|
|
Trauerweidenallee
-2. Version-
Leblos liegt am Straßenrand
Ein schrotdurchsiebter Adlerleib,
Die Büchse hält voll Eitelkeit
Mutter grinsend in der Hand.
Eifrig nagt der Rattenzahn
Ein gähnend hohles Madenloch,
Das tote Auge blinzelt noch
Vorwurfsvoll im Zukunftswahn.
Freudig kreischt das Rabenpack
Sie laden dich zum Hauptgericht
Und stürzen sich auf dein Gesicht:
Schnabeltief zum Tränensack.
Blutig ist das warme Nest
Die Trauerweiden ausgefranst
Es gluckert noch der Kuckuckswanst:
Flügelloses Traumgeäst.
© Benjamin Stadler
-2. Version-
Leblos liegt am Straßenrand
Ein schrotdurchsiebter Adlerleib,
Die Büchse hält voll Eitelkeit
Mutter grinsend in der Hand.
Eifrig nagt der Rattenzahn
Ein gähnend hohles Madenloch,
Das tote Auge blinzelt noch
Vorwurfsvoll im Zukunftswahn.
Freudig kreischt das Rabenpack
Sie laden dich zum Hauptgericht
Und stürzen sich auf dein Gesicht:
Schnabeltief zum Tränensack.
Blutig ist das warme Nest
Die Trauerweiden ausgefranst
Es gluckert noch der Kuckuckswanst:
Flügelloses Traumgeäst.
© Benjamin Stadler
#2
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 16.08.2005 11:09von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Benne,
Deine Zeilen irritieren mich etwas, denn Dein Gedicht scheint doch mehr als eine kleine erquickliche Jägergeschichte sein .
Es fällt mir allerdings schwer, dem Inhalt auf die Spur zu kommen. Es ist ein toddurchtränktes Gedicht, in dem sich vorrangig um Vergänglichkeit dreht. Wer ist hier Mutter? Und warum holt die gute Frau einen Adler vom Himmel? Seltsam... in dieselbe Kerbe schlägt auch der Kucksuckswanst, bei dem ich sofort den kuckuckseigenen Brutparasitismus assoziiere.
Hat da die Protaginistin dieses Gedichtes vielleicht dem Vater ein Kind zunächst untergeschoben und dann, als sie ihn nicht mehr brauchte, einfach abgeschoben? Dies würde durchaus Sinn machen.
Mich stört jedoch das Bild der Mutter mit Gewehr, denn entweder befinden wir uns im Adlerbild - und eine Adlerlady hat mit derlei nichts zu schaffen. Oder im Menschenbild, aber warum sollte ein Mensch einen Adler erschießen (bzw überhaupt eine Beziehung mit ihm haben)? Möchte sagen, dass Du hier eine Vermischung zweier Ebenen vornimmst, die aber nicht recht zusammenpassen in meinen Augen. Allerdings ist obiges auch eher die Idee einer Deutung denn eine schlüssige Interpretation. Womöglich habe ich es einfach nicht richtig verstanden...
Die morbiden Momente Deiner Zeilen sagen mir übrigens zu, hübsch formuliert.
edit: Gerade habe ich an anderer Stelle ebenfalls dieses Gedicht gesehen mit "1. Version" untertitelt. Allerdings fand ich nach genauem Lesen keinen Unterschied - bis auf den Untertitel natürlich ! Hä?
Deine Zeilen irritieren mich etwas, denn Dein Gedicht scheint doch mehr als eine kleine erquickliche Jägergeschichte sein .
Es fällt mir allerdings schwer, dem Inhalt auf die Spur zu kommen. Es ist ein toddurchtränktes Gedicht, in dem sich vorrangig um Vergänglichkeit dreht. Wer ist hier Mutter? Und warum holt die gute Frau einen Adler vom Himmel? Seltsam... in dieselbe Kerbe schlägt auch der Kucksuckswanst, bei dem ich sofort den kuckuckseigenen Brutparasitismus assoziiere.
Hat da die Protaginistin dieses Gedichtes vielleicht dem Vater ein Kind zunächst untergeschoben und dann, als sie ihn nicht mehr brauchte, einfach abgeschoben? Dies würde durchaus Sinn machen.
Mich stört jedoch das Bild der Mutter mit Gewehr, denn entweder befinden wir uns im Adlerbild - und eine Adlerlady hat mit derlei nichts zu schaffen. Oder im Menschenbild, aber warum sollte ein Mensch einen Adler erschießen (bzw überhaupt eine Beziehung mit ihm haben)? Möchte sagen, dass Du hier eine Vermischung zweier Ebenen vornimmst, die aber nicht recht zusammenpassen in meinen Augen. Allerdings ist obiges auch eher die Idee einer Deutung denn eine schlüssige Interpretation. Womöglich habe ich es einfach nicht richtig verstanden...
Die morbiden Momente Deiner Zeilen sagen mir übrigens zu, hübsch formuliert.
edit: Gerade habe ich an anderer Stelle ebenfalls dieses Gedicht gesehen mit "1. Version" untertitelt. Allerdings fand ich nach genauem Lesen keinen Unterschied - bis auf den Untertitel natürlich ! Hä?
Hallo Don, es ist schön mal wieder zu tümpeln!
Joa, da ist mir einfach ein Fehler unterlaufen, hier oben ist die zweite Version, bei der ersten Version hatte ich zwei Rechtschreibteufelchen in S4V2 und S4V4. Also hab ich zwar die Fehler korrigiert, jedoch nicht die Versionsnummer - peinlich Augenzwinkern
Ich wage es nicht - noch nicht - eine komplette strophenorientierte Interpretation im Sinne des Autors hier zu veröffentlichen, aber ich gebe gerne einen Kommentar zu dem vermeintlich deplaziert wirkenden Mutterbildnis:
"Die grinsende Mutter", ich wusste, dass es diese Zeile sein wird, die komplett aus dem Rahmen fällt. Erstens weil in allen Szenerien von Tieren mit Flügeln (= Freiheit) und scharfen Zähnen (= Aggressivität) gesprochen wird. Die Mutter wird als Positiv gesehen, auch in der Lyrik - doch hier eben ganz und gar nicht. Die Mutter tötet mit der Flinte den Adler und entreißt dem Lyrischen Ich/Lyrischen Du (kann man sehen wie man will) seinen Glauben an individuelle Freiheit (Adler = Sinnbild für Freiheit). Nicht immer sind die Eltern gut zu ihren Kindern und nicht immer, ist das wohlbehütete Nest (siehe Strophe 4), das was die Nachkommen wollen. Es soll auch bei den Kindern auch Nestflüchter geben sobald sie an der Schwelle zum Erwachsensein sind... und es gibt eben auch Eltern, die ihren Kindern diese Freiheit verwähren oder ganz und gar zerstören. Darauf sticht die erste Strophe hin - und deswegen stört die Mutter in S1V4 auch. Und das ist gut so Augenzwinkern
Liebe Grüße,
Benne|Aenima
Joa, da ist mir einfach ein Fehler unterlaufen, hier oben ist die zweite Version, bei der ersten Version hatte ich zwei Rechtschreibteufelchen in S4V2 und S4V4. Also hab ich zwar die Fehler korrigiert, jedoch nicht die Versionsnummer - peinlich Augenzwinkern
Ich wage es nicht - noch nicht - eine komplette strophenorientierte Interpretation im Sinne des Autors hier zu veröffentlichen, aber ich gebe gerne einen Kommentar zu dem vermeintlich deplaziert wirkenden Mutterbildnis:
"Die grinsende Mutter", ich wusste, dass es diese Zeile sein wird, die komplett aus dem Rahmen fällt. Erstens weil in allen Szenerien von Tieren mit Flügeln (= Freiheit) und scharfen Zähnen (= Aggressivität) gesprochen wird. Die Mutter wird als Positiv gesehen, auch in der Lyrik - doch hier eben ganz und gar nicht. Die Mutter tötet mit der Flinte den Adler und entreißt dem Lyrischen Ich/Lyrischen Du (kann man sehen wie man will) seinen Glauben an individuelle Freiheit (Adler = Sinnbild für Freiheit). Nicht immer sind die Eltern gut zu ihren Kindern und nicht immer, ist das wohlbehütete Nest (siehe Strophe 4), das was die Nachkommen wollen. Es soll auch bei den Kindern auch Nestflüchter geben sobald sie an der Schwelle zum Erwachsensein sind... und es gibt eben auch Eltern, die ihren Kindern diese Freiheit verwähren oder ganz und gar zerstören. Darauf sticht die erste Strophe hin - und deswegen stört die Mutter in S1V4 auch. Und das ist gut so Augenzwinkern
Liebe Grüße,
Benne|Aenima
#4
von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 23.08.2005 22:17von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hallo Arno
"gluckern" ist das blubbernde, gurrende Geräusch des Magens, wenn er übervoll ist (durch den Nahrungsbrei extrem gedehnt), also unmittelbar an der Grenze zum Erbrechen.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Stöbern!
Benne|Aenima
"gluckern" ist das blubbernde, gurrende Geräusch des Magens, wenn er übervoll ist (durch den Nahrungsbrei extrem gedehnt), also unmittelbar an der Grenze zum Erbrechen.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Stöbern!
Benne|Aenima
#6
von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 24.08.2005 14:21von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
#7
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 24.08.2005 14:27von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Gluckern ist glaub ich generell ds Geräusch von blubbernder Flüssigkeit. Das Geräusch vom Rest des Wassers, wenn es durch den Abfluss der Wanne abläuft ist auch Gluckern. Wenn Asterix seinen Zaubertrank trinkt steht übrigens in der Sprechblase auch meist lautmalerisch "Gluck, Gluck, Gluck, Gluck". Somit beschreibt Gluckern auch das Geräusch, das in einer Flasche entsteht, wenn die beim Ausschütten nachdringende Luft in der Flasche Wellen schlägt.
Grüße
GerateWohl
Grüße
GerateWohl
#9
von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 08.09.2005 20:08von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
#10
von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Trauerweidenallee
in Düsteres und Trübsinniges 12.09.2005 14:30von Arno Boldt • | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Hallo Aenima.
Sorry für die Verspätung, aber jetzt ist es endlich soweit..
str1: Es wird von einem Adler gesprochen, der am Straßenrand tot herumliegt. Der Grund hierfür wird mithilfe der "Mutter", die eine Schrotflinte in der Hand hält, suggeriert. Dass sie die "Büchse" mit Eitelkeit hält, passt ganz gut zu dem Fakt, dass sie grinst. Eitelkeit heißt meist, dass man auch im Mittelpunkt stehen möchte - ein Grinsen ist ein offensichtlicher, vielleicht auch überlegender, gar gehässiger oder zumindest sich wohl fühlender Ausdruck im Gesicht. Das Grinsen zeigt eine gewisse Absicht oder auch Vergnügen in der Tat. (Wobei man ja immer betonen muss, dass es nicht geschildert wird, dass die Mutter den Adler getötet hat.) Die Straße kann hier die Bedeutung der "Straße des Lebens" haben - der Rand derselben meint vielleicht, dass der Adler nicht mehr reise- oder lebensfähig ist. Unterstrichen wird dies durch das "leblos" in der ersten Zeile. Bleibt noch die Frage, was für eine "Mutter" hier am Wirken ist? Ist es die Mutter des Adlers? Wenn man davon ausgeht, dass man mit der Schrotflinte am effektivsten auf 15m trifft - der Adler also recht nah an der Mutter sein muss, dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass es sich um seine handelt. Dies ist allerdings nur eine Vermutung und kann anhand des Textes nicht bewiesen werden.
str2: Dies ist wohl die Strophe, mit der ich am wenigsten anfangen kann. Das mag vielleicht daran liegen, weil ich hier kaum - für die Handlung - wichtige Informationen herausziehen kann. Aus dem Text geht hervor, dass nunmehr Ratten sich über (vermutlich oder besser: höchstwahrscheinlich) den Adler hermachen und ihn annagen. Die Szenerie wird durch die Zeile 2 emotional hervorgehoben, um dem Leser eine gewisse Abscheu oder Ekel zu entlocken. Das Oxymoron in Zeile 3 bereitet dann eine erste Beschreibung des Adlers vor: er blinzelt "vorwurfsvoll im Zukunftswahn". Es ist eine Vermenschlichung des Tierischen und gibt ihm damit eher die Chance, als wirkliches, als vielleicht auch menschliches Opfer empfunden zu werden. Doch was bedeutet "Zukunftswahn"? Heißt dies, dass vor seinem geistigen Auge noch alle Gedanken herumschwirren, die er für seine Zukunft hatte? Lassen ihn diese Gedanken das Auge noch einmal kurz öffnen, um seinen Groll loszuwerden? Es scheint fast so. Doch wen blinzelt er an? Ist es die Mutter oder sind es die Ratten? Auch das bleibt hier in der Schwebe, da es nicht vom Text beantwortet wird. (Kurze Anmerkung noch: das Wort "Zukunftswahn" finde ich persönlich unästhetisch. - ganz davon abgesehen, in welchem Kontext es steht.)
(Btw: Habe gerade eine kleine Unstimmigkeit gefunden: Raben sind Aasfresser. Wenn das Auge noch blinzelt, dann ist der Adler noch kein Aas. Das aber nur, wenn man den Text so nimmt, wie er dort steht. )
str3: Eine neue Strophe und wieder ein neues Ereignis. Diesmal sind es Raben, die sich voller (Vor-)Freude auf den Adler stürzen, und ihm das "Gesicht" (->Vermenschlichung) zerhacken. Es ist nicht ersichtlich, wessen Gesicht nun angegriffen wird, da auf einmal ein lyr. Du angesprochen wird. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wer das lyr. Ich ist - wer also das lyr. Du anspricht. Ich gehe mal von der Vermutung aus - und das ist auch recht wahrscheinlich - dass das lyr. Du das Opfer ist, welches der Leser schon in den ersten beiden Strophen kennen gelernt hat - der Adler. In dieser Strophe schwingt auch ein gewisser "Humor" mit, wenn es in Zeile 2 heißt, dass man das Du geladen hat. Kurz darauf wird dieses aber wieder durch das "stürzen sich auf dein Gesicht" und "schnabeltief zum Tränensack" negiert. Die Situation wird - wie gewohnt - brachial dargestellt. Allein, diese Strophe überzeugt mich aus obigen Gründen nicht. Nur die letzte Zeile gibt einen guten Gedanken, nämlich den, dass die Raben dem Adler die Möglichkeit des Weinens nehmen.
str4: In der vierten Strophe versucht der Text seinen eigenen Abschluss zu finden. Mit Zeile 1 + 2 wird dies auch gut dargestellt. Das blutige warme Nest ist für mich Zeichen der verlorenen Heimat. Der Adler (oder besser: dessen Überreste) liegt in einem fremden Nest. Dies kann ich nur aus Strophe 3 herleiten, wenn die Raben ihn mitgenommen haben, um sich oder eingentlich viel mehr ihre Zöglinge zu füttern - wenn das denn auch von den Vögelkennern so abgenickt werden kann. Doch es scheint so, als ob die Raben nur Kuckuckseier im Nest haben, weshalb der "Kuckuckswanst" zufrieden gluckert. Am Ende dreht sich der Text also noch mal ein wenig und birgt so eine kleine Überraschung. Die Trauerweiden werden zum ersten und einzigen Male in der vierten Strophe eingebracht. Das Bild einer Trauerweide ist ja mit Sicherheit allen bestens bekannt und vor Augen, weshalb auch klar sein dürfte, dass das "ausgefranst"-sein eine Steigerung des Bildes ist. Die letzte Zeile kann ich nicht einordnen. Nach "Kuckucksnest" ist ein Doppelpunkt vorhanden, so dass sich die vierte auf die dritte mit Sicherheit bezieht. Jedoch fehlt mir hier wirklich der Funke, der mir diese Metapher des "flügellosen Traumgeästes" verdeutlicht. Auch finde ich es problematisch, zuerst in das Nest zu zoomen, um dann die Umgebung zu betrachten, und um dann wiederum in das Nest zu gehen.
als Anhängsel und auch nur der Vollständigkeit wegen, das metrische Schema:
durchgängig
XxXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXxX
XxXxXxX
Der umschließende Reim kann als Einverleiben des Adlers (in den Prozess des Lebens: --> Ratten, Raben, Kuckuckszöglinge) gelesen werden.
FAZIT: Für mich herrschen hier Metaphern vor, die nicht wirklich in den Text eingebunden sind (z.b. "Mutter"). Das hat zur Folge, dass man es sehr schwer hat, dem Gedicht erstens eine Gesamtinterpretation zu geben und zweitens, dass mitunter einzelne Metaphern wie lose mitschwimmen - es metaphorisch überladen ist. Letzteres habe ich v.a. in der vierten Strophe ("flügelloses Traumgeäst") gemerkt. Die einzelnen Strophen sind meines Erachtens nur Stationen, Stationen aber, die in einer Trauerweidenallee stattfinden. Wenn man es so lies, dann kann dies gerechtfertigt sein, mir persönlich jedoch fehlt hier den größere Sinnzusammenhang zwischen den Strophen. Aber das ist nur meiner Vorliebe für solcher Art Texte zu schulden - also mein Problem.
Soweit, erst einmal.
Beste Grüße.
AB
Sorry für die Verspätung, aber jetzt ist es endlich soweit..
str1: Es wird von einem Adler gesprochen, der am Straßenrand tot herumliegt. Der Grund hierfür wird mithilfe der "Mutter", die eine Schrotflinte in der Hand hält, suggeriert. Dass sie die "Büchse" mit Eitelkeit hält, passt ganz gut zu dem Fakt, dass sie grinst. Eitelkeit heißt meist, dass man auch im Mittelpunkt stehen möchte - ein Grinsen ist ein offensichtlicher, vielleicht auch überlegender, gar gehässiger oder zumindest sich wohl fühlender Ausdruck im Gesicht. Das Grinsen zeigt eine gewisse Absicht oder auch Vergnügen in der Tat. (Wobei man ja immer betonen muss, dass es nicht geschildert wird, dass die Mutter den Adler getötet hat.) Die Straße kann hier die Bedeutung der "Straße des Lebens" haben - der Rand derselben meint vielleicht, dass der Adler nicht mehr reise- oder lebensfähig ist. Unterstrichen wird dies durch das "leblos" in der ersten Zeile. Bleibt noch die Frage, was für eine "Mutter" hier am Wirken ist? Ist es die Mutter des Adlers? Wenn man davon ausgeht, dass man mit der Schrotflinte am effektivsten auf 15m trifft - der Adler also recht nah an der Mutter sein muss, dann könnte man auf den Gedanken kommen, dass es sich um seine handelt. Dies ist allerdings nur eine Vermutung und kann anhand des Textes nicht bewiesen werden.
str2: Dies ist wohl die Strophe, mit der ich am wenigsten anfangen kann. Das mag vielleicht daran liegen, weil ich hier kaum - für die Handlung - wichtige Informationen herausziehen kann. Aus dem Text geht hervor, dass nunmehr Ratten sich über (vermutlich oder besser: höchstwahrscheinlich) den Adler hermachen und ihn annagen. Die Szenerie wird durch die Zeile 2 emotional hervorgehoben, um dem Leser eine gewisse Abscheu oder Ekel zu entlocken. Das Oxymoron in Zeile 3 bereitet dann eine erste Beschreibung des Adlers vor: er blinzelt "vorwurfsvoll im Zukunftswahn". Es ist eine Vermenschlichung des Tierischen und gibt ihm damit eher die Chance, als wirkliches, als vielleicht auch menschliches Opfer empfunden zu werden. Doch was bedeutet "Zukunftswahn"? Heißt dies, dass vor seinem geistigen Auge noch alle Gedanken herumschwirren, die er für seine Zukunft hatte? Lassen ihn diese Gedanken das Auge noch einmal kurz öffnen, um seinen Groll loszuwerden? Es scheint fast so. Doch wen blinzelt er an? Ist es die Mutter oder sind es die Ratten? Auch das bleibt hier in der Schwebe, da es nicht vom Text beantwortet wird. (Kurze Anmerkung noch: das Wort "Zukunftswahn" finde ich persönlich unästhetisch. - ganz davon abgesehen, in welchem Kontext es steht.)
(Btw: Habe gerade eine kleine Unstimmigkeit gefunden: Raben sind Aasfresser. Wenn das Auge noch blinzelt, dann ist der Adler noch kein Aas. Das aber nur, wenn man den Text so nimmt, wie er dort steht. )
str3: Eine neue Strophe und wieder ein neues Ereignis. Diesmal sind es Raben, die sich voller (Vor-)Freude auf den Adler stürzen, und ihm das "Gesicht" (->Vermenschlichung) zerhacken. Es ist nicht ersichtlich, wessen Gesicht nun angegriffen wird, da auf einmal ein lyr. Du angesprochen wird. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wer das lyr. Ich ist - wer also das lyr. Du anspricht. Ich gehe mal von der Vermutung aus - und das ist auch recht wahrscheinlich - dass das lyr. Du das Opfer ist, welches der Leser schon in den ersten beiden Strophen kennen gelernt hat - der Adler. In dieser Strophe schwingt auch ein gewisser "Humor" mit, wenn es in Zeile 2 heißt, dass man das Du geladen hat. Kurz darauf wird dieses aber wieder durch das "stürzen sich auf dein Gesicht" und "schnabeltief zum Tränensack" negiert. Die Situation wird - wie gewohnt - brachial dargestellt. Allein, diese Strophe überzeugt mich aus obigen Gründen nicht. Nur die letzte Zeile gibt einen guten Gedanken, nämlich den, dass die Raben dem Adler die Möglichkeit des Weinens nehmen.
str4: In der vierten Strophe versucht der Text seinen eigenen Abschluss zu finden. Mit Zeile 1 + 2 wird dies auch gut dargestellt. Das blutige warme Nest ist für mich Zeichen der verlorenen Heimat. Der Adler (oder besser: dessen Überreste) liegt in einem fremden Nest. Dies kann ich nur aus Strophe 3 herleiten, wenn die Raben ihn mitgenommen haben, um sich oder eingentlich viel mehr ihre Zöglinge zu füttern - wenn das denn auch von den Vögelkennern so abgenickt werden kann. Doch es scheint so, als ob die Raben nur Kuckuckseier im Nest haben, weshalb der "Kuckuckswanst" zufrieden gluckert. Am Ende dreht sich der Text also noch mal ein wenig und birgt so eine kleine Überraschung. Die Trauerweiden werden zum ersten und einzigen Male in der vierten Strophe eingebracht. Das Bild einer Trauerweide ist ja mit Sicherheit allen bestens bekannt und vor Augen, weshalb auch klar sein dürfte, dass das "ausgefranst"-sein eine Steigerung des Bildes ist. Die letzte Zeile kann ich nicht einordnen. Nach "Kuckucksnest" ist ein Doppelpunkt vorhanden, so dass sich die vierte auf die dritte mit Sicherheit bezieht. Jedoch fehlt mir hier wirklich der Funke, der mir diese Metapher des "flügellosen Traumgeästes" verdeutlicht. Auch finde ich es problematisch, zuerst in das Nest zu zoomen, um dann die Umgebung zu betrachten, und um dann wiederum in das Nest zu gehen.
als Anhängsel und auch nur der Vollständigkeit wegen, das metrische Schema:
durchgängig
XxXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXxX
XxXxXxX
Der umschließende Reim kann als Einverleiben des Adlers (in den Prozess des Lebens: --> Ratten, Raben, Kuckuckszöglinge) gelesen werden.
FAZIT: Für mich herrschen hier Metaphern vor, die nicht wirklich in den Text eingebunden sind (z.b. "Mutter"). Das hat zur Folge, dass man es sehr schwer hat, dem Gedicht erstens eine Gesamtinterpretation zu geben und zweitens, dass mitunter einzelne Metaphern wie lose mitschwimmen - es metaphorisch überladen ist. Letzteres habe ich v.a. in der vierten Strophe ("flügelloses Traumgeäst") gemerkt. Die einzelnen Strophen sind meines Erachtens nur Stationen, Stationen aber, die in einer Trauerweidenallee stattfinden. Wenn man es so lies, dann kann dies gerechtfertigt sein, mir persönlich jedoch fehlt hier den größere Sinnzusammenhang zwischen den Strophen. Aber das ist nur meiner Vorliebe für solcher Art Texte zu schulden - also mein Problem.
Soweit, erst einmal.
Beste Grüße.
AB
Besucher
0 Mitglieder und 248 Gäste sind Online Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655 |
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220
Themen
und
61619
Beiträge.
Heute waren 0 Mitglieder Online: Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53). |
Ein Kostenloses Forum | Einfach ein Forum erstellen |