König Klar und das zerzauste Mädchen

Es war einmal ein König, der regierte
das Land der Klarheit und Beständigkeit.
Von seinem Turm aus, wo er einsam thronte,
sah er in alle Richtungen so weit,
dass er nur selten sein Gebiet durchstreifte,
in dem sogar der Wind gebändigt war.
Doch eines Tages, als die Nacht schon graute,
traf er ein Mädchen mit zerzaustem Haar:
Die leiseste Berührung ihrer Hand
ließ Blüten treiben übers ganze Land.

Am frühen Morgen stieg er in sein Zimmer,
die Luft war wieder klar, er wusste bald,
dass alles nur ein Rausch, ein Traum, ein Spuk war.
Er sah im Spiegel sich und fand sich alt.
Wir sollten die Geschichte jetzt vergessen,
denn alle schreien schon nach der Moral.
Es gibt sie nicht. Der König traf das Mädchen
nachts unter Bäumen wieder am Kanal.
Und manchmal über Tag zupft König Klar
der Unsichtbaren Blüten aus dem Haar.

Hi Urban

Das finde ich witzig. Na ja, witzig ist vielleicht das falsche Wort, aber der Autor nimmt den Text - mit der Antimoral - auch selber etwas auf die Schippe, daher darf man sicher schmunzeln. Wer ist denn das unsichtbare Mädchen? Die Windsbraut?
Ein interessantes Reimschema hast du da gewählt. Fast zufällig klingen die Endungen im Fluss, geben dem ganzen jedoch - mit dem Paarreim in den jeweils letzten beiden Zeilen - einen Liedcharakter. Gefällt mir gut.

Gruss und willkommen im Tümpel.
Margot

Hallo Margot,

das Ende war eine Verlegenheitslösung. Mir fiel nichts mehr ein. Außerdem hatte ich keine Lust, vier Strophen zu schreiben. Schön, dass du geschmunzel hast. Was ist eine Windsbraut?

Gruß, Urban

Hi Urban

Das habe ich ja noch von keinem Autoren gelesen, dass er zugibt, nicht mehr weiter gewusst zu haben. Schön, dass du so ehrlich bist, normalerweise liest man ja 100 Ausreden, wieso und weshalb jetzt das und dieses steht.

Die Windsbraut stammt aus der Mythologie. Es gibt verschieden Definitionen dafür. Meist steht sie für einen (leichten) Wirbelwind oder einfach für den Wind, der von weiblichen Naturgeistern entfacht wurde. In einigen Sagen geht ihr Erscheinen der ‚Wilden Jagd’ voran. Weil sie dabei keine Rücksicht auf die bestellten Felder nahm, ist sie bis in alle Ewigkeit zum Dahinbrausen als Wirbelwind verwünscht.
Ursprünglich galt auch die nachher mit dem Wasser verbundene Melusine als Luftelbin. Bei den Slawen fliegt die Polednice mit dem Staub des Wirbelwindes auf. Auch den Hexen sagte man Nähe zur Windsbraut nach, indem sie solche Wirbelstürme heraufbeschworen haben sollte.
In Luthers Bibel heisst es von der Überfahrt des Paulus nach Kreta, dass eine Windsbraut, ein Sturm von Nordost, das Schiff gegen die Insel Klauda trieb (Apostelgeschichte 27,13-16).

Gruss
Margot

Hallo Margot,

danke für deine Erläuterungen. An so eine "Braut" hatte ich wohl auch gedacht, ohne natürlich so viel Einzelheiten zu wissen. Interessant, dass der Wind, da wirbelnde Element, zuerst mit Frauen assoziiert wird.

Gruß, Urban

Zitat:

Urban schrieb am 09.07.2006 19:54 Uhr: Interessant, dass der Wind, da wirbelnde Element, zuerst mit Frauen assoziiert wird.Gruß, Urban

Hat vielleicht etwas mit der Unberechenbarkeit zu tun ....