#1

Dahinter

in Mythologisches und Religiöses 22.05.2013 08:45
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Kennst du den türvorsteher des herrn K.?
Der weist dich ab, läßt keinen fremden ein
In seinen saal. Gehörst nicht zum verein.
Noch nicht. Der mann merkt sich, das was er sah.

Er dient, und hält dem herren blind die wacht
Bis später. Du bist nur der K., der kann
Nicht gehn. Doch bist du menschlich, endlich dran,
Wird er verschwinden. Dann tritt ein, gib acht.

Im schlosse wartet deiner eine frau,
Gehst du gerade, rechts oder nach links?
Da warten lange gänge, türen rings,
Die frau aus stein: sie ist das rätsel sphynx.

Sie spielt dein schicksal, und ihr maul ist groß,
Frißt sie dich auf? Sie zieht dein wegelos.
.................................................

Als kind, da brauchtest du der beine vier,
Und später dann genügten dir schon zwei,
Gingst du gerade, links und rechts, warns drei,
So irdisch kommst du nicht durch diese tür.

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#2

RE: Dahinter

in Mythologisches und Religiöses 22.05.2013 13:50
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Ein Verwirrspiel, lieber Otto,

immerhin ein interessantes. Bedeutet "K" Kannitverstan?
Sollte ich diesen Türvorsteher kennen? Mir schwant nichts Gutes.
Will ich dem Verein wirklich schon angehören? Dieser Sphinx sehe ich keinen Grund mein Vertrauen zu schenken.
Da halte ich mich lieber an den Stock ...
Das Tier auf drei Beinen hält sich tapfer, oder? War nicht schon Shakespeare dieser Meinung?
Irdisch kann ich mir Gedichte reinziehen wie dieses, voller literarischer Anspielungen. Mit Vergnügen gelesen - mcberry

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#3

RE: Dahinter

in Mythologisches und Religiöses 22.05.2013 16:06
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Lieber Mc!

Darf ich auflösen?

"K" steht für Kafka, Franz Kafka.

Die beiden Hauptwerke von F. Kafka sind " Das Schloß" und " Der Prozeß" .

Der Türsteher verweigert jemanden den Durchgang durch die Tür. Erst wenn der den Durchlaß Begehrende geht, verschwindet auch der Türsteher.
Zudem habe ich die der griechischen und ägyptischen Antike zuzurechnende Sphynx im Gedicht einer Frau gleichgesetzt, weil beiden sich das Rätselhafte in ihren Wesen miteinander verbindet. Wie Du sicherlich weißt gab die Sphynx jedem der ihr begegnete das Rätsel auf:

" Wer geht am Morgen auf vier, später auf zwei, und am Ende auf drei Beinen?"

Natürlich war hier der Mensch gemeint. Wer das Rätsel nicht löste, den brachte die Sphynx um. Der Vergleich zwischen Frau und Sphynx bezeichnet also das ewige Rätsel, dem der Mann sich gegenüber sieht. " K" aber steht nicht nur für F.Kafka, sondern für den Menschen an sich, der sein eigenes Rätsel, dem er in der Spiegelung der Sphynxfrau begegnet, nicht lösen kann. Der Türsteher verweigert K. die Lösung, solange er lebt.

Erst wenn er gestorben ist, kommt er am Türsteher vorbei, bekommt er die Lösung seines Schicksalrätsels. Doch wir erfahren es nicht, denn K. hat das Irdische verlassen, während uns der Türsteher noch den Zutritt durch die Tür verweigert ( unsere Zeit ist noch nicht gekommen, wir rätseln darum unser Leben lang, wie es F.K. in seinem Leben tat, es mit in seinen beiden Hauptwerken beschreibt: K. im Roman " Das Schloß", kommt zwar in das Schloß, doch er erreicht nie den Schloßherrn. K. im Roman " Der Prozeß" wird eines morgens verhaftet, weiß aber nicht worin seine Schuld bestehen soll. "Der Prozeß" ist eine Metapher für das Leben des Menschen.

"Gerade, links und rechts" stehen für für die möglichen Wegerichungen, mit denen sich K. in seinem irdischen Leben konfrontiert gesehen hat. An dieser Stelle bekommt das Gedicht einen religiösen Anstrich: Im Falle, daß es ein Nachleben gibt, wird mit K. gemäß seiner Werteordnung und seinen Taten abgerechnet: alttestamentarisch wird er also in der Hölle oder im Paradies landen.

Mit dem Rätselgleichnis der Sphynx werden die drei Möglichkeiten des Menschen angesprochen: als Kind ist er noch weitgehend unerfahren, hat er noch kein ausgebildetes Bewußtsein zwischen dem sogenannten Guten und Bösen zu unterscheiden. Erwachsen geworden hat er gelernt aufrecht zu gehen; ob er es tut, das ist seine bewußte Entscheidung. Hier läge also ein möglicher Kern für seine Schuld, wenn er gegen bessere Einsicht die Gesetze bricht.
Am Ende seines Lebens ist er nicht mehr Herr sich immer zu kontrollieren. Er wird zum Sozialfall, der selber der Hilfe bedarf ( sein drittes Bein ist ja der Stock, an dem er geht)

Die langen Gänge, die Türen, links und rechts: hinter den Türen lauern die personifizierten Hüter der Wahrheit, die für jeden Menschen unerforschlich bleibt, doch wonach er unnachgiebig in Kreuzverhören befragt wird, wenn er auf
diese Hüter hinter den Türen trifft ( diese Hüter sind aber nicht dem Türsteher gleichzusetzen, denn sie bezeichnen nur die Stationen des Lebensprozesses, in den der Mensch sich selbst und ewig Fragen nach dem " Warum" stellt. Aber sie sind Mitglieder des Vereins, von dem im Gedicht die Rede ist. Der Herr, dem der Türsteher dient, ist im Grunde der Mensch selbst. Doch wenn er ein nicht Aufgeklärter, Selbstbestimmter ist, dann wird er einen, seinen Herrn hinter jeder Tür vermuten: er erschafft sich seinen Gott, indem er zum Religionsstifter wird)

Zusammengefaßt ist das Gedicht eine Parabel über das menschliche Lebens, der Menschen, die ständig auf der Sinnsuche sind, und die eine lebenslange unheilbare Angst gefangen hält:
"Warum bin ich dem Leben verhaftet, und was kommt nach dem Leben?"

Wir könnten auch mit dem dänischen Religionsphilosophen Sören Kirkegaard ( ich glaube so wird er geschrieben) behaupten:

" Das Leben ist eine Krankheit zum Tode".

Ich hoffe, daß Dich meine Erklärungen nicht langweilen.

Danke für das Lesen.

Lieben Gruß,

otto.

zuletzt bearbeitet 22.05.2013 16:20 | nach oben


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