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Nachtfahrt
in Düsteres und Trübsinniges 03.05.2009 19:26von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
Auf den Feldern liegen Schneereste,
reflektieren das Scheinwerferlicht
wie erschreckt aufgerissenen Augen.
Das Blut im halbgeöffneten Mund
schmeckt nach süßsaurem Kompott,
erzählen deine angstvollen Blicke.
Lichtkegel bohren sich in den Nebel,
ziehen gleich einem Schimmelgespann
das Auto die gewundene Straße entlang.
Tiefhängende Äste, blinkende Schranken,
verweisende Schilder und Streifen,
alles schien sich verschworen zu haben.
Endlich die Auffahrt zur Ambulanz,
sie heben dich auf die Krankenliege.
Meine Hände umklammern das Lenkrad,
Gedanken irren ab in die Dunkelheit.
gleich zu Beginn: erschreckt aufgerissene, nicht "aufgerissenen". Vielleicht hattet Du da schlicht gedanklich ein "mit" im Sinn.
Unschön liest sich der Übergang von erster Strophe zur zweiten: aufgerissenen, halbgeöffneten. Da würde ich Ersatz suchen, den Satz etwas umstellen, so dass Du auch nicht auf eine Konstellation wie "halb offenen" ausweichen musst, die wiederum das "enen" wiederholen würde. Frage ist überdies: Was ist denn ein halboffener Mund? Also was ist dieses Zwischenstadium zwischen offen und geschlossen im Genauen? Hier könntest Du andenken, expliziter zu beschreiben.
Die Wiederholung "erschreckt aufgerissene Augen" und "deine angstvollen Blicke" scheint mir etwas dick aufgetragen.
Mit dem "süßsauren Kompott" komme ich nicht zurecht. Geschmäcker mögen ja verschieden sein, aber Blut schmeckt sehr herausstechend nach Eisen, rostig. Dieser Geschmack überlagert nahezu alles, weshalb ich das süßsaure nicht nachvollziehen mag. Mitunter wolltest Du aber eben genau weg vom Üblichen.
Das Bild der Lichtkegel ist gelungen, auch wenn natürlich nicht das Licht zieht - aber es führt. Gefällt mir sehr.
An der Stelle: "Schimmelgespann / die gewundene Straße entlang" wird der Text plötzlich sehr rigide melodisch, was selbstredend zum Kurvenverlauf passt, aber doch etwas aus dem restlichen Textgefüge ausbricht. Der unreine Reim gibt sein Übriges dazu.
Ferner hast Du hier erneut den "Dopplereffekt" über "ge/ge". Den muss man nicht per se monieren, da man damit durchaus auch eine immanente Szenerie (->Frequenz; Martinshorn) einbinden könnte, hier glaube ich aber nicht, dass Du das phonetisch so angedacht haben kannst (der Fahrer bewegt sich ja mit und die Ambulanz meint hier ja Notaufnahme).
Das Ende ist sehr forciert, aber okay. Lediglich den letzten Satz würde ich andenken, zu streichen. Der nimmt dem Abgang mehr, als er ihm zu geben imstande ist.
Soweit in Kürze.
Bestens
Auster
RE: Nachtfahrt
in Düsteres und Trübsinniges 05.05.2009 10:17von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo perry,
zunächstmal klingen die Metaphern und Vergleiche in meinen Ohren etwas bemüht. Der beleuchtete Schnee will für mich beim Lesen nicht zu den erschreckten Augen werden, und wie kann das lyrische Ich jetzt an weiße Schimmel denken?
Die Schimmelstrophe hat das ganze Gedicht für mich etwas auseinander, denn alle anderen Strophen sind aus der Ich-Perspektive geschildert, die Schimmelstrophe zeigt eine Außensicht auf das ganze. Die würde ich auch aus dem Grund einfach weglassen.
Da fährt also das Ich in der Nacht mit seinem Auto ein Du mit Blut im Mund in die Notaufnahme. Das Ich soll wohl unter Schock stehen. Vielleicht hat er das Du angefahren. Vielleicht auch nur gefunden. Vielleicht vor einem Wüstling gerettet. Vielleicht ist das Du ein Hund, ein Reh, ein Igel oder ein Mensch. Man weiß es einfach nicht.
Strophe 4 soll vielleicht einen Hinweis darauf geben was passiert ist. Irgendein Unfall, der mit Schranken und tief hängenden Ästen zu tun hat. Irgendwie sagt mir das alles nichts. Zumal zum Schluss nicht nur die Gedanken in die Dunkelheit entfleuchen, sondern auch die Frage nach der Aussage des ganzen Textes.
Wahrscheinlich bin ich da etwas zu kritisch, weil der Aufbau der Atmosphäre, mit dem dieses Gedicht steht und fällt, bei mir einfach nicht funktioniert. Oder ich habe da was übersehen. Würde mich auch nicht wundern.
Soweit von mir.
Viele Grüße,
GerateWohl
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sorry, dass das nun nach Metakritik ausschaut (das soll kein Korinthenkackermodus sein, mehr ist es als tatsächliche Frage gedacht - vielleicht bin ich ja schlicht vulgo blöde), aber wo genau ist der Perspektivenwechsel / die Außensicht in der "Schimmelstrophe"?
Das Subjekt ist hier nachwievor nicht direkt genannt (das passiert im letztlichen Gewahrwerden innerhalb des letzten Satzes), die Sicht aber, die es übt, ist eine wie gehabt von ihm ausgehende, denn es "folgt" den Scheinwerfern wie in einem Zug, die Blickrichtung geht vom Subjekt nach vorne. Diese Passage ist nur Anzeige der automatisierten Handlung und "Gespann" und "ziehen" stellen für mich mehr anheim, das der Blick vom Ich ausgeht, wofür auch das "bohren" der Kegel spräche.
Bestens
Auster
RE: Nachtfahrt
in Düsteres und Trübsinniges 05.05.2009 22:20von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Paul,
zu Deiner Frage. Lichtkegel nimmt man nach meinem Verständnis nur als solche von einer Außensicht wahr. Wenn Du hinter der Lichtquelle sitzt, wie in einem Auto, dann nimmst Du den Lichtstrahl nicht als Kegel wahr. Das ist jetzt vielleicht nur meine Interpretation, das kann schon sein. Aber auch sonst gefällt mir die Assoziation mit den Schimmeln in dem Moment der Bedrohung nicht. Die Fokussierung liegt doch in dem Moment ganz klar auf der Verletzung des Du, der Bedrohung des Lebens und dem Erreichen der Ambulanz und nicht der Frage, ob die Beleuchtung des Nebels jetzt wie reitende Schimmel aussieht. Ich finde überhaupt die Suche nach Vergleichen jeglicher Art in dem Zusammenhang unpassend und der beschriebenen situation nicht angemessen. Deshalb funktioniert der Text für mich nicht.
Wie ist Deine Sicht dazu?
Viele Grüße,
GerateWohl
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in der Nacht, bei Nebel usw. sieht man die Kegel von innen, so man Fahrer ist (auf die Schnelle fällt mir da ein radiohead-Video ein, bei dem man das gut sieht). Sicher aber gibt es das Bild von außen ebenso und oft, stimmt, hier jedoch ist das nicht schlüssig, meine ich, weil eben von 'gezogen werden' zu lesen ist.
Dass Dir das Bild mit dieser Sicht missfällt, kann ich sehr gut nachvollziehen. Dennoch aber ist der Schimmel ist ein gutes Bild für mich, weil a) der Kontrast stimmt (wieder augeriffen wird) und b) weil eben der Schimmel irisch-keltisch bemessen ein Symbol für den Tod ist.
Das schien/scheint mir stimmig. Aber wie gesagt, ich verstehe Deine Sicht gut. Mitunter könnte man Perry vorschlagen, die Schimmel etwas düsterer anzureißen - über ein Adjektiv o.ä., denn mitunter wirkt der Schimmelzug "feierlicher", als er soll.
Mit den anderen Vergleichen muss ich Dir sicher rechtgeben. Bemüht ist da das rechte Wort, etwas übersteuert und forciert, ja.
Bestens
Auster
RE: Nachtfahrt
in Düsteres und Trübsinniges 06.05.2009 18:04von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte
schön, dass ihr euch bereits so ausgiebig mit meinen Zeilen auseinandergesetzt habt. Leider hat die Kommbenachrichtigung mal wieder nicht funktioniert, so dass ich erst jetzt dazu stoße.
Was die Ursache für die Fahrt ins Krankenhaus anbelangt, bleibt der Text absichtlich unscharf. Er spielt allerdings mit dem Schimmelgespann ein wenig auf die düstere Stimmung des Schimmelreiters an. Es kann ein Unfall gewesen sein, vielleicht sogar vom LI verursacht, aber sicher kein Tier, denn dieses würde wohl kam in die Ambulanz gebracht werden. Meines Wissens sind die Lichtkegel in der Dunkelheit durchaus von der Fahrerposition aus erkennbar. Was das "gezogen werden" durch die Schimmel anbelangt, so steht dieses Bild für die Schocksituation des LI, das die Fahrt durch die Nacht, als unwirklich empfindet. Der Geschmack des Blutes im halb/leicht geöffneten Mund des LD, wird vom LI anhand des Blickes als süßsauer interpretiert.
Was die Lautwiederholungen bzw. den ungewollten Reim anbelangt, sind diese eher zufällig und könnten eventuell vermieden werden. Das Schlussbild mit den abschweifenden Gedanken ist mir sehr wichtig, weil es den Zustand des langsam wieder "zusichkommens" andeuten soll.
Danke für euere Hinweise und Einschätzungen, die ich gerne abwägen werde.
LG
Perry
Bei einem anderen User funktionierte die Mailbenachrichtigung auch nicht, bis er in einem Antwortfenster mal das Häkchen in dem Kästchen "Bei Antworten informieren" gesetzt hatte. Das schien der Auslöser für seine jetzigen Benachrichtigungen gewesen zu sein. Also nicht nur das Thema unter den Beiträgen abonnieren, sondern mal ein Häkchen im Antwortfenster setzen.
Grüße, Maya
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