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demenz
in Düsteres und Trübsinniges 09.10.2009 21:42von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
einst pflanzte mein vater den baum vor dem tor
im frühjahr noch blühte er reich voller laub
das knorrige astwerk gefällt noch bevor
die früchte gegessen die blätter zu staub
du schichtest die scheite zerhackt ohne reue
kaminholz ist nützlich der winter bricht ein
du wärmst mich und hältst mir im alter die treue
in leben und tod wird mir kalt genug sein
ringsum nur vergessen geplünderte wildnis
kein kreis morschen holzes vollendet das jahr
die spiegel von pfützen bewahren kein bildnis
gespaltenen sinnes entfällt mir was war
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 10.10.2009 11:49von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
Hallo mcb,
die erste Strophe kommt mir seltsam unfertig vor, zum einen das uneinheitliche Schriftbild (Groß- Kleinschreibung), dann der unvollendete Satz. Fast, als wolltest du damit die Demenz versinnbildlichen .
Die anderen Strophen fließen besser, zu Hinterfagen bleibt nur die Interpunktion.
Ansonsten gefallen mir die Bilder gut!
LG
Perry
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 10.10.2009 13:39von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Hi Mc berry,
ich kann es nicht ganz greifen, inhaltlich, um des lyr. Ichs, dem Du, dem (vergessenen)entlassenen Wir.
Das macht es schwer und ich lese gern zwischen den Zeilen, aber es kommt mir dezent diffus vor, als ob da was steht das ich sehen kann, ganz nah, welches sich jedoch in Worthülsen verschlüsselt.
Den Code hätte ich zu gern ;-)
Vielleicht machst Du Dir ja doch nochmal die Mühe ein wenig zu schleifen und zu polieren, an den Satzzeichen und der Klein-/Großschreibung?
Zitat von mcberry
__________________________________________
einst pflanzte mein vater den baum vor dem tor - hier gehe ich davon aus, dass mit dem Baum weder das erzählende Ich gemeint ist sondern Bruder oder Schwester
im frühjahr noch blühte er reich voller Laub - (Komma?)
das knorrige astwerk gefällt noch bevor - der doppelte Boden des "gefällt", den hast Du sicher absichtlich angelegt/-sägt, (Komma?)
die Früchte gegessen, die blätter zu staub - hier könnte man eventuell eine Kindsschändung (Bezug Vater) oder einfach den frühen Tod vermuten
du schichtest die scheite zerhackt ohne reue. - wer ist "du" (Vater/Kind/Lebensabschnittsgefährte/Erinnerung/Spiegel-Ei???) bezüglich der Dechiffrierung bin ich an diesem Punkt etwas ratlos
kaminholz ist nützlich der winter bricht ein. - s. Z1
du wärmst mich und hältst mir im alter die treue - s. Z1
in leben und tod wird mir kalt genug sein - hier stört mich ein wenig das "wird", ansonsten ist es eine gelungene Mischung aus Lakonie und Zynismus
ringsum nur vergessen geplünderte wildnis - hier fehlt entweder ein Komma oder ein Bindewort, welches wäre mannigfaltig, je nachdem wohin...
kein kreis morschen holzes vollendet das jahr - Tod flüstert diese Feststellung
die spiegel von pfützen bewahren kein bildnis - das machen die nie - FEIN!
gespaltenen sinnes entfällt mir was war - finde ich eigentlich gelungen, und dennoch empfinde ich den Sprung vom "du" zum "ich" als verwirrend
______________________________________
Hilf mir mal bitte! Ich will die Plausibilität erhaschen................ Vielleicht liege ich ja voll neben der Spur....
Ratlos herzlicher Gruß,
Gb.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 10.10.2009 21:22von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
hallo perry,
merci, die großschreibung soll selbstverständlich weg und für die editierfunktion bin
ich mal wieder dankbar. die verse entstanden aus richtigen sätzen mit anfang, mitte
und ende. dann haben sie sich verselbständigt und sind mir leicht morbide entglitten.
hallo gedichtbandage,
was habe ich da nur angerichtet? die interpunktion soll ganz weg. der inhalt ist nicht
eigentlich schwierig. diesmal entstand kein rein narratives gedicht, d.h. es gibt eine
metaphorische ebene neben der geschichte, die erzählt wird.
der gefällte baum existiert auf der sachebene, wird auch zur metapher: leben des lyri,
dessen geist degeneriert, bevor es ein natürliches ende ereilt. schuldzuweisungen sind
nicht beabsichtigt: das holz kann morsch gewesen sein oder brennstoff unverzichtbar.
das lyri bleibt auf bedürfnisse und erinnerungen fixiert.
in pfützen ein bild zu suchen ist kinderkram. das lyri tut und beklagt etwas sinnloses.
ein seichtes wasser, die pfütze, wird zur metapher für ein dysfunktionales gedächtnis.
orientierungssuche und irritation durch jede veränderung gehören zum zustandsbild.
auch die teilweise erkenntnis in problemen zu stecken.
bitte denke jetzt nicht, daß ich mir vorher eine seite in wikipädia über ein krankheitsbild
anlese. dieser produktion passiert eben und ausgesucht habe ich mir das nicht wirklich.
tut mir leid, euch zu enttäuschen, aber ich gewinne den eindruck, daß auch schelte ihre
befriedigung in sich tragen kann. was seitenlang kritisiert wird, hat vllt doch irgendwas.
danke für euer interesse. viel grüße mcberry
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 10.10.2009 23:52von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Hi mcberry,
solch eine lapidare Erwiderung? Angerichtet hast Du wohl nichts, eigentlich ist es doch ein Kompliment, wenn da einer kommt und mehr herausliest als darin steckt!
Dafür, das Einfache, sind mir die Sprünge vom l.I. zum l.D. sowie zur Allgemeinheit zu verworren... - es ist mir etwas zu konfus zu Kopf gestiegen, durcheinander gewürfelt. ...subjektiv...
...in der S 1 ergäbe sich das Bild der Demenz wenn Du die Verknüpfung eines Bildes des Baums zum Geist realisieren könntest... momentan sehe ich das noch nicht.
... in S 2 wird mit dem Ich/Über-Ich philosophiert, falls ich Dich jetzt richtig interpretiere, doch das funktioniert für ein unbedarftes Birnchen wie mich offensichtlich kaum ohne Bauanleitung, bzw. ohne Baumfällgenehmigung... was ich damit sagen will ist: da springt mir ziemlich verworren vom l.I. plötzlich ein l.D. ins Gesicht, kaum nachvollziehber... Bindung? ... "die Scheite" sollen sicher die Erinnerungsstückchen darstellen, "ohne Reue" soll vielleicht das-Ungewollt-des-es-ist-wie-es-ist zeigen, dann wäre der Wintersatz lediglich eine leere Worthülse, und in z 4 bleibe ich dabei, dass mich das "wird" stört...
S 3, Z 1 geplünderter?
... ansonsten ist diese wohl die plausibelste der Zustandsbeschreibungen... aber eigentlich ist sie in dem verdrehten Zustand viel zu glattgebügelt... nach meinem Empfinden... und wirkt damit etwas deplaziert, als wäre sie ursprünglich überhaupt nicht vorhanden gewesen...
Schade, dass die Interpunktion fällt, wie auch die Großschreibung!
Ein wenig entäuscht bin ich schon ;-) .... wegen der kognitiven Grenzen, welche nicht festzulegen wären...
Gruß,
Gb.
_________________________________________________________
>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 11.10.2009 11:44von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Liebe Gedichtbandage,
nun habe ich dem "lapidaren" Kommentar noch zwei Sätze hinzugefügt und wollte
es damit eigentlich gut sein lassen. Aber ich möchte doch noch mal nachfragen,
ob so eine abgedroschene Symbolik wie ein Baum für das menschliche Leben heute
verkannt werden kann?
Natürlich ist der Baum nicht Metapher für Geist. Die Spiegel der Pfütze als ein
Sinnbild für degenerierte Gehirngrütze sind da schon fraglicher für das spontane
Verständnis des Lesers.
Da ich mich jetzt auf den Weg mache, mehr Metaphorik in meine zukünftige Lyrik
einzubauen, ist deine Rückmeldung für mich bedeutsam. Jetzt bin ich plattgefahren
von Forenkritiken für ein Dichterleben. Trotzdem dankschön! Viele Grüße mcberry
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 11.10.2009 13:42von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Tag, mcberry!
Gut eine Woche lang sehe ich Dein Gedicht und gab keinen Kommentar dazu ab. Grund dafür könnte sein, es immer wieder mit einem Zunicken zu lesen - bis auf den Titel Demenz, der zwar paßt, aber mich fröstelnd berührt -. Wenn mir überhaupt ein Mangel auffält, dann ist es sicher die Kleinschreibung, die ich mit negativer Auswirkung auf das Gedicht betrachte. Mir scheint, dadurch wird ihm der gebührende Rahmen vorenthalten.
Gruß
Joame
RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 11.10.2009 15:27von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Juten Tach, mcberry,
Zitat von mcberry
Liebe Gedichtbandage,
Aber ich möchte doch noch mal nachfragen, ob so eine abgedroschene Symbolik wie ein Baum für das menschliche Leben heute verkannt werden kann?
Warum sollte der Baum nur darauf reduziert werden? Es gibt verschiedene Möglichkeiten Bilder zu malen, unterschiedliche Techniken, es kommt auf die Perspektive an, die der Rezipienten, des Transporteurs... dem Wohin... gerade um des abgegriffenen Bildes und dem zum Trotz?
Zitat von mcberry
Natürlich ist der Baum nicht Metapher für Geist. Die Spiegel der Pfütze als ein
Sinnbild für degenerierte Gehirngrütze sind da schon fraglicher für das spontane
Verständnis des Lesers.
...so natürlich ist das offensichtlich nicht, s.o.
Zitat von mcberry
Da ich mich jetzt auf den Weg mache, mehr Metaphorik in meine zukünftige Lyrik einzubauen, ist deine Rückmeldung für mich bedeutsam.
Ja, mach mal, geh ;-) ..... ich kann solche "Dinger", wenn ich die mag (womit wir bei Deinen, im anderen Kommentar, nachgefügten Sätzen wären), auf der Sinnebene sezieren und hoffe damit zu zeigen, wo bei mir - SUBJEKTIV - die Logikkette auseinanderfällt oder eben welche Gedanken sich der unbedarfte Leser machen könnte... viele Wege und Möglichkeiten... die Relativität...
Zitat von mcberry
Jetzt bin ich plattgefahren von Forenkritiken für ein Dichterleben. Trotzdem dankschön! Viele Grüße mcberry
Na das hoffe ich doch nicht! Nur weil es für mich (noch) nicht funktioniert, muss es nicht bedeuten, dass da ein Urteilsspruch steht.
Jemand anders liest auch aus einem anderen Blickwinkel.
Gruß,
Gb.
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>> Du verdammter Sadist:
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RE: demenz
in Düsteres und Trübsinniges 12.10.2009 20:57von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Da hast du nun wieder einwandfrei Recht, liebe Gedichtbandage,
ich sollte mir wirklich nicht anmaßen, Bäume auf faßbare Symbolik reduzieren
zu wollen und dann noch in ketzerischer Weise die Existenz von Baumgeistern
zu leugnen. Joseph Beuys forderte ( in den Siebzigern, glaube ich), den Baum
wieder als Gottheit zu betrachten. Möglicherweise hatte er da etwas erkannt.
Danke Joame, für deine Sichtweise.
Zuerst hatte ich Großschreibung und Interpunktion, kam aber mit der ersten
Strophe und ihren Enjambements nicht zurecht. - Viele Grüße mcberry
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