|
|
zuerst ein wispern in steinzeithöhlen/ gegrunzte flüstertöne
beschreiben das sterben des mammuts/ sternengang
das schöne schöne morgenrot.
nebenbedeutungen vererbter klangfarben tickern an
den blinden bewusstseinsfleck/ sprachfossilien/ verheizt in lyriken
alliterierenden werbeslogans/ verreimten sprechgesängen
sprachtricks/ früher nannte man so was magie.
s ist die ahnung von unendlichkeit in begrenzten räumen
wovon wir zehren.
manchmal ists freilich nur karger tagesertrag/ manchmal
nur graustufenskala.
RE: sonne, mond und sprache
in Diverse 24.10.2009 21:02von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Zitat von Kjub
zuerst ein wispern in steinzeithöhlen/ gegrunzte flüstertöne
beschreiben das sterben des mammuts/ sternengang
das schöne schöne morgenrot.
nebenbedeutungen vererbter klangfarben tickern an
den blinden bewusstseinsfleck/ sprachfossilien/ verheizt in lyriken
alliterierenden werbeslogans/ verreimten sprechgesängen
sprachtricks/ früher nannte man so was magie.
s ist die ahnung von unendlichkeit in begrenzten räumen
wovon wir zehren.
manchmal ists freilich nur karger tagesertrag/ manchmal
nur graustufenskala.
hallo Kjub
wunnebar wie die Sprache hier gleich mit den wichtigsten Gestirnen aufgezählt wird. gefiel mir vom Fleck weg. mhm, für uns Poeten bleibt immer ein Astralkörper präsent: wenn nicht Sonne, nicht Mond, dann Sie, die nicht minder anbetungswürdige, himmlische, Sprache.
Strophe 1 und 2 sollen wahrscheinlich auf den nicht existenten Unterschied zwischen Steinzeithöhlengrunzflüstern und Neuzeitwerbepausengeschwätz hinweisen. ja, mit "aah, schie Schun scheint scho schee" lassen sich doch schon die Grundvokale aller Sprachen locker lyrisch grunzflüstern. die Schrägstriche erinnern an die rudimentärsten Anfänge der Schriftsprache: die Kerben auf dem Lieblingsspeer, welche die erlegten Säbelzahntiger, die erbeuteten Jungfrauen oder ähnliches bedeuteten, beschrieben und somit wohl auch den Eigentümer/Verfasser/Kreator auswiesen. so weit so schön.
ja, die Möglichkeiten jeder Sprache sind unendlich. wir registrieren sie bei jedem Gebrabbel eines neuen Erdenbürgers, beim letzten Stöhnen eines Sterbenden, wir bekommen jedes Mal eine Ahnung davon, wenn wir aufs neue ein kostbares Stück unsterblicher Lyrik konsumieren durften, oder wenn wir "Im Westen nichts Neues" ausgelesen haben, und den Einband schliessen, wenn wir eine weitere erste Seite aufschlagen und uns der erste Satz vom "Moby Dick" in die Augen stürzt. hach, ja, was sind schon Begrenzungen dagegen? was begrenzen zwei Buchdeckel und was begrenzt ein Leserleben? wen kümmerts wenn dazwischen doch euphorische Dimensionen angestoßen wurden, in alle Richtungen, aber vor allem in die Tiefe? mich nicht, wahrlich nicht, so wahr ich hier lese.
aber es darf ja auch herrlich nüchtern enden, mit unser aller begrenzten Fähigkeiten, wenn überhaupt zählbares, dann tagelang nur kargen Ertrag zu schaffen. der Rest bleibt unbefriedigter, über alle Schattierungen enttäuschender, grauer Alltagsbrei.
hat mir gefallen, Kjub.
ich fragte mich nur an einer Stelle ob es sich nicht verdichten ließe:
In Antwort auf:
früher nannte man so was magie.
früher nannte man es magie fände ich schöner.
Gruß
Alcedo
he Alcedo, ich war erst sauer, da steht mein gedichtchen hier rum und niemand scherts, dann schreibst du nen kommentar und gleich klicken dreißig leute mehr. eigentlich sollte man diese klickzähler eh abschaffen, was solln die beweisen.
nja, schön, wie du den titel aufnimmst, ich war ganz froh, den gefunden zu haben... ich murkste ein paar tage mit dem arbeitstitel rum, dann kam mir die idee, ich befürchtete, sie ist zu pathetisch, da bin ich jetzt drüber weg.
In Antwort auf:
aah, schie Schun scheint scho schee"
das ist ja hier wie bei den schtis, grausamste verballhornung, aber wahrscheinlich gibts so was wirklich. ich konnte mich beim lesen nicht entscheiden: ist es gruselig oder amüsant. ich hab dann gelacht, vielleicht aus geistiger notwehr.
großartig auch das mit den schrägstrichen als entsprechung der kerben auf dem speer, mann, wo du deine ideen herholst! ja, die sprache mit ihren unendlichen möglichkeiten, dieses meer von geschichten, in das man tauchen kann, wie es einem beliebt. so gegensätzlich, von barocken endlosromanen bis zu solch beeindruckenden kurzromanen wie "im westen nichts neues". mir läuft noch jetzt nen schauer, wenn ich an den letzten satz des buches denke, dabei hab ich das vor vielleicht fünf jahren gelesen...
ich wollte das nah beieinander stehen haben, die unendlichkeit und das "schuften in schwarz-weiß" wie lines mal sinngemäß schrieb, es sind ja die zwei seiten. manchmal schreib ich stundenlang und das ergebnis ist einfach nur bescheiden, und manchmal, da gibts eben die inspirierten momente. na, was sag ich, das weißte bestimmt schon nen paar tage länger als ich... ich war grade spaziern und hab über deinen vorschlag nachgedacht, sprachlich ists schicker, weil knapper, klar. aber so was beinhaltet für mich auch ne wertung. denn durch die massive nutzung gibts ja viel abrieb, da geht eben auch zauber drauf, und ich hab die romantische vorstellung, dass die sprache in ihren anfangstagen oder sagen wir im mittelalter noch mehr kraft (zauber, magie, einfluss) hatte. da wurde sie eben noch nicht so sehr instrumentalisiert. wir hatten da auch noch keine antikörper gebildet.
vielen dank für dein kommentar, das war ne spannende reise!
grüße
Kjub
Besucher
0 Mitglieder und 203 Gäste sind Online Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655 |
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220
Themen
und
61619
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53). |
Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen |