#1

Keine Grenzen

in Düsteres und Trübsinniges 14.01.2005 14:15
von Feaníl (gelöscht)
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Keine Grenzen, Wortes Sinn
Ach, wo führt das alles hin
Wortverwandte Seelenschlächter
Gottverdammte Zeichenknechter
Tränen übers glatte Kinn

Niemand da, doch ich
Entsinne mich
Einmal, ganz vor langer Zeit
Ungetrübte Heiterkeit
Mühen nahm ein jeder auf
sich weit, fern, halb
zu verstehen
Warum wir all im Kreis uns drehen

Gesagt, getan, verbraucht, gelogen
Haare aus dem Kopf gezogen

Sinn ins graue Hirn gebogen

Trinke Blut mit Gottes Brot
Gönne mir den letzten Tod

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#2

Keine Grenzen

in Düsteres und Trübsinniges 15.01.2005 23:08
von MrsMerian (gelöscht)
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Hallo Limmerick.

Dann will ich mich mal Dienem Gedicht annehmen... wahrlich keine leichte Aufgabe wie ich finde, da meine Assoziationen in allzu weit vertreute Richtungen gehen. Vielleicht wird sich das beim nächsten Lesen ändern und ein weinig konkretisieren.

Keine Grenzen, Wortes Sinn
Ach, wo führt das alles hin
Wortverwandte Seelenschlächter
Gottverdammte Zeichenknechter
Tränen übers glatte Kinn

zunächst hast Du hier einen metrisch einwandfreien Fünfzeiler, Reimschema a a b b a.

Anschließend löst sich die Form zunehmend auf.

Nun, Dein lyr. ich erinnert sich traurig (Tränen) alter Zeiten (ganz vor langer Zeit).
Er denkt über einen Zyklus nach, also eine Situation, die immer wieder zu kommen scheint (im Kreise drehen).
Es wurde gegrübelt/ sich geärgert (haare aus dem Kopf gezogen - "es ist zum Haare raufen") und eine Erklärung für Geschehnisse gesucht (Sinn ins graue Hirn gebogen.)

Abendmahl, Religion (Blut, Brot... die Kombi muss noch mehr bedeuten..., denn Du spielst hier zwei Ebenen an, einmal die symbolische des Weines, einmal die Realität.) Todessehnsucht? (Gönne mir den letzten Tod.) oder wird er aus der Kirche austreten? Jedenfalls will er zum letzten Mal das Abendmahl zelebrieren.

Ich hab keinen wirklichen Plan... vielleicht spielst Du auf die Kreuzigung Jesu hin und darauf, dass die Menschheit Gottes Sohn geopfert hat, der für ihre Sünden einstand, aber nun doch nicht frei von Sünden sind, sondern einen Kontostand von 2000 Jahren und weit und breit kein Jesus der sich ans Kreuz nageln lässt? Wieviele Kinder hat Gott eigentlich... vielleicht schickt er nochmal eins.
Kommt aber vorher nicht die Sintflut?

Nun... diese Form, die sich auflöst... keine Ahnung wieso Du das machst.

Schön finde ich eigentlich Zeile 3 und 4 der ersten Strophe, allerdings kommen diese so gnadenlos hintereinander, dass es einen geradezu erschlägt.

"Niemand da, doch ich
Entsinne mich
Einmal, ganz vor langer Zeit " das finde ich auch schön gemacht. allerdings lese ich jedesmal "einmal, vor ganz langer zeit" wenn es auch nicht da steht. sorry. (hab es auch erst nach dem dritten mal bemerkt *schäm*)
und besonders schön finde ich den Sinn, den man ins graue Hirn biegt.

LG,
Mrs.



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#3

Keine Grenzen

in Düsteres und Trübsinniges 16.01.2005 00:24
von Feaníl (gelöscht)
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Hallo Mrs,

und vielen dank für die ausführliche kritik. wenn dir mein lyrisches ich, nennen wir ihn (!) heinz, bedürftig erscheint ist er in deinem drängenden fahrwasser bestens aufgehoben scheint mir

das mit der vieldeutigkeit ist so eine sache hier.
ich wollte (noch recht bewusst) auf möglichst viel anspielen, wenn das zu gut gelungen ist versuche ich jetzt mal einzulenken. (kurzweiligkeit kommt dann schon mal nicht auf )
die anfangs unverwüstliche metrik, die sich dann auflöst, ist mir noch nicht zu sehr aufgefallen. aber jetzt wo du's sagst...
man könnte es nachträglich mit der suche und erfolglosigkeit vom heinz zu erklären versuchen, aber dann würde ich mir selbst sand in die augen streuen. das war nicht geplant. ich werde mir den mittelteil aber noch einmal vornehmen, genaue ideen kann ich dir noch nicht verraten, wenn du welche hast: ich bin ganz ohr, der heinz auch.
kurz mal was generelles: ich kann das gedicht selbst nicht sonderlich gut einordnen. es sitzt hier beim düsteren und das auch nur durch den (selbst-)mord am ende. vielleicht wäre es bei den grübeleien auch gerne zuhause.
die erste strophe enthält noch mehr hinweise, bei denen sich eine verfolgung lohnt, denke ich.

Keine Grenzen, Wortes Sinn
Ach, wo führt das alles hin
Wortverwandte Seelenschlächter
Gottverdammte Zeichenknechter
Tränen übers glatte Kinn

die ersten beiden verse sind ein genereller rund-um-schlag der in 3+4 weiter konkretisiert wird (werden soll).
der heinz ist verzweifelt und schaut sich mal so um was alles bereits gedacht wurde auf der welt. dabei spielt die kraft des (geschriebenen) wortes eine große rolle.
er prangert an, und nicht zu knapp, wer ihn da so stört: die zeichenknechter und seelenschlächter. beide bedienen sich des selben brunnens, dem der unergründlichen worte. nebenrollen erhalten die (satz-)zeichen und metzgerlehrlinge. unser heinz ist noch ein unschuldiger bub, worauf das glatte kinn verweisen soll.

ob nun insgesamt eine kreuzigung vollzogen wurde, oder ob's doch die informationsgesellschaft war die heinz das leben kostete, will ich nicht offenbaren. das soll jeder mit seinem lyrischen verständnis erkennen.
wie gesagt, ich will mich nicht auf m/eine deutung versteifen, wäre ja schade wenn das alle müssten/wüssten , nich

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