Auf meinem Flügel prangt mit weißer Schrift auf spiegelnd schwarzem Lack die Aufschrift STEINWAY & SONS, was ich nur nebenbei wahrnehme, als ich geschafft und noch aufgewühlt den letzten Akkord anschlage. Ich weiß, zu so später Stunde hätte ich es nicht sollen, die Welt, mich und die Zeit vergessend in die Tasten zu greifen.
Es kann sein, daß ich am Morgen belästigt werde, von jenen, die heute Nacht zu faul waren, die Beine aus dem Bett zu schwingen, sich etwas überzuziehen und eine Beschwerde wegen Ruhestörung sofort vorzutragen. Ich hätte das Schellen an der Tür vermutlich gar nicht gehört. Oder hat es nicht doch einige Male geläutet? Wie dem auch sei. So, wie bereits häufig praktiziert, werde ich es machen: Zeit gewinnen. Wenn ich einige Tage nicht erreichbar bin, dann ist meistens die Rage abgeklungen, dann wenn die mächtigen lauten Töne nicht mehr in den Ohren nachklingen.
Oft habe ich mit einem freundlichen Lächeln leichtes Spiel, besonders bei Herrn Ackermann, dessen Vorname Wilfried ist und der, wie mir nicht entging, eine kleine Schwäche für jüngere weibliche Wesen hat. Ich lade ihn mit verheissungsvollem Blick auf ein kurzes Plauderstündchen zur Nachmittagsstunde ein, gewähre ihm ganz zufällig etwas Einblick in mein Schaffen und mein Dekolleté. Seine Phantasie und seine Hoffnungen werden etwas angeregt, wobei ich sicher sein kann, seine negativen Gedanken gegen mich sind restlos eliminiert - eine Anzeige wegen Ruhestörung ist gar nicht mehr zu befürchten.