#1

Launen

in Diverse 06.08.2012 23:25
von Chepre | 36 Beiträge | 36 Punkte

ich komme und ich gehe
ein Wolkenband im Sturm.
in deinen Augen bin ich Abrieb
ein kalter Tag im März.
nach mir ist der Himmel blau
und vor mir wird die Nacht
ein Flattern wilder Tauben.

.

ich komme und vergehe
ein Wolkenband im Sturm.
in deinen Augen Abrieb
ein kalter Tag im März.

nachher ist der Himmel blau
und vor mir wird die Nacht
ein Flattern wilder Tauben.

.


ich komme und vergehe
ein Wolkenband im Sturm.
im Zögern bin ich Abtrieb
ein kalter Tag im März.

nachher ist der Himmel blau
und vor mir wird die Nacht
ein Flattern wilder Tauben.


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zuletzt bearbeitet 08.08.2012 13:02 | nach oben

#2

RE: Launen

in Diverse 07.08.2012 12:30
von ugressmann | 942 Beiträge | 929 Punkte

Hallo Chepre,
wäre nicht die Überschrift, dann erzählten mir diese sieben Zeilen eine Geschichte.
Eine eher traurige Geschichte. Nur das Ende lässt mich zögern und zaghaft meldet sich die Hoffnung und sagt:
"vielleicht wird doch noch alles gut". Meine Interpretation ist nat. nur eine der Möglichkeiten.
frdl. grüßt Uschi

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#3

RE: Launen

in Diverse 07.08.2012 20:48
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

hallo Chepre, auf den ersten Blick: viele Personalpronomen - das lyrische Ich stellt sich damit sehr in den Mittelpunkt ... Absicht? ... ansonsten gäbe es da durchaus Möglichkeiten, das ein oder andere "Ich" oder "mir" zu streichen ...
durch die zwei Verse "Wolkenband im Sturm" und "Flattern wilder Tauben" wird der Titel als Thema in Bilder umgesetzt, die den Text interessanter machen, auf jeden Fall. das sind ja zwei Vergleiche, auch ohne das schwächende "wie", die eine Verwandschaft der Launen mit der Kraft und Unberechenbarkeit natürlicher Phänomene nahelegen, gefällt mir.
was mir noch auffällt, ohne dass ich es werten will: so richtig kommt kein Fluss in die Zeilen, jeder Vers steht monolithisch für sich, inhaltlich zwar verbunden, aber der Flow stockt ...

so, meine fünf Cent,
Viele Grüße,
Kjub

zuletzt bearbeitet 07.08.2012 20:50 | nach oben

#4

RE: Launen

in Diverse 07.08.2012 22:45
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

hallo chepre,

wenn ich Dein Gedicht laut lese, bringen mich ab der dritten Zeile die unterschiedlich Zahl der Hebungen aus dem Rhythmus. Ja, seöbst im verse libre halte ich Rhythmus für wichtig.

es grüßt
der.hannes

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#5

RE: Launen

in Diverse 07.08.2012 23:37
von Chepre | 36 Beiträge | 36 Punkte

hallo, die Herrschaften

eigentlich geht es nicht um was, was immer schlecht ausgeht und auch nur schlecht ist. solche Launen kommen und gehen wie Schlecht-Wetter-Fronten, und hinterher kann man aufatmen. auch die Nacht kann beruhigen, selbst wenn sich alles irgendwie verflüchtigt.

der Text ist autobiographisch, deswegen können für mein Empfinden die Pronomina schon drin bleiben. ich glaube, ich hab selten was wirklich so zu hundert Prozent über mich selbst verfasst. wenn die Pronomina allerdings dafür sorgen, dass man sich als Leser überhaupt nicht mit dem Text identifizieren kann, sollte ich nochmal ran. ging dein Gefühl in die Richtung, Kjub? Bauen die Pronomina eine solche Distanz auf?

Zitat
die eine Verwandschaft der Launen mit der Kraft und Unberechenbarkeit natürlicher Phänomene nahelegen, gefällt mir.


danke. damit hast du meine Intention getroffen

Zitat
so richtig kommt kein Fluss in die Zeilen, jeder Vers steht monolithisch für sich, inhaltlich zwar verbunden, aber der Flow stockt


gell? seh ich auch so :) mich stört es zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aber net besonders. ich kann mich auch nicht mehr so recht dran erinnern, wie die Entstehungsgeschichte von dem Teil war (es ist von März). ich glaube, ich hatte noch andere "Zweizeiler" zur Auswahl, wovon aber nicht alles in die Endausscheidung kam - das mag diesen etwas puzzlehaften Eindruck zur Folge haben, da der Text, soweit ich mich erinnere, auch net wirklich aus einem Guss entstanden ist.

Zitat
bringen mich ab der dritten Zeile die unterschiedlich Zahl der Hebungen aus dem Rhythmus.


da sachste was, hannes :)
das ganze sieht ja dann wohl erstmal so aus:

xXxXxXx
xXxXxX
xXxXxXxXx
xXxXxX
XxXxXxX
xXxXxX
xXxXxXx

das zweite Mal vier Hebungen find ich in Ordnung, da der Text an der Stelle auch ne Art inhaltlichen Schwenk macht. ich find, da liest sich das gut rein. aber bei V3 haste mich jetz echt ins Überlegen gebracht. da ist genau einmal Xx zu viel drin, sonst würd sich das perfekt einfügen. irgendwie ist mir das früher nie so aufgefallen. nur leider kann ich hier schlecht einfach zwei Silben rausschmeißen, da sonst die Bedeutung eine ganz andere wird. zumindest den Abrieb würd ich mir gern erhalten. da muss ich echt nochmal drüber brüten. grad hab ich net wirklich ne Idee.

edit: ich hab jetzt mal zwei, drei Sachen ausprobiert, wovon mir folgendes bisher am tragfähigsten erscheint - im Zögern bin ich Abrieb
das ist zwar schon was anderes als in der Version da oben, aber es wirft mir den Text net komplett übern Haufen und macht Sinn und klingt eigentlich auch gar nicht so schlecht. vielleicht mach ich ne zweite Version damit. :)


Zitat
Ja, seöbst im verse libre halte ich Rhythmus für wichtig.


kann man ja :)

danke für eure Kommentare!


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zuletzt bearbeitet 07.08.2012 23:53 | nach oben

#6

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 00:13
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

Zitat
wenn die Pronomina allerdings dafür sorgen, dass man sich als Leser überhaupt nicht mit dem Text identifizieren kann, sollte ich nochmal ran. ging dein Gefühl in die Richtung, Kjub? Bauen die Pronomina eine solche Distanz auf?



nee, das nicht. ich habe für mich entschieden, so wenig persönliche fürwörter wie möglich in meinen texten haben zu wollen, weil die sich vor das eigentliche thema schieben - das ich gerät so in den vordergrund, ohne dass es einen mehrwert hätte - oder, anders gesagt: genau so viele "ich" und "mir" wie nötig und keines mehr. das gilt freilich ebenfalls für jedes andere wort in einem lyrischen oder epischen text ... nur bei personalpronomen fällt es noch mehr auf, weil sie, anders als füllwörter, eben den erzähler / das lyrische ich in den vordergrund drängen.

zuletzt bearbeitet 08.08.2012 00:13 | nach oben

#7

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 00:21
von Chepre | 36 Beiträge | 36 Punkte

interessant. ich würd mich da eher gegen Füllwörter als gegen Pronomina aussprechen. Pronomina sehe ich einfach als unvermeidbar beim Gebrauch von Verben an, Füllwörter zeigen meiner Meinung nach eher eine gewisse Verlegenheit beim "Rhythmus-Machen" an und pumpen einen Text künstlich auf.


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zuletzt bearbeitet 08.08.2012 00:25 | nach oben

#8

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 01:05
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

sorry, ich habe mich missverständlich ausgedrückt: pronomina nur so viele wie unbedingt nötig, füllwörter eigentlich gar nicht, beim metrischen schreiben vllt um einen bestimmten rhythmus hinzubekommen? das wäre eine verlegenheits-verwendung.
kleines beispiel zu pronomina? zur veranschaulichung:

Zitat
ich komme und gehe
ein Wolkenband im Sturm.
in deinen Augen Abrieb



in der ersten zeile ist vollkommen klar, wer da geht, das heißt das zweite ich fällt weg - und sogar in der dritten zeile wäre es nicht unbedingt nötig - das würde natürlich die aussage öffnen und du hättest weniger bedeutungsschärfe hier drin, aber das wäre eben eine art, mit den wörtern und bedeutungen zu spielen, mehrfache deutungen zu ermöglichen.
also das mit der dritten zeile ist schon special und recht weit von deiner eigentlichen intention entfernt, aber in der ersten das "ich" kann auf jeden fall weg, es ist eben klar, wer da geht, das zweite "ich" hat keinen zusätzlichen informationswert. :)

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#9

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 01:19
von Chepre | 36 Beiträge | 36 Punkte

ich bin hin und weg. in zwei Nächten bin ich hier so kreativ wie ich es in einem anderen Forum seit Monaten nicht mehr war. ihr schreibt wundervolle konstruktive Kommentare mit Anregungen, die wirklich die Produktivität fördern.
hier wär dann mal ne Version mit ohne weniger Pronomina und auch ansonsten a weng umgeschrieben:

ich komme und vergehe
im Sturm ein Wolkenband
Abrieb in deinen Augen
ein kalter Tag im März

nachher ist der Himmel blau
und vor mir wird die Nacht
ein Flattern wilder Tauben

.

ich komme und vergehe
ein Wolkenband im Sturm.
in deinen Augen Abrieb
ein kalter Tag im März.

nachher ist der Himmel blau
und vor mir wird die Nacht
ein Flattern wilder Tauben.


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zuletzt bearbeitet 08.08.2012 10:55 | nach oben

#10

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 11:28
von Kokoschanell (gelöscht)
avatar

hi chpre,
ich habe es nun schon mehrfach gelesen.
auch mir gefällt das zusammenspiel von natur und ich.
der formalen kritik schließe ich mich an.
der titel ist gut gewählt.
allerdings scheint mir mit der abwandlung von gehe und vrgehe eine sinnänderung einherzugehen.
zunächst sprach für mich ein ich, selbstbewusst, selbsbestimmt- darum auf andere launisch wirkend.
das vergehen passiviert, macht das ich inaktiv..
soll das so sein?
ansonsten, wenn der geänderte sinn ok ist, gewinnt das werk. nur muss man immer auch ja sehen, was der autor eigentlich sagen wollte...
grüße von koko

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#11

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 11:39
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

ich kann mich in dem Fall meiner Vorrednerin in Gänze anschließen: so ein beherztes Herangehen und sofortiges Ändern finde ich total sympathisch, andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass jegliche Änderung aufgrund von Kommentaren ordentlich geprüft gehört - ansonsten stellt sich schnell das Gefühl ein, das Gedicht gehöre einem nicht mehr ... das will ich nur zur Kenntnisnahme mal geschrieben haben, ist ja möglich, dass andere das anders empfinden, dass es für Chepre bspw überhaupt kein Entfremdungs-Problem mit dem eigenen Text gibt ...
wobei hier auch die bisherige Geschichte des Textes eine Rolle spielen dürfte - die Autorin sagte ja selbst, dass der Entstehungsprozess nicht mehr eindeutig rekonstruierbar sei - dann fallen Änderungen wesentlich leichter, denke ich mal.

freut mich jedenfalls, dass es dir weiterhalf, Chepre. ich bin ebenfalls der Meinung, dass das Gedicht mit der Überarbeitung gewonnen hat.

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#12

RE: Launen

in Diverse 08.08.2012 12:50
von Chepre | 36 Beiträge | 36 Punkte

nach allem Streichen und Umbauen meine ich jetzt witzigerweise mit der neuen Version genau das Problem zu haben, das koko auch anmerkt: das vorher doch sehr dominante lyrische Ich ist jetzt dermaßen zurückgetreten, dass die Bilder so ohne Träger stehen, dass ich nicht weiß, ob sie noch genug für sich erzählen können. vom Gesamtklang her macht die neue Version in der Tat mehr her - sie wirkt weniger monolithisch :), glaube ich, weniger hart und alles fügt sich etwas besser zusammen. mal vom veränderten Sinn ganz abgesehen.
ich probier schnell und gerne und meistens ohne große Skrupel an meinen Texten herum, denn im Grunde sind es ja "nur" Worte, mit denen man arbeiten kann, und Sprache hat so viele Möglichkeiten. ich find sowas spannend. :)
bei dem hier könnte ich mich jetzt nicht entscheiden, welche Version mich mehr überzeugt. die ursprüngliche ist mehr "meins", die neuere klingt aber irgendwie eigentlich besser und nicht so "roh". ich werds machen wie bei vielen anderen Texten und lass einfach beides stehen. wieso auch nicht, man kann Texten ihre Geschichte ja ansehen.


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