen in sturm und dunkelheit
kurse auf karten zeichnen

oder nur noch den geräten trauen?


XVII

nach langen nächten voller wachen
und in den himmel starren
mit immer neuen sternen
tief im süden

und in die nebel lauschen
wo große pötte dunkel tuten
wo gaukelbilder lichter
im hirn erzeugen

und man die kurse prüft
die feuer leuchten &
satelliten orte senden
nur dank der ART

erfrischt den blick das land
im ersten sonnenlicht
jetzt endlich taucht man ein
in das türkis der papageienbucht

so etwa hier
28°51′50″N 13°49′43″W



XVIII

maddalenen archipel

im tosendkalten wasser gefangen
stirbst du in zwei minuten schon
bevor dich die kurzen meterhohen
wellen gegen die vom götterkind
beim umstürzen des spielzeugturms
verstreuten steinklötze klatschen
bis deine eisigen arme brechen und
die spitzharten nussknackerzähne
deine schädelschalen aufmeisseln

der türkisklare wasserspiegel
am morgen danach täuscht alle
welche die gedenktafel bald über all
die schon früher hier tödlich
gescheiterten für wahr nehmen
werden über die macht dieses ortes
bei sturm aus der straße von bonifacio
in die bucht von lavezzi



XIX

nicht mehr

liegt das wrack
vor giglio
an der costa concordia
verdienen
heisst sie ausschlachten

capitano rovinato
imprigionato en futuro

inzwischen ziehen sie
die armen seelen
von den schlauchbooten
in meterhohem seegang

an land
gibt es hilfe
nicht
überall
mehr



XX

von mu und mo

du liegst auf ausläufern
der moränen gletschergewellt
feingemahlen vom wind
auf deine hände gehäufelt

und träumst tief
in spalten lauern muränen auf
korallenbewohner leuchten
in sols restlicht schillernd



XXI

wo riffe

delfinenrücken gleich in weißer gischt zu gleiten scheinen
und brandungsrauschen unablässig ohren füllt
von manchen vogelschreien schrill durchgellt

dort lässt ein sinnen gern sich nieder
und fühlt sich nah
der einstmals heilen welt



XXII

verloren

am ufer des sees
bis zu den waden
im wasser vermisst

brandung und blick
frei bis zum horizont

steife brisen
tangduft in der nase



XXIII

im nebel tuten große pötte
in der düse von gibraltar lastet
die nacht ringsum

nur an der küste ankern
hilft - doch wie weit ist es

die topplampe strahlt
nur wenige meter
hellt die schwaden

alle starren hinaus
in die schemen

und hinter dem licht
schlagen wellen
an rümpfe oder felsen

nachtgeister erscheinen
und kurz brechen sterne auf

motorengeräusche
ein fischer? eine fähre?
ein kurzer blick auf lichterketten

und aus dem nebel taucht
ein motorrad auf der küstenstraße

wir werfen anker und warten
bis tatsächlich ein fischerboot
in die wolkenfetzen sticht




XXIV

sturm wirf stilette
durch die wolkenhaufen
schlitz auf die tumben flanken

und heul dich aus
und brüll und schrei
uns um die wir uns ducken

du quetschst die wellen
berge fest in unsichtbaren pranken
und presst sie aus wie grünliche limonen

sie würgen gischt und brechen
in die täler sieh wie sie jetzt zucken
wie sie auf deine böen höhnend blasen spucken

und lachend deiner kraft entlaufen
magst du auch noch so schnaufen



XXV

Tiden im Lenz

er geht wie die uhr befiehlt
die er nicht gestellt hat
sondern sie und der andere
haben es geplant

im mantel immer weiter
geradeaus hinein
in die auflaufende flut
und schwimmt sogar

bis nässe in die nase beißt
und salz die augen rötet
langsam gewinnt erschöpfung
kopfunter ins graugrün

er hat sie noch zurückgestellt
denn er wollte sie schützen
warum nur? bleiben wir
fern dem watt ist sicherer





XXVI

Gesang am Eismeer


Brüder im Meere
ich schlage die Trommel für Euch
Ich hänge Eure Silberschwestern
in den Rauch meines Feuers

Mein Gesang hallt von den Eiswänden um die Bucht

Geschwister im Meere
ich danke Euch dass ihr
Euch meinem Speer zeigtet
Euch unsren Netzen schenktet

Mein Gesang hallt von den Eiswänden um die Bucht

Schwestern im Meere
seht mich mit Euren Brüdern im Bauch tanzen
wie ich Eure Schatten
unten schwärmen sehe

Mein Gesang hallt von den Eiswänden um die Bucht

Ahnen des Meeres
nehmt an unsere toten Leiber
verzeiht die Schmach der Schleppnetze
unseren gierigen Verwandten

Mein Gesang hallt von den Eiswänden um die Bucht

Vettern im Meere
bleibt reich um unsretwillen
und tanzt und singt mit mir
im Takt meiner Trommel

Mein Gesang hallt von den Eiswänden um die Bucht





Siehe auch meine Beiträge zu "Im Stile von ..."

zuletzt bearbeitet 28.12.2016 00:49 | nach oben

#2

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 21.01.2013 10:14
von ugressmann | 942 Beiträge | 929 Punkte

Hallo Hannes,
in Worte gekleidete Empfindungen, denen ich fasziniert gelauscht habe.
Mein Favorit dabei ist "erinnert".
frdl. grüßt
Uschi

nach oben

#3

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 21.01.2013 11:46
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Sammelst du für ein kleines Projekt?

Sehr schöne Texte dabei. Hier mein Favorit:

Zitat
in den hafen aus eis /dünt erst langsam /hinein deine kleinste /welle und klatscht /filigran an den gletscher

nach oben

#4

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 21.01.2013 23:04
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo Uschi, freut mich, dass Du Dich faszinieren liessest!

Hallo mcberry, es fing erst mit einem strandlied an, dann ein nächstes, und so weiter. Einiges hast Du bestimmt wiedererkannt, aus "im Stile von". Vielleicht war es ganz gut, dass dort eigentlich ein Stil und nicht wechselnde geschrieben wurden. Denn so kamen eine Reihe von Gedichten in einem Stil heraus, der Grundstock sozusagen. Als ich die Gedichte zusammenstellte, schien es allerdings so, dass die Gedichte sich deutlich unterscheiden. Daher ist es ja auch ein Zyklus, nicht ein sehr langes Gedicht... Es kann durchaus noch das eine oder andere strandlied dazukommen, wer weiss, ob man daraus noch mehr machen kann.

Ein wenig scheint sich zu bewahrheiten "wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen"

Danke nochmal für die aufmunternden Kommentare.

es grüßt
der.hannes


24.01.2015 Eine Rezitation findet ihr unter strandlieder

Viel Spass beim Reinhören

es grüßt
der.hannes

zuletzt bearbeitet 10.08.2016 09:03 | nach oben

#5

.

in Diverse 25.01.2013 00:57
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

.

zuletzt bearbeitet 16.01.2019 00:42 | nach oben

#6

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 25.01.2013 23:31
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Lieber Joame,

in gewisser Weise ist das Lesen bei einem so langen Zyklus wie ein Vortrag, da mir die technischen Möglichkeiten zum Schneiden fehlen. Der "ungleiche Kampf" gelesen ist vielleicht besser als der "gleiche Kampf" in der geschriebenen Version. Gleiches gilt für das gelesene "im Zimmer".

Danke für die Hinweise

Es grüßt
der.hannes


Die Lieder X und XI sind nicht in der Rezitation dabei, bisher.

XI habe ich verbessert, XII neu hinzugefügt.

zuletzt bearbeitet 07.03.2013 08:56 | nach oben

#7

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 04.03.2013 08:43
von zonkeye (gelöscht)
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Hallo Hannes,

Deine „Strandlieder“ haben mich beeindruckt, obwohl ich kein Küstenbewohner bin. Wie wohltuend doch, dass man in Foren hin und wieder Leute trifft, die nicht nur eigene Ideen haben, sondern sie auch so hübsch und gekonnt umsetzen können: die Tiefsee beginnt bei Dir schon direkt am Strand. Recht so!

Wenn es am Text überhaupt etwas zu kritisieren geben könnte, dann wäre es die aufs Blech getrommelte Nummer, wo die Aale vorgeblich so grasslich aus dem Rosshaupt quellen: Ein ärgerlich falsches Bild, das der Dichter uns damals leichthin entwickelte und das begeistert immer wieder neu übernommen wird. Dabei tun Europäische Flussaale das nie. Sie fressen kein Aas, sondern sind Ästheten, die sich fast ausschließlich mit Lebendnahrung durchbringen (Würmer, Käfer, Schnecken, Larven, Kleinfische). Merke: Mit einem ollen Pferdeschädel kommt man keinem Aal bei.

Vielleicht noch etwas zu Deiner Art des Vortrages. Die meisten Deiner „Lieder“ sind so dramatisch, dass sie kein zusätzliches, stimmliches Pathos brauchen. Ich würde sie wesentlich leichter singen, dann ginge auch das Spürchen Humor nicht verloren, das den meisten doch innewohnt.

Lg z

zuletzt bearbeitet 04.03.2013 13:22 | nach oben

#8

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 04.03.2013 19:31
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo zonkeye,

Bilder, die im Kopf entstanden sind, wie z.B. bei dem Blechtrommel-Film, gehen nicht so leicht wieder raus. Selbst wenn "echte" Aale gar keinen Pferdekopf benagen würden, ist es für den Lied-Sänger ein lebendiges Bild, das besungen sein will. Grass ist hier natürlich kaum zu umgehen.

Mit dem stimmlichen Pathos meinst Du das aus der Rezitation? Da kannst Du durchaus recht haben. Dass diese klangliche Umsetzung schon optimal ist, will ich gar nicht behaupten. Ich habe dabei festgestellt, dass es gar nicht so leicht ist, eine so lange Strophenfolge "in einem Rutsch" (wegen mangelnder Schnitttechnik) gut rüberzubringen.

Danke für den Kommentar, der mich durchaus weiterbringt.

es grüßt
der.hannes

nach oben

#9

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 04.03.2013 23:15
von zonkeye (gelöscht)
avatar

Hallo Hannes,

ich bremse auch für kleine Tiere wie Aale. Sie sollen zu ihrem Recht kommen!

So, wie du Deine Lieder notiert hast, können sie kaum vom Blatt gesungen werden. Warum schreibst du nicht einfach:

Zitat
dieser kopf
dieses bild dieser aale
grassiert immer noch in meinem hirn und
trommelt den marsch


und schon könnten auch minder begabte Sänger wie zum Beispiel ich den hübschen Text auf Anhieb richtig betonen.

lg

z

zuletzt bearbeitet 04.03.2013 23:16 | nach oben

#10

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 05.03.2013 20:12
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

hallo zonkeye,

könnte man. Aber: man kann sie nach einmal vorher lesen sowieso flüssig singen. Dieses 1x vorher lesen ist aber nötig, da sich hinter meinen eigenwilligen Zeilenumbrüchen :) oft eine Anspielung auf mögliche andere Deutungen verbirgt, die ich nicht missen möchte, da Mehrdeutigkeit für mich das Salz in der lyrischen Suppe ist.

es grüßt
der.hannes

nach oben

#11

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 05.03.2013 22:41
von zonkeye (gelöscht)
avatar

Sorry, wenn ich Dir da widerspreche. Die Form

Zitat
dieser kopf dieses
bild dieser aale
grassiert immer noch
in meinem hirn und
trommelt den marsch

lässt keine "erweiterte" Deutung der sattsam bekannten Blechtrommeley zu, sondern wirkt auf den, der mit Grass etwas anzufangen weiß, eher albern. Du solltest uns Deine Mitteilung nicht ebenso simpel wie unnötig verknoten. Sie gewinnt dadurch nicht.

lg z

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#12

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 15.12.2014 12:07
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

halbwegs passende Bildkommentare...

3
6



wenn ich eine Abstimmung machen möchte, welches der Strandlieder am besten gefällt, kann ich das als normaler User hier im Thread machen oder eventuell in einem gesonderten Thread machen?

nach oben

#13

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 18.02.2015 15:44
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

die schönheit liegt im auge des betrachters.

es grüßt
der.hannes


XIII ist neu dazugekommen


XIV ist hinzugekommen

Ich habe es gewagt: Inzwischen sind XV, XVI und XVII dazugekommen.

Kurze Bemerkung noch zu Dieser Kopf: Dies ist eines von drei Teilliedern von Strandlied III.



Und gerade ist Strandlied XVIII dazugekommen....


XIX

ist dazu gekommen

zuletzt bearbeitet 18.02.2015 18:41 | nach oben

#14

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 17.04.2015 12:24
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Dieser Kopf

ist nicht mehr unter uns ... das Bild bleibt zumindest in meinem Kopf.



XX

ist dazu gekommen.

Irgendwann kommt vielleicht eine rezitation von X-XX :)

Ich bin mir noch nicht im klaren, ob ich eine Veröffentlichung draus machen sollte ... Was meint Ihr: Eignet sich das als eigenständiger Gedichtband?

nach oben

#15

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 17.04.2015 17:15
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Erstens noch zuwenig Text. Und zweitens mit Fotos gefälliger. Ist aber nur meine Meinung.
Den mondsüchtigen Ara halte ich für einen Supertitel bzw. ein unwiderstehliches Leitmotiv.

Die geplante Umfrage kannste hier hinein hauen, oder in die Plaudecke, je nachdem, was du fragen willst?

nach oben

#16

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 17.04.2015 17:28
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo mcberry,

Du hast mich überzeugt: Nur Text reicht derzeit noch nicht...

Danke für die Rückmeldung

es grüßt
der.hannes

nach oben

#17

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 09.08.2016 19:15
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Und wieder zwei neue, jetzt sind es zwei Dutzend Strandlieder.

Allerdings passt keines der beiden neuen so ganz in das von Alcedo gewünschte Beuteschema, fürchte ich :)

zuletzt bearbeitet 09.08.2016 19:16 | nach oben

#18

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 10.08.2016 06:15
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Zitat von der.hannes im Beitrag #1
strandlieder


XXIII

im nebel tuten große pötte
in der düse von gibraltar lastet
die nacht ringsum

nur an der küste ankern
hilft - doch wie weit ist es

die topplampe strahlt
nur wenige meter
hellt die schwaden

alle starren hinaus
in die schemen

und hinter dem licht
schlagen wellen
an rümpfe oder felsen

nachtgeister erscheinen
und kurz brechen sterne auf

motorengeräusche
ein fischer? eine fähre?
ein kurzer blick auf lichterketten

und aus dem nebel taucht
ein motorrad auf der küstenstraße

wir werfen anker und warten
bis tatsächlich ein fischerboot
in die wolkenfetzen sticht




XXIV

sturm wirf stilette
durch die wolkenhaufen
schlitz auf die tumben flanken

und heul dich aus
und brüll und schrei
uns um die wir uns ducken

du quetschst die wellen
berge fest in unsichtbaren pranken
und presst sie aus wie grünliche limonen

sie würgen gischt und brechen
in die täler sieh wie sie jetzt zucken
wie sie auf deine böen höhnend blasen spucken

und lachend deiner kraft entlaufen
magst du auch noch so schnaufen



zwar keine Ostsee, die letzten zwei, aber ich lese hier sehr gerne, Hannes.
bei XXIII (im nebel) wirft mich gleich der Beginn mit „gibraltar“ ins Mittelmeer oder wahlweise in den Atlantik, aber die Motorradpassage und die implizierte Verbindung zum Festland, also von „motorengeräusche“ bis „küstenstrasse“ war hier eindeutig mein Favorit.

bei XXIV sind es dann nur noch die grünlichen Limonen, die nicht zum Brackwassermeer passen. der Rest würde prima hinhauen. bei der Aufforderung an den Sturm „Sturm, wirf Stilette …“ fehlt mir ein Komma, oder irgendeine Zäsur in der orthographischen Letternfolge.
Vorschlag:
sturm / wirf stilette
durch die wolkenhaufen /
schlitz auf die tumben flanken

auch würd ich dir Vorschlagen deine Zyklusteile einzeln einzustellen (oder zumindest die Neu dazugekommenen). wir haben doch auch eine Rubrik Zyklen. dann wären sie verlinkbar, nominierbar und einzeln kommentierbar (eventuell mit einem gesonderten Kommentarfaden um die Präsentation nicht zu stören). weil ich es da oben las, dass du es womöglich planst: auch für eine Abstimmung wäre das notwendig.






Zitat von der.hannes im Beitrag #1
strandlieder


III

erinnert

der pferde kopf neben gras
soden angespült voller
leben geschlängel hungriger
haff entronnen nehrungsnahrung
trommeln lautloser
schreie im möven himmel

leises wiegen des schädels
in wind getürmter weiß
bekrönter

schwarz grüner flor
mond straßen geteilt


in der ferne

weit draußen erkennt schärferer
blick zwischen wolken seewärts
riesen windfänger im griff von
stahl spezial unter wasser gerammt
durch tonnen in zig meter im
grund der see nach schweinswal -
vergraulen weit genug vom salz -
genuss der strandkorbianer tief
im grün gründelnden armdicke leiter
leitstand bewacht von untergangs -
trainierten - rettungsinseln fürchtend

reissen anker -
kabel ent -
kommt kapital


dieser kopf

dieser kopf dieses
bild dieser aale
grassiert immer noch
in meinem hirn und
trommelt den marsch



aber von mir aus kannst du das an die Aale vom Grass-Pferdekopp erinnernde auch gleich wieder rausnehmen. das ist mir zu trivial und abgekupfert (also nur „erinnert“ von III.) „in der ferne“ und „dieser kopf“ würde ich extra einstellen. sie gehören für mich nicht zusammen.
„dieser kopf“ hast du schon von zonkeye lektoriert bekommen. ich halte dessen Version gleichfalls für besser. nur die eine Langzeile würde ich nochmals runterbrechen. also so:

dieser kopf
dieses bild dieser aale
grassiert immer noch in meinem
hirn und
trommelt den marsch


meinen Favoriten kennst du: tsunami.
Platz zwei wäre I mit dem Gesang des mondsüchtigen Aras
und auf Platz drei landet bei mir bisher: XVIII, das maddalenen archipel

Gruß
Alcedo


e-Gut
zuletzt bearbeitet 10.08.2016 06:20 | nach oben

#19

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 10.08.2016 15:33
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo Alcedo, III fällt etwas aus dem Rahmen, weil es drei Teile in ein Strandlied vereint. Ich habe auch über Zonkeyes Kommentar dazu nachgedacht. Ob es Aale wirklich so mit Pferdeköpfen halten oder nicht: Hier ging es mir um das Bild aus dem Film, das mir nicht aus dem Kopf will, und das ich hier in den beiden äußeren Teilliedern echoartig anklingen ließ. Der mittlere Teil ist ein Kontrast dazu, inhaltlich. Bei IiI stelle ich mir einen Strandspaziergänger vor, der ein Detail sieht, dass ihm halbbewusst die Szene aus dem Film assoziiert, er schaut aber noch herum in die Ferne, bis jenes Bild sich letztlich doch so stark bemerkbar macht, dass es die Bilder aus der Umgebung dominiert.

Für mich gehören die drei Teile also zusammen in ein Strandlied,

Bei XXIV wie auch sonst durchgängig habe ich auf Satzzeichen verzichtet. Die erste Zeile führt zu einem kleinen Stutzen beim Lesen. Das ist beabsichtigt, und die von Dir, Alcedo, favorisierte Verdeutlichung mit "/" halte ich für unnötig, weil es sowieso nur diese eine sinnvolle Lesart gibt.

Die Rubrik Zyklen: Was meinst Du da genau? Das würde ich mir gern mal anschauen. Die Problematik, dass man "nicht alles auf einmal" kommentieren kann (und dann vielleicht gar nicht kommentiert), ist durchaus real. Aber schließlich sind die einzeknen Strandlieder ja auch nicht "alle auf einmal" entstanden, sondern im Laufe der Zeit, als eine Art Fortsetzung eines Grundthemas. Das Auseinander reißen zu vermeiden und trotzdem Einstiegspunkte für Kommentare der einzelnen Strandlieder zu bieten, wäre ein lohnendes Ziel.

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#20

RE: Zyklus strandlieder (zusammenstellung)

in Diverse 11.08.2016 06:20
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

das erste Teilstück von III ist für mich eindeutig von Grass abgekupfert und hat deswegen für mich ein Gschmäckle. das letzte Teilstück ist Hannes pur: dicht, kompakt, stimmig.
ich würde die anderen zwei aufteilen. alle drei bekommst du eh nicht auf eine Buchseite.

Zitat von der.hannes im Beitrag #19

Bei XXIV wie auch sonst durchgängig habe ich auf Satzzeichen verzichtet. Die erste Zeile führt zu einem kleinen Stutzen beim Lesen. Das ist beabsichtigt, und die von Dir, Alcedo, favorisierte Verdeutlichung mit "/" halte ich für unnötig, weil es sowieso nur diese eine sinnvolle Lesart gibt.

nun, ich las anders:
Sturm wirft Stilette durch die Wolkenhaufen
und musste bei der dritten Zeile mit den Augen wieder zurück auf Anfang um festzustellen dass „wirf“ kein Rechtschreibfehler war mit vergessenem t.
bei sowas kann man schon mal den einen oder anderen Leser verlieren, der da aussteigt. ich las weiter, weil ich Hannes kenne.

Zitat von der.hannes im Beitrag #19

Die Rubrik Zyklen: Was meinst Du da genau?

das da: Folgegedichte

Gruß
Alcedo


e-Gut
zuletzt bearbeitet 11.08.2016 06:25 | nach oben


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