Vom Wert des Wertens
Als hohes Gut in unserem diesem Lande angesiedelt ist die Meinungsfreiheit- daraus ergibt sich folgerichtig das Recht zu bewerten. Bewerten: etwas oder jemandem einen Wert geben.
Einen Wert geben oder seinen eigenen subjektiven Wert überstülpen?
Der Wert unseres Seins definiert sich also durch die subjektive Einschätzung anderer?
Hätten wir sonst keinen?
Unter dem Deckmantel der objektiven Bewertung, die einen sachlichen Kriterienkatalog zugrunde legt, wertet jeder für sich selbst täglich so dahin.
Meine Güte, hat die Schmitz einen dicken Hintern bekommen. Wie blöd der Nachbar doch aussieht mit seinem grauen Anzug. Weißt du schon, der Sohn von Müllers hat die ganze Brust tätowiert. Das ist ja furchtbar.
Wieso? Ist doch cool, sagt ein anderer. Sieht doch geil aus, der dicke Hintern, denkt Herr Schuster, den mal mit Strapsen sehen… Also, ich find den Nachbarn schick in dem Anzug, lobt Frau Meier und nörgelt, ich wünschte, mein Mann würde auch mal einen Schlips tragen und nicht immer in Jeans rumlaufen.
Bewerten gibt dem Leben scheinbar Sinn: sich selber messen am anderen oder den anderen messen an sich selbst, wobei die Messlatte für sich selbst oft in rosa getaucht ist? Aber wehe die anderen tun dasselbe. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lang nicht dasselbe. Was erlaubt der sich? Der hat wohl die Weisheit mit Löffeln gefressen? Der sollte mal vor seiner eigenen Türe kehren!
Bewerten ist in, Bewerten ist Macht. Jemanden wertschätzen - geschieht das, indem wir jemandes Wert schätzen? Denn mehr als ein Schätzen ist es ja nicht.
Arbeitgeber machen sich mit Kundenbefragungsbögen diese Bewertungslust der Deutschen gerne zunutze. Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit, waren Sie mit unserer Kundenbetreuung zufrieden? War der Kellner freundlich? War der Reiseleiter gut?
Fällt die Bewertung nur oft genug schlecht aus, ist der Mensch am anderen Ende seinen Job los. Effiziente Arbeitnehmerkontrolle.
Ungeachtet dessen, dass an beiden Enden der Messlatte ein Mensch steht. Ein Mensch, der vielleicht ein mal einen schlechten Tag hatte, einer, der Sorgen hat, der traurig ist. Der seine ganz persönlichen Motivationen hatte, an dem Tag nicht so fit zu sein oder an dem Tag schlecht zu werten.
Auf der Bewerterseite kommt eine schlechte Bewertung vielleicht auch nur deshalb zustande,
weil Frau Schulze gerne mit dem Reiseleiter, naja…, aber der hat ja Frau Meier genommen.
Diese Liste wäre unendlich zu verlängern.
Wir holen den anderen die (Bewertungssterne)Sterne vom Himmel.
Dann wundern wir uns, wenn die Nacht duster wird.