Kleine Kammerspiele mit Ella und einigen weißen Kitteln in der Bibliothek der Psychiatrie.
Ella will ihre Verse vor ihrem "Fachpublikum" auswendig vortragen. Sie ist etwa 60 Jahre alt und hat die
scharf nach hinten zu einem festen Knoten zusammen gehaltenen Haare rot eingefärbt. Um ihr Publikum nicht ansehen zu müssen, hat sie darum gebeten, eine tiefdunkle Sonnebrille aufsetzen zu dürfen. Sie trägt eine mit Rüschen eingefasste Schürze mit großen Rosenmustern. Die Therapeuten sitzen bereits in einem offenen Halbkreis um sie herum. An der einen Wand stehen drei Wärter. Ella sitzt in einer Art Fernsehsessel und blickt stumm auf den geölten Parkettboden, von dem der Geruch des Wohnerwachses aufsteigt.

" Danke für die Einladung zu Ihrer Lesung, liebe Ella. Wir sind gespannt"

"Ich lese nicht, ich sage nur,
mir ist im Kopf, jetzt kommt es gleich,
was ich euch sage, um vier Uhr,
das macht mir beide Beine weich.
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Hallo Sie, weißer Mann,
schon bin ich dabei,
hört jetzt was ich kann,
raus aus blauem Ei.

Hab`mich dort versteckt,
werde bald zum Huhn,
bin noch nicht verreckt,
ist noch viel zu tun.

Rund mein Haus aus Kalk,
brüte oft im Garten,
und im Bauch mein Schalk,
läßt euch alle warten.

Schneide manche Rose,
blicke in den Himmel,
leg`sie in die Dose,
bald wird sie zu Schimmel.

Meine Kinder tot,
ach man will mich strecken,
macht mir Augen rot,
will noch nicht verrecken.

Nachbarn sind gemein,
stricken immer Strumpf,
will alleine sein,
fall sonst in den Sumpf.

Immer bin ich leise,
höre klugen Rat,
man sucht meine Meise,
hier im Kittelstaat.

Glocken läuten immer,
für die bösen Frommen,
graues Gummizimmer,
wenn die Schaben kommen.

Katze spielt mit Spritze,
jetzt wird festgeschnallt,
die Kanülenwitze,
machen durchgeknallt.

Laut spielt die Musike,
und erstickt den Schrei,
Schwester Frederike,
immer schnell dabei.

Wo ist nur mein Hütchen,
hab ihn bei den Pillen,
neben bunten Tütchen,
um der Ängste willen.

Schlag auf Schlag fall`n Hiebe,
können sie nicht lassen,
hab zu viele Triebe,
alle woll`n sie fassen.

Will a u c h was erleben,
scharf und lustig sein,
meinen Paul den kleben,
sie ins Album ein."

" Gut, Gut, liebe Frieda, nehmen Sie ihre braune Decke auf und gehen Sie nach ihrem Vortrag direkt über Los in
den Therapieraum, wenn wir sagen: Jetzt!"

" Wunderbar! Wunderbar!
Endlich wird der Himmel blau,
jetzt ist mir ganz sonderbar,
weil ich niemandem hier trau."

" Jetzt!"

"Therapie, die will sie nicht,
all mein Glück ist Unverstand,
Therapeut der Bösewicht,
stößt mich ins Vergessenland.

" Wärter! Ergreift sie! Die Jacke! Fixieren!"

" Au weia, au weia
will alleine sein,
immer diese Leier,
will doch niemand sein!"
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Man geht auseinander.

Ein Text der mich stumm macht, lieber Otto und traurig. Aber er ist zu gut, um unkommentiert zu bleiben. Er greift mir in die Seele, dreht mir den Magen um.

Zitat

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"Therapie, die will sie nicht,
all mein Glück ist Unverstand,
Therapeut der Bösewicht,
stößt mich ins Vergessenland.

" Wärter! Ergreift sie! Die Jacke! Fixieren!"

" Au weia, au weia
will alleine sein,
immer diese Leier,
will doch niemand sein!"
.......................................................................................................................................................
Man geht auseinander.

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Gerade diese Zeilen haben es so in sich, lieber Otto.
Diese Frau war bestimmt kein Niemand.

Und wenn doch - wie viele Niemande gibt es dort?

Betroffene Grüße,
Bärbel