#1

Steinway & Sons

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 07.08.2009 01:42
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Auf meinem Flügel prangt mit weißer Schrift auf spiegelnd schwarzem Lack die Aufschrift STEINWAY & SONS, was ich nur nebenbei wahrnehme, als ich geschafft und noch aufgewühlt den letzten Akkord anschlage. Ich weiß, zu so später Stunde hätte ich es nicht sollen, die Welt, mich und die Zeit vergessend in die Tasten zu greifen.
Es kann sein, daß ich am Morgen belästigt werde, von jenen, die heute Nacht zu faul waren, die Beine aus dem Bett zu schwingen, sich etwas überzuziehen und eine Beschwerde wegen Ruhestörung sofort vorzutragen. Ich hätte das Schellen an der Tür vermutlich gar nicht gehört. Oder hat es nicht doch einige Male geläutet? Wie dem auch sei. So, wie bereits häufig praktiziert, werde ich es machen: Zeit gewinnen. Wenn ich einige Tage nicht erreichbar bin, dann ist meistens die Rage abgeklungen, dann wenn die mächtigen lauten Töne nicht mehr in den Ohren nachklingen.

Oft habe ich mit einem freundlichen Lächeln leichtes Spiel, besonders bei Herrn Ackermann, dessen Vorname Wilfried ist und der, wie mir nicht entging, eine kleine Schwäche für jüngere weibliche Wesen hat. Ich lade ihn mit verheissungsvollem Blick auf ein kurzes Plauderstündchen zur Nachmittagsstunde ein, gewähre ihm ganz zufällig etwas Einblick in mein Schaffen und mein Dekolleté. Seine Phantasie und seine Hoffnungen werden etwas angeregt, wobei ich sicher sein kann, seine negativen Gedanken gegen mich sind restlos eliminiert - eine Anzeige wegen Ruhestörung ist gar nicht mehr zu befürchten.

zuletzt bearbeitet 07.08.2009 09:15 | nach oben

#2

RE: Steinway & Sons

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 22.08.2009 19:22
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hi Joame,
Steinweg und Söhne haben ebenso wie ein Herr Ackermann, Assoziationen nicht zufällig, den Weg von der Ackerscholle in ein gepflegtes Yuppie Dasein gefunden. Auf den ersten Rutsch liest sich der kleine (Schmacht-) Textfetzen unproblematisch. Danach habe ich plötzlich eine Menge Fragen.
Was macht unser Edelfräulein mit sündteurem Klavierflügel geneigt, nachts per Klaviatur abzurocken?
Was spielt sie wohl für Stücke? Sucht sie (un)bewußt die Aufmerksamkeit dieses Herrn Ackermann? Angeblich nicht, sie möchte die Welt vergessen. Allgemeiner Weltschmerz begründet lustbetonte Verhaltensweisen. Da mich die melodiengewaltige Schöne interessiert, würde ich mich freuen, mal wieder von ihrem nächtlichen oder auch alltäglichen Treiben zu hören. Gruß mcb

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#3

RE: Steinway & Sons

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 28.08.2009 19:44
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Meinen etwas späten Dank, mcberry!

Deine nähere Betrachtung um Hintergründe und Verhaltensweisen weisen Dich als nicht oberflächlichen Menschen aus. Wie gut Du weißt, was Weltschmerz unter anderem auch bewirken kann. Es steht Dir frei, Deinen Gedanken nachzuhängen und ausführlicher dem Fräulein einiges anzudichten. - Hatte ich doch vergessen, sie spielte systemlos abwechselnd Werke von Beethoven und Schumann.

Über ihr alltägliches Treiben zu schreiben, wäre sicher eine reizvolle Aufgabe, geeignet dafür halte ich mich nicht; wen interessiert schon, was sich jenseits der Lichtgeschwindigkeit abspielt?

Danke und Gruß!
Joame

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