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Irgendwie musste ich bei diesem Gedicht an die Arche Noah denken: Gott überflutet die Welt, um eine sogenannte Tabula Rasa zu schaffen für ein neues Werk. Und die Arche nimmt von jedem Tier immer zwei auf, also "ein Haus von jedem zwei", die auf dem Wasser herumschwimmen, das die Welt bedeckt.
In der letzten Strophe lese ich, dass die Vögel aber so klug sind, bei der Sintflut einfach der Arche nachzufliegen statt mit dem anderen Getier unterzugehen und frage mich momentan noch, was genau du mit dieser Metapher meinst. Aber ich komme noch darauf :).
LG, Evanesca
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 04.10.2011 19:08von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Wirklich, liebe Monika?
Was macht ein Wurm? Wahrnehmung unterliegt ja unterschiedlichsten Winkeln, nicht nur denen der Blicke. Goethen
fand eine, seine Welt in einem Wasserglas. Ich z.B. habe Höhenangst, versuche aus der Augenhöhe das mir zeigende Phänomenale einzuordnen. Zugegeben, zuweilen steigt mein Geist ohne Schwindelgefühle hoch- wie hoch weiß ich nicht, da fehlen mir die Vergleichsmaßstäbe- was mich nicht davon abhält zu lügen. Oder ich halte aus der Froschperspektive nach der Prinzessin aus, die mich entzaubern soll.
Nun ja, wir verstehen uns in unseren Zweifeln. Du jedenfalls hast die Klarsicht, die die Wüste bietet... neben den Fatamorganen. Aber das klärt sich von alleine auf, wenn man der Angelegenheit näher kommt.
Liebe Grüße,
Dein Gegenüber aus dem Meer.
otto.
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 04.10.2011 19:18von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Ja Eva, es ist der neue Pakt mit dem Gott am Ende einer Revolte. Der "vogelklug" will nicht wegen seiner Unvollkommenheit gerettet werden, denn die hat er nicht zu verantworten. Ein Flieger im Regen ist er, naß geworden wartet er, bis die Wasser weichen,
nimmt seine Unvollkommenheit an, er revoltiert nicht gegen sie. Er revoltiert gegen die ihn ausgrenzende Moral, bestimmt seine eigenen Werte. Deshalb nannte ich ihn " vogelklug". Er weiß um seine Selbstbestimmung, er kämpft für sie. Später wird er den Paaren aus der Arche begegnen und berichten. Und er erwartet gelassen ihre Fragen.
Danke für Deinen Kommentar,
liebe Grüße,
otto.
Mir gefällt diese Idee einer Revolte gleichsam gegen sich selbst sehr gut, nur stellt sich mir dabei die Frage, warum das Gedicht "statisch" heißt, wenn der Vogel doch in ständiger Bewegung hinter der Arche herflattert, weil er nicht gerettet wurde?
Ich kommentiere immer wieder gerne!
LG, Evanesca
naja, Otto... dem vogelklug, also so klug wie ein Vogel.
Natürlich sieht er mehr als der Wurm, aber er sieht auch nur aus seiner "Vogelperspektive"- will sagen. Ob ein Vogel klug ist oder ob sein Blick ihm zu einer klugen Entscheidung verhalf, das weiß er es hinterher.
Für den Vogel geht es nur ums Überleben, für uns Menschen um mehr.
Manchmal tut es gut, den Fata Morgnanen nachzuhängen, sie nicht zu enttarnen. manchmal muss man es, dem Vogel gleich.
Dem Vogel klug, da fällt mir auch der Spruch ein: er/ sie hat ein Spatzenhirn.
Fällt mir es jetzt auf beim zewiten befassen mit dem Werk.
Kann also auch von dir genau gegenteilig ( ironisch) gemeint sein, der Schluß.
LG von Monika
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 04.10.2011 21:55von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Liebe Eva!
Statisch in seiner Haltung. Unbeugsam authentisch in der Revolte. Er bewegt sich nicht von sich, von seiner
Grundhaltung weg. Das Statische ist seine Kontinuität in der Bewegung, ununterbrochen, trotz seiner Gefährdung,
loyal seine Werten. Es ist klug sich selbst nicht zu verlieren. darin liegt das Prinzip der Revolte. Und er flattert nicht
hinter der Arche hinterher. Vielmehr bleibt er sich treu gegen das ihm Unvollkommene, dem gegenüber er von keiner Schuld weiß, und es also nicht akzeptiert bestraft zu werden. Es ist der Prozeß den Kafka im Schloß als Landvermesser beschreibt, um akzeptiert zu werden und als Verhafteter im Prozeß führt. Es ist die Revolte gegen eine erlebte aber nicht akzeptierte, nicht nachvollziehbare Ungerechtigkeit, in der einer die Götter verlacht, obwohl sie ihn zu demütigen versuchen. Ein Aufstand, Aufschrei, Verachtung der Götter. Denn der Vogel fühlt, dass er nicht frei fliegt, doch er fürchtet sich nicht. Ein Momentum unglaublicher Freiheit beseelt ihn.
Liebe Grüße,
otto.
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 04.10.2011 22:04von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Liebe Monika!
Ich habe versucht der Eva auf ihre Frage konsequent zu antworten. Die Antwort impliziert hoffentlich Deine Bedenken.
Ansonsten frage bitte weiter. Auch ich bin irgendwie der Wurm. Ich versuche mich zurecht zu finden: Erde oder Luft, sie gelten mir so als ein Gleiches.
Liebe Grüße,
otto.
Danke noch einmal euch beiden, dass ihr nachhakt. Es ist ja kein Leichtes mit der Aufklärung, zu schnell schlägt sie in Verklärung, in Reaktion um. Was rettet uns? Glauben oder Wissen? Glauben u n d Wissen? Wer ist frei? Noah oder der Vogel?
Und was bedeutet die Freiheit dem einen und dem anderen? Hierum kreisen meine Gedanken am Berge Arrarat.
Liebe Grüße,
otto.
Zitat
Was rettet uns? Glauben oder Wissen? Glauben u n d Wissen? Wer ist frei? Noah oder der Vogel?
Und meiner Meinung nach ist das ein tolles Thema für ein Gedicht - sobald alle formalen Diskussionen zum Gedicht eigentlich erledigt sind, kann man sich immer noch so einem interessanten Thema widmen.
Zitat
Es ist klug sich selbst nicht zu verlieren.
Da stimme ich dir und auch dem kleinen Vogel zu, so denke ich auch und lasse mich nicht oder sehr ungern beugen.
Zitat
Vielmehr bleibt er sich treu gegen das ihm Unvollkommene, dem gegenüber er von keiner Schuld weiß, und es also nicht akzeptiert bestraft zu werden.
Er revoltiert dagegen, mitbestraft zu werden dafür, dass die Menschen sich auf der Erde schlecht benommen haben bzw. generell für etwas leiden zu müssen, an dem er keine Schuld trägt? Das kann ich gut nachvollziehen - dein Vogel wird mir immer sympathischer!
Zitat
Es ist die Revolte gegen eine erlebte aber nicht akzeptierte, nicht nachvollziehbare Ungerechtigkeit, in der einer die Götter verlacht, obwohl sie ihn zu demütigen versuchen. Ein Aufstand, Aufschrei, Verachtung der Götter. Denn der Vogel fühlt, dass er nicht frei fliegt, doch er fürchtet sich nicht. Ein Momentum unglaublicher Freiheit beseelt ihn.
Toll gesagt!
Danke für die Erklärung, die die Verse noch toller macht.
LG, Evanesca
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in Philosophisches und Grübeleien 05.10.2011 09:20von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Lieber Otto,
mit großem Interesse las ich "Statisch" 1 - 3, die über ihren allgemeingültigen Sinn hinaus, dem Individuum Interessantes vermitteln. Auch und gerade in deinen Kommentaren. - Mir gelingt es beispielsweise leicht, Bezüge zu aktuellen Situationen herzustellen, insbesondere im Zusammenhang mit neofaschistischem Gedankengut. - Du führst Camus an, der bis heute einer meiner Lieblingsschriftsteller geblieben ist, einer, der zur Revolte gegen die Absurdität des Lebens aufrief, einer, der sein "Nein" mit Inhalt füllte. Mein Lieblingssatz von ihm lautet:
Zitat
Um eine Kultur zu schaffen, genügt es nicht, mit dem Lineal auf die Finger zu klopfen.
Albert Camus
In diesem Sinne (hoffentlich) vogelkluge Grüße
pista
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 05.10.2011 18:01von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Ja liebe pista,
mit Deinem Kommentar geht es mir "saugut", wie A.Camus ist mir auch F. Kafka immer nah gewesen. Dichter, die
mir irgendwie immer klugen Ratten glichen, in die Ecke getrieben, doch so mutig ihre so einsame Freiheit zu verteidigen, zu suchen: und läge sie im Urknall und hallte ihnen dröhnend in ihren klaren Verstand.
Kristalline Aufklärer, Visionäre, keine Missionare mit Alleinvertretungsansprüchen für die ihnen geltenden Wahrheiten, doch unbestechlich mit ihren Fragen.
Natürlich zögere ich stets mit meinen Kommentaren etwas zu erklären, das sich aus sich selbst zeigen muß: das wenigstens der Anspruch von mir. Doch immer ist das gesprochene und geschriebene Wort dem Mißverständnis
verwoben. Wen schon interessiert die Auseinandersetzung mit der behaupteten Absurdität der Schöpfung?
Viele spüren ihren Zweifel, flüchten sich in den Glauben. Es bedarf des Mutes um ein Buch wie " Die Pest", " Der Fremde", " Der Mensch in der Revolte", " Der Prozeß", " Das Schloss" überhaupt zu denken, geschweige den öffentlich gemacht zu haben.
In F. Kafkas " Strafkolonie" stand das Entsetzen Pate im Publikum, als es Kafka ( ich meine es richtig zu erinnern)
1918 vortrug.
Wie geht es Dir?
Liebe Grüße,
otto.
Ich liebte und liebe Kafka, entsetzt hat er mich niemals. - Schon berufsbedingt bin ich mit diversen psychischen Störungen vertraut. - Mich entsetzen eher die Niederträchtigkeiten der Straßenecke, wie Machtgeilheit im Bonsaiformat, Profilneurosen, Platzhirschgehabe ohne jeglichen Hintergrund und schlechtes Benehmen.
Natürlich suche ich nach Gründen, erkläre es mir zuweilen so, dass Menschen, die in ihren Brotberufen ohne jedweden Einfluss sind, Subalterne, die nur durch Ducken überleben, vermutlich nicht anders handeln können. - Deshalb bin ich im Grunde ein nachsichtiger Mensch, erröte aber öfter für andere.
Natürlich kann und möchte ich mich nicht mit dem großen Kafka vergleichen: Errötet ist der aber oft. Und schrieb recht eigentlich nichts anderes, nur besser ...
Herzliche Grüße
pista
Ich bin es nochmal, lieber Otto.
Interessant an Kafka und anderen Autoren seiner Zeit ist für mich die starke Beeinflussung, die sie durch Sigmund Freud erfahren haben, insbesondere durch dessen "Traumdeutung." Jener war ja in Europa und den USA sehr populär, gerade bei denjenigen, die sich vor den Nationalsozialisten geflüchet hatten.
Über Kafka selbst wurden auch psychoanalytische Studien gefertigt, beispielsweise das grandiose "Kafkas Inferno" (Hellmuth Kaiser).
In dieser Hinsicht gab und gibt der Autor auch einiges her ...
Pistacia
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 06.10.2011 08:30von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Liebe Pista!
Ich schätze Menschen, die mich anregen. Danke.
Kürzlich konnte ich ein Buch erwerben, das im Akademie-Verlag . Berlin ( DDR) 1984 herausgegeben wurde. Zum Inhalt hat es die amtlichen Schriften, die F.Kafka während seiner Tätigkeit in der Arbeiter- Unfallversicherung verfasste. Dem
Buch wurde ein Essay von Klaus Hermsdorf beigegeben. Thema: " Arbeit und Amt als Erfahrung und Gestaltung."
Wie Dir sicherlich bekannt ist, wurde F.Kafka erst in den 80ziger Jahren mit seinen Werken in der vormaligen DDR zugelassen. Interessant
am Essay finde ich insbesondere die ideologische Einführung auf dem Hintergrund sozialistischer Wertungskriterien.
Falls Du es noch nicht gelesen hast, so empfehle ich Dir " Den Brief an den Vater" ( ich meine so heißt der Titel).
Der Hinweis auf die Lesung von F.Kafka zur " Strafkolonie" war mir dehalb bedeutend, weil die Reaktionen im Publikum ( 1918) tatsächlich einiges Entsetzen gezeigt haben sollen. Eine Frau wäre beim Vortrag in Ohnmacht gefallen.
Liebe Grüße,
otto.
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 08.10.2011 02:11von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
?
Knall Fall Schall
Ich sage dir was. Ich wurde hundertfach in Foren gesperrt, und ich will nicht unhöflich sein, aber was willst du mir mit dieser dreimaligen Gedichterei eigentlich sagen.
Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.
L.F Celine
RE: Statisch 3
in Philosophisches und Grübeleien 08.10.2011 08:17von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Lieber Gemini!
Natürlich verfehlt auch auf Dich ein jedes Gedicht seine Wirkung nicht. Einmal verhörte mich ein informeller Mitarbeiter der Stasi (IM). Er befragte mich nach einem von mir geschriebenen Gedicht:
" Haben S i e das Gedicht" geschrieben?"
" Das Gedicht spricht für sich selbst."
" Also haben Sie das Gedicht geschrieben?"
" Das Gedicht spricht für sich selbst."
" Das genügt mir nicht, was bedeutet es?"
" Das Gedicht spricht für sich selbst."
" Sie geben also zu, dass Sie das Gedicht geschrieben haben?
" Das Gedicht spricht für sich selbst."
" Was wollen Sie mir eigentlich mit diesem Gedicht sagen?"
" Soweit ich Sie verstehe, habe ich es nicht für jeden geschrieben."
Liebe Grüße,
otto
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