#1

Das Mai-Herz

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.05.2011 11:02
von MarleneM (gelöscht)
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Das Mai-Herz ( eine rosa Geschichte)

Wir haben Mai - den Monat , der voller Blüten hängt, gelbe, rote, weiße –doch dieses ist eine rosafarbene Geschichte.
Der Brauch vom Oberbergischen bis in die Eifel veranlasst alljährlich erneut zahllose junge Männer , ihrer Angebeteten einen Maibaum zu stellen oder ihr ein Mai-Herz ans Fenster zu hängen. Tagelang vorher wird bereits diskutiert, wie man solch ein Teil an die bewusste Stelle und die Leiter zum bewussten Haus manövriert. So kommt es, dass man am 30. April im Rheinland reihenweise Väter in Nobelkarossen mit 35 Kilometer pro Stunde über die Straßen schleichen sieht. Aus den Fenstern der Wagen ragen ellenlange Maibäume und auf die teuren Roadster-Ski-Halter schnallte man banale Alu-Leitern - ein bemerkenswertes Bild.
Derart entfremdet stehen sie dann oftmals stundenlang vor irgendwelchen Häusern, denn die Maibäume- und Herzen dürfen erst angebracht werden, wenn die Verehrte nicht zu Hause ist- und das kann dauern. Die muss sich nämlich erst noch für den Tanz in den Mai fertig machen und weil Mutter auch da hin will, vorher noch mit dem Hund gehen.
Manche Jugendliche haben aber keinen Vater mit Großraumkutsche und müssen notgedrungen die Sache selbst in die Hand nehmen – Kumpels stehen da gern hilfreich zur Seite und vorher trinkt man sich noch mit ein paar Bierchen den Mut an, an vier Meter hohen Regenfallrohren empor zu klimmen, um das edle Mai-Herz zu befestigen.

Als mein Mann und ich um zwei Uhr nachts vom Maiball nach Hause kamen, stand unser Haus noch nackt und bloß - öder ,roter Klinker mit zinkener Regenrinne. Ich dachte an meine Tochter, die schon zu hause war und meine gute Laune schwand.
Der Hund wankte uns schlaftrunken entgegen - zwei Uhr nachts ist nicht seine Zeit. Er wedelte schlapp mit der Schwanzspitze- doch dann sollte Leben in ihn fahren!
Mit röhrenden Motoren und brüllend lautem Rock-Gedudel bogen zwei Wagen in die Straße ein und hielten mit quietschenden Reifen vor unserem Haus. Türen schlugen, Jungenstimmen hallten - Diskutieren, Schleifgeräusche, Knistern. Der Hund sprang zur Tür, knurrte, bellte, wachte- zwecklos! Scharren, Lachen mischten sich mit handwerklichem Knarren und mein Mann meinte: „Ich geh m al raus, bevor die uns die ganze Dachrinne abreißen.“.
Er kam lange nicht wieder. Der Hund winselte nun und prustete, die Nase an die Ritze der Eingangstür gepresst. Draußen wurde geflüstert – Klatschen, wie Beifall- was taten die da?
Als mein Mann wieder im Flur stand, sah er zufrieden aus. „Alles klar,“ lächelte er. Die Rock-Musik war leiser geworden und ich linste durch die Wohnzimmer-Rollade. Zwei junge Männer saßen auf Klappstühlen vorm Haus und starrten auf Selbiges, circa zwanzig Bierflaschen um sich verteilt.
Meine Tochter ( immerhin bald zwanzig) hüpfte wie ein Dilldöppchen treppauf, treppab und girrte unverständliche Töne, mal klirrend, mal glucksend und sprach dann eine furchtbare Vermutung aus:
„ Die bleiben jetzt da sitzen, sie bewachen das Mai-Herz und morgen früh um acht muss ich ihnen Frühstück machen: “Es war 3 Uhr nachts, ich hatte sechs Stunden getanzt- also würden mir noch fünf Stunden Schlaf bleiben, bis zwei unausgeschlafene, verschwitzte und reichlich angedödelte Jungs in meine Küche trampeln würden. Also dann – ab ins Bett und die Augen zu!
Ich kuschelte mich an die breite Brust meines Mannes, da röhrte ein weiterer Wagen um die Ecke- diesmal mit spanischem Soul bestückt.- Oh, Gott- die Nachbarstochter kriegte auch ein Mai-Herz!
Bisher bekam sie immer einen „Schandbaum“, den ihr Vater dann morgens Klopapier behangen in den Blumenkübel stellte- nicht ohne Stolz. Sie sind nicht von hier und kennen den Brauch nicht…
„Eye, Alter- hier kommt die Leiter!“. Unser Hund raste aus dem Körbchen und tat mit angenervtem Gebell seinen Unmut über die Kratzgeräusche einer Leiter auf dem Asphalt kund. Er hätte gern geschlafen!
„ Wurde auch Zeit! Stefan hat mir, als er auf meinen Schultern stand, den Nerv eingeklemmt. Das tut vielleicht weh! Kannse ma massieren?“. „ Eye, geht’s noch, du Weichei?“
Unsere Dachrinne knirschte – Klopfgeräusche hallten durch die stille Nacht. Gerade war der Dachdecker da gewesen eintausendvierhundert Euro Sturmschaden. Ich rollte mich auf die andere Seite- also nicht die Nachbarstochter….
Das Mai-Herz war dran- irgendwann. Ich linste auf die Uhr, sie zeigte drei Uhr fünfzig. Die Leiter wurde in Richtung spanischen Soul gezerrt, unsere Nachbarn gegenüber zogen die Rolläden hoch. Leiter ins Auto-Türenklappen-Röhren-Vollgas-Stille- haaaach!
Ich kuschelte mich an die breite Brust meines Mannes und auch der Hund kam zur Ruhe. Ich sank in einen wohligen Schlummer und träumte von spanischem Soul. Der Hund auch! Er bellte, ziemlich heiser schon, aber doch laut und vernehmlich. Glucksendes Lachen kullerte aus dem Zimmer meiner Tochter von oben: „Mama, guck mal!“. Mein Wecker leuchtete mir vier Uhr zwanzig entgegen.
Ich stapfte hoch und lugte durchs Fenster- der spanische Soul war wieder da, diesmal mit Campingliege und weiteren zwei Kisten Bier.. Na dann – gute Nacht!
Oben um die Ecke bog eine einsame Gestalt, ein riesiges Mai-Herz vor sich hertragend. Ich kannte ihn- es war Micha, ein ebenso langjähriger wie erfolgloser Umwerber meiner Tochter.
„Eye, Alter, guck mal, was für’n Schwachkopf- der hat nicht mal ne Karre! – Wo willst du denn hin?“. Micha schlurfte heran. Er war nicht so der große Redner, schon alleine wegen seines sächsischen Dialekts.
Die Gruppe kannte ihn nicht, doch die Stimmung war gut und schnell nahmen sie Micha in ihrem Kreis auf. Micha, .eher der akademisch handwerklich unpraktische Typ, hatte sein Mai-Herz rasch und lautlos platziert- er hatte es an den Briefkasten gehängt. Da er, wie ich später erfuhr, vom nächsten Dorf zwei Stunden gelaufen war, blieb er. Die Disney-Uhr aus längst vergangenen Zeiten blinkte vom Schreibtisch meiner Tochter fünf Uhr zwanzig.
Hundemüde schlurfte ich zurück ins Bett- mein Mann schnarchte schon. Ich steckte mir zwei Ohropax in die Ohren und schlief sofort ein.
Als ich um halb neun wach wurde, weil meine Küche vom tiefkehligen Lachen junger Männer erbebte, schwirrte meine Tochter wie eine Elfe durch den Raum und mein Mann schlürfte seinen ersten Kaffee.
Im Schlafanzug, was keinen störte, ging ich das Werk der Nacht begutachten. Am linken oberen Fenster prangte ein 1m breites , rosafarbenes Mai-Herz, das in ein weiteres rotes Herz eingebettet war. Das weiße „A“ war mit zahlreichen Perlchen beklebt. Am Briefkasten hing das zarte Gegenstück, ein wenig kleiner in pink, mit dem Namenszug „Alexandra“ - dem Namen meiner Tochter.
Am Fallrohr aber thronte ein 3,40 m hoher Mai-Baum, mit bunten , farbigen Bändern umschlungen, die im Morgenwind flatterten - ein Traum! Ich ging zurück in die Küche und fragte:
„Wer von Euch hat denn den riesigen Mai-Baum aufgestellt?“. Mein Mann lächelte: „Ich!“.
Vier Jungs grinsten von einem Ohr zum anderen, die Backen voller Rosinensemmel und der Hund wedelte treuherzig.

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#2

RE: Das Mai-Herz

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.05.2011 14:13
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo MarleneM,

die Story liest sich wie ein Tagebucheintrag, an dem du Leser freundlicherweise teilhaben läßt.
Frisch, eine nette Begrüßung des Wonnemonats.

Trotz eingehaltener chronologischer Abfolge wirkt die Berichterstattung unsortiert. Viele schnelle Wechsel
lassen die Figuren immer wieder quer durch das Bild laufen. Ein Stilmittel, das einerseits den lebendigen
Charm ausmacht. Andererseits riskierst du, den Leser zu verlieren, sobald er nicht mehr folgen mag.
Unterhaltung ist ein Balanceakt.

Am Ende der Geschichte erfasse ich immer noch nicht genau, was der Autorin wirklich wichtig ist.
Alltags-Szenen bieten vielschichtige Ansätze, die verdeutlicht/herausgearbeitet werden können.
Zum Beispiel in der Rubrik: Beschreibung des Brauchtums unter Berücksichtigung persönlicher Erfahrung.
Erlebnisbericht mit Message: Liebe ist keine Frage des Alters, sprich: Mutter ist auch einen Maibaum wert.

Mit dem Titel Mai-Herz bringst du unsichere Kandidaten unter deinen Lesern, die sich vor Kitsch fürchten,
gegen die Story auf. Andererseits, sind mir solche Phobiker nicht nahe. Wer hier liest und schreibt, traut
sich ein eigenes Urteil zu, - hoffe ich. Gerne gelesen. LG -mcberry

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#3

RE: Das Mai-Herz

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 01.05.2011 20:25
von MarleneM (gelöscht)
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Lieber Macberry,
ich danke dir für deine ungeschminkte Antwort und freue mich darüber.
Sicherlich hast du recht und eigentlich ist es gar nicht mein Stil so zu schreiben. Dennoch ist es ja ( Vorwarnung) - lach-eine rosafarbene Geschichte,,,
Es ist kitschig und soll kitschig sein, es ist eine heile Welt, ein kleines Universum für einen Tag, wo alles stimmt.
Das wollte ich festhalten.
Da es so war, spielt natürlich auch persönliche Empathie eine Rolle.
Schade, dass es mir nicht gelungen ist, das große Glück, das ich in jener Nacht und an dem Morgen empfand, für den Leser mitreissend rüber zu bringen.

LG von Marlene

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