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März
Der Bärlauch schießt mit seinen jungen Spitzen
mir an den Gaumen und ich blick empor -
auf Zweigen, die ein Rabenhorst verlor,
da seh ich, stumm, den Merlinfalken sitzen.
Er richtet seine scharfen Sinne aus,
verfolgt das Schwärmen in den hohen Norden,
bei uns ist es ihm viel zu bunt geworden,
doch seine Tundra blüht noch nicht zu Haus.
Nun lausche ich gebannt und halte Wacht,
ersehne ihn mit Blausternblick herbei,
den heiseren und hungrig-wilden Schrei
beim Aufbruch in die helle Mitternacht.
Hi Alcedo,
willkommen im Tümpel, oder besser am Tümpel, wo einer im Gras liegt und einen Merlinfalken beobachtet.
Auch wenn ich noch nie einen solchen - bewußt - gesehen habe, bekomme ich dank deiner genauen Beschreibungen eine plastische Vorstellung von dieser - nächtlichen (?) - Beobachtung. Formal gibts auch nichts zu meckern (nur in S1Z3 nach "Zweigen" fehlt ein Komma), so dass ich mich ganz in die Vogelzugstimmung hineinversetzen kann. Der Falken steht offenbar für das Vorüberziehende, und Erinnerungen an ein mittelhochdeutsches Gedicht werden wach:
ich zog mir einen falken
mere denn ein jar
da ich ihn gezoget hatte
als ich ihn wollte han
da huob er uf sin federe
und flog in anderiu lant...
frei zitiert, deshalb bitte ich fehler nachzusehen
Hier ist der Aspekt natürlich ein anderer, da es sich nicht um einen Zuchtfalken handelt. Trotzdem geht es auch in diesem Gedicht nicht einfach um die Vergänglichkeit der Natur. Jedenfalls glabe ich, aus der letzten Strophe herauslesen zu könen, dass sich das Ich mit dem Raubvogel identifiziert. Frage in diesem Zusammenhang: Ist der "Blausternblick" ein Hinweis auf die Pupillenform des Falken? Und sehnt der Beobachtende ihn mit "Blausternblick" herbei, weil er sich dessen Perspektive aneignet? Wenn das so ist, dann macht sich das Ich wohl auch die Ortlosigkeit des Vogels zu eigen: er ist nicht mehr hier, aber auch noch nicht dort: er steht vor dem Aufbruch in ein ungewisses Dunkles, was zugleich ein Helles ist.
Die Überschrift "März" verbindet diese Aufbruchsituation mit der Jahreszeit.
Als Märzgeborener finde ich mich hier wieder - was kann ich Besseres über ein Gedicht sagen?
mit märzlichen Grüßen
Ulli
willkommen im Tümpel, oder besser am Tümpel, wo einer im Gras liegt und einen Merlinfalken beobachtet.
Auch wenn ich noch nie einen solchen - bewußt - gesehen habe, bekomme ich dank deiner genauen Beschreibungen eine plastische Vorstellung von dieser - nächtlichen (?) - Beobachtung. Formal gibts auch nichts zu meckern (nur in S1Z3 nach "Zweigen" fehlt ein Komma), so dass ich mich ganz in die Vogelzugstimmung hineinversetzen kann. Der Falken steht offenbar für das Vorüberziehende, und Erinnerungen an ein mittelhochdeutsches Gedicht werden wach:
ich zog mir einen falken
mere denn ein jar
da ich ihn gezoget hatte
als ich ihn wollte han
da huob er uf sin federe
und flog in anderiu lant...
frei zitiert, deshalb bitte ich fehler nachzusehen
Hier ist der Aspekt natürlich ein anderer, da es sich nicht um einen Zuchtfalken handelt. Trotzdem geht es auch in diesem Gedicht nicht einfach um die Vergänglichkeit der Natur. Jedenfalls glabe ich, aus der letzten Strophe herauslesen zu könen, dass sich das Ich mit dem Raubvogel identifiziert. Frage in diesem Zusammenhang: Ist der "Blausternblick" ein Hinweis auf die Pupillenform des Falken? Und sehnt der Beobachtende ihn mit "Blausternblick" herbei, weil er sich dessen Perspektive aneignet? Wenn das so ist, dann macht sich das Ich wohl auch die Ortlosigkeit des Vogels zu eigen: er ist nicht mehr hier, aber auch noch nicht dort: er steht vor dem Aufbruch in ein ungewisses Dunkles, was zugleich ein Helles ist.
Die Überschrift "März" verbindet diese Aufbruchsituation mit der Jahreszeit.
Als Märzgeborener finde ich mich hier wieder - was kann ich Besseres über ein Gedicht sagen?
mit märzlichen Grüßen
Ulli
Hallo Ulli
den Merlin musst du dir noch kleiner als die Turmfalken vorstellen, die entlang der Autobahnen auf den Zweigspitzen ihre Warte haben. er ist der kleinste bei uns vorkommende Falke, nicht viel größer als eine Taube. schon bei Tage ist es schwer genug ihn in den Baumkronen sitzend auszumachen, nachts wäre es fast unmöglich.
Der von Kürenbergs Verse waren mir auch bekannt. mhm, etwa 850 Jahre alt...
"er huop sich ûf vil hôhe
und fluog in anderiu lant."
diese zwei Zeilen decken sich auch völlig mit meinen Intentionen und gehen natürlich einen Schritt weiter - wer weiß vielleicht hab ich da auch unbewußt assoziert, zumal ich selber mal einen Falken aufgezogen habe.
aber das Ganze ist hier in der Tat aus anderem Aspekt betrachtet, aus der Perspektive das Waldbodens nämlich. und um deiner Frage genüge zu tun: hier darfst du dann auch die Blausterne (Scilla) einordnen, daselbst wurzelnd wie der Bärlauch.
mit deinen Vermutungen zur Ortslosigkeit und zum ungewissen Aufbruchsziel liegst du falsch, die Antwort liegt in der Brut-Biologie und dem Zugverhalten des Vogels.
eine Identifikation findet statt in der letzten Strophe, aber nicht mit dem Falken.
es freut mich dass du dich als Märzgeborener wiederfindest in meinen Versen.
das Komma habe ich eingebaut, danke.
Gruß
Alcedo
den Merlin musst du dir noch kleiner als die Turmfalken vorstellen, die entlang der Autobahnen auf den Zweigspitzen ihre Warte haben. er ist der kleinste bei uns vorkommende Falke, nicht viel größer als eine Taube. schon bei Tage ist es schwer genug ihn in den Baumkronen sitzend auszumachen, nachts wäre es fast unmöglich.
Der von Kürenbergs Verse waren mir auch bekannt. mhm, etwa 850 Jahre alt...
"er huop sich ûf vil hôhe
und fluog in anderiu lant."
diese zwei Zeilen decken sich auch völlig mit meinen Intentionen und gehen natürlich einen Schritt weiter - wer weiß vielleicht hab ich da auch unbewußt assoziert, zumal ich selber mal einen Falken aufgezogen habe.
aber das Ganze ist hier in der Tat aus anderem Aspekt betrachtet, aus der Perspektive das Waldbodens nämlich. und um deiner Frage genüge zu tun: hier darfst du dann auch die Blausterne (Scilla) einordnen, daselbst wurzelnd wie der Bärlauch.
mit deinen Vermutungen zur Ortslosigkeit und zum ungewissen Aufbruchsziel liegst du falsch, die Antwort liegt in der Brut-Biologie und dem Zugverhalten des Vogels.
eine Identifikation findet statt in der letzten Strophe, aber nicht mit dem Falken.
es freut mich dass du dich als Märzgeborener wiederfindest in meinen Versen.
das Komma habe ich eingebaut, danke.
Gruß
Alcedo
Hallo Eisvogel,
ich danke dir für die genaueren Hinweise, die mich das Gedicht noch mehr schätzen lassen. Unsereiner liegt ja nur im Gras und freut sich an dem Ganzen, während ihm die Details wie der neben ihm wachsende Blaustern einfach durchrutschen. Ohne Namen sind viele Dinge einfach nicht da, das habe ich beim Gehen durch den Wald immer schon bedauert, und bis deshalb froh, wenn mir einer beim Wahrnehmen hilft.
(Den Alcedo habe ich einfach mal nachgeschlagen, weil ich schon dunkel ahnte, dass es sich hier auch um eine besondere species handeln könnte..)
Jetzt bleibt da Rätsel, zu wem der heisere und hungrig-wilde Schrei gehört. Dies könnte ebenfalls ein Vogel sein, aber auch ein kleineres Landraubtier...? Ich möchte mich durch Spekulationen nicht weiter blamieren und warte einfach mal auf Hinweise von anderen Lesern oder von dir.
Da ein Gedicht immer mehr ist als eine reine Naturbeschreibung, finde ich mich weiterhin wieder in deinen Zeilen. Ich lausche gebannt. welches wilde Tier da mitternächtlich in mir aufbricht...
Gruß, Ulli
ich danke dir für die genaueren Hinweise, die mich das Gedicht noch mehr schätzen lassen. Unsereiner liegt ja nur im Gras und freut sich an dem Ganzen, während ihm die Details wie der neben ihm wachsende Blaustern einfach durchrutschen. Ohne Namen sind viele Dinge einfach nicht da, das habe ich beim Gehen durch den Wald immer schon bedauert, und bis deshalb froh, wenn mir einer beim Wahrnehmen hilft.
(Den Alcedo habe ich einfach mal nachgeschlagen, weil ich schon dunkel ahnte, dass es sich hier auch um eine besondere species handeln könnte..)
Jetzt bleibt da Rätsel, zu wem der heisere und hungrig-wilde Schrei gehört. Dies könnte ebenfalls ein Vogel sein, aber auch ein kleineres Landraubtier...? Ich möchte mich durch Spekulationen nicht weiter blamieren und warte einfach mal auf Hinweise von anderen Lesern oder von dir.
Da ein Gedicht immer mehr ist als eine reine Naturbeschreibung, finde ich mich weiterhin wieder in deinen Zeilen. Ich lausche gebannt. welches wilde Tier da mitternächtlich in mir aufbricht...
Gruß, Ulli
Lieber Ulli,
lass dich durch meinen ornithologischen Spleen bloss nicht verunsichern. da gibt es nichts wobei du dich blamieren könntest und außerdem brauchst du gar nicht zu spekulieren.
den Schrei darfst du alleinig dem Merlin zuordnen. zudem kann dir versichern die Stimme dieses Falken bisher noch nie gehört zu haben, viel wird sie nicht vom "kji-kji" des Baumfalken oder vom "gjä-gjä" und dem langgezogenen "gääi-gääi" (dafür gibts sogar ein Verb: lahnen) des Wanderfalken abweichen (siehst du! letztlich spekuliere ich ja selber auch...). er ist leider in unseren Breiten ein zumeist stummer (und äußerst rasanter) Jäger. wie bei den meisten Raubvögel ist er einzig in der Nähe des Horstes häufiger zu hören. und wo liegt der Nistplatz des Falco columbarius? im Land der Mitternachtssonne.
mhm, es ist dies das Paradoxon der Naturlyrik.
den Vers an sich, könnte man ja fast schon als unnatürlich bezeichen, es sei denn man pinkelt ihn in den Schnee, oder ritzt ihn in die Blattflächen wie Miniermottenlarven,
aber die Kunst besteht meiner Ansicht nach, in dem leider stets zum Scheitern verurteilten Versuch, das lyr.Ich in authentischen Diversitäten und überbordenden Bilderwelten untertauchen zu lassen.
Gruß
Alcedo
* alle Vogelstimmenzitate aus "Pareys Vogelbuch", 7.Auflage, Berlin1996 (sic)
lass dich durch meinen ornithologischen Spleen bloss nicht verunsichern. da gibt es nichts wobei du dich blamieren könntest und außerdem brauchst du gar nicht zu spekulieren.
den Schrei darfst du alleinig dem Merlin zuordnen. zudem kann dir versichern die Stimme dieses Falken bisher noch nie gehört zu haben, viel wird sie nicht vom "kji-kji" des Baumfalken oder vom "gjä-gjä" und dem langgezogenen "gääi-gääi" (dafür gibts sogar ein Verb: lahnen) des Wanderfalken abweichen (siehst du! letztlich spekuliere ich ja selber auch...). er ist leider in unseren Breiten ein zumeist stummer (und äußerst rasanter) Jäger. wie bei den meisten Raubvögel ist er einzig in der Nähe des Horstes häufiger zu hören. und wo liegt der Nistplatz des Falco columbarius? im Land der Mitternachtssonne.
Zitat: |
Da ein Gedicht immer mehr ist als eine reine Naturbeschreibung |
mhm, es ist dies das Paradoxon der Naturlyrik.
den Vers an sich, könnte man ja fast schon als unnatürlich bezeichen, es sei denn man pinkelt ihn in den Schnee, oder ritzt ihn in die Blattflächen wie Miniermottenlarven,
aber die Kunst besteht meiner Ansicht nach, in dem leider stets zum Scheitern verurteilten Versuch, das lyr.Ich in authentischen Diversitäten und überbordenden Bilderwelten untertauchen zu lassen.
Gruß
Alcedo
* alle Vogelstimmenzitate aus "Pareys Vogelbuch", 7.Auflage, Berlin1996 (sic)
puh, Landloper, willst du mich quälen?
machst du mich jetzt, im Sommer, den Merlin hören?
nun, falls er das wirklich war, hörte ich ihn jetzt zum ersten Mal, danke. er klingt wirklich nicht viel anders als die größeren Falken. vielleicht eine Spur schriller.
Gruß
Alcedo
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