#1

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 04.10.2006 22:06
von Roderich (gelöscht)
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In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden


Warum Herr K. in mancher Nacht
alleine durch die Straßen ging,
ist nicht bekannt. Gedacht
hab’ ich, dass er sich in der Nacht verfing
wie Fliegen in den Spinnennetzen.

So folge ich in dunkler Stund’
Herrn K., der traurigen Gestalt.
Geschlagen wie ein Hund
dreht er die Runden, Stund’ für Stund. Und alt
ist er geworden, will sich setzen.

Warum jedoch ein Tanzlokal
die Stätte seiner Rast sein soll,
wird klar, als auf einmal
die Mädchen im Lokal bedeutungsvoll
zu K. sich neigen um zu schwätzen.

Die Discofeen sind viel zu jung,
für ihn, den reifen Grandseigneur.
Doch kalte Ablehnung
sieht anders aus. So jung … und der Charmeur
hat leichten Fang mit seinen Netzen.

Nun seht ihn an, wie er erblüht!
Verwandelt steht er da und trinkt
vom Leben, lacht und glüht.
Besonders eine blüht und K. versinkt
in grüne Augen wie in Schätzen.

Doch alles geht einmal zu End’.
Als K. auf die Toilette wankt,
schlüpft seine Fee behänd’
zu einem Jüng’ren und am End’ bedankt
sie sich mit Blicken, die verletzen.

Er streicht durchs Dunkel und er weint
beim ersten Morgengrauen. Dann,
wenn Licht am Himmel scheint,
denkt er an seine Frau, die weint, und kann
sich lösen um nach Haus’ zu hetzen.

Details sind mir zwar nicht bekannt,
doch nehm’ ich an, dass sich Herr K.
auch später unverwandt
in Discos schlich und unerkannt dann sah,
ob Blicke wohl sein Herz besetzen.

Bekannt ist nur, dass er sehr spät
zurück zu Frau und Kindern fand.
Und wie die Zeit vergeht,
ist’s schließlich irgendwann zu spät. Das Band
zerreißt, es bleiben nur noch Fetzen.

Warum Herr K. in mancher Nacht
alleine durch die Straßen geht,
ist nun bekannt. Gedacht
hab ich’s schon lang. Herr K. hat Wind gesät,
der Rest steht in Naturgesetzen.

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#2

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 05.10.2006 08:30
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ja, Roderich, das ist mal wieder ein Angebot, das man annehmen kann. Alleine die verschichtelten und verschachtelten Reime machen schon Laune, allerdings musst du das noch ein wenig überarbeiten, denn du bringst so schöne Fahrt in das Werk, das man dir das Straucheln dann besonders übel nimmt: In S4Z3 geht das mit der Ablehnung nicht, tut mir leid, das tut weh. Und in S7Z3 ist die Elision nicht nur überflüssig, sondern metrisch unsauber.

Zum Ende hin geht dem Werk erkennbar die Puste aus und das ist sehr schade, denn bis dahin liest es sich wie gesagt flott und ist eine prima Allegorie: Warum ich mich als Herr K(uh) erkannte, der sich idiotischerweise mit Teens und Twens in (Disco)Foren tummelt, weiß der Himmel, aber so fuktioniert Dichtung offenbar. Aber was passiert am Ende? Morgens kann er sich lösen, hetzt nach Hause, dann geht er aber wieder los, nicht bekannt in S8, bekannt in S9, spät, aber nicht zu spät, findet er zurück aber alles hängt in Fetzen, irgendwie. Der Eindruck beim Lesen ist: Roderich wollte zum Ende kommen und hat sich auch viel Mühe dabei gegeben. Verstehst du, was ich meine? Die letzte Strophe ist wirklich gut, die beiden davor würde ich vielleicht zu einer verschmelzen?

Nun noch in S5 den Rechtschreibfehler (seht!) und insgesamt die Zeichensetzung trimmen und schon haben wir ein lesbares bis beeindruckendes Werk. Lesbar, weil du dir für den Leser die Mühe machtest, eine Geschichte ausgeschmückt zu erzählen und sie kunstfertig mit einer ganz eigenen Reimerei versahst, damit man sich zu keinem Moment langweilt. Danke, für das Lesevergnügen. Nimm dir das Ende noch einmal vor, es lohnt sich.

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#3

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 05.10.2006 09:51
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Lieber Roderich,
ganz so wuchtig, wie Mattes sich mit deinen Zeilen identifiziert ist mir das nicht möglich. Liegt vielleicht daran, dass ich gerade erst die 30 überschritten habe und noch dazu äußerst weiblich bin, so sehr ich das auch versuche zu überspielen. Aber das muss man ja nicht immer. Manchmal ist es sogar eher produktiv, wenn die Identifikation ausbleibt. Ich bin also Beobachter und sehe den alten jungen Herrn in seinem verzweifelten Streben nach etwas, dass er am falschen Ort sucht: Jugend, Anerkennung, Liebe, Leben. Der Arme und fast ein wenig verachtenswerte, aber auch bemitleidenswerte Herr kehrt dann also zurück, wo er hergekommen ist und sucht dort, wo er vernachlässigt hat. Hätte er das doch früher gemerkt, dass es eben zuhause doch am Besten schmeckt und auch ehrlicher ist. Die Realität eben, die zwar nicht ganz so glanzvoll ist, aber eben Wirklichkeit und nur dort liegt Schönheit. Kann ich mich doch identifizieren? Wie Mattes es so schön auf den Tümpel bezieht: Ich bin ja auch wieder da. Zuhause isst es sich eben bequemer!
Traurig nur, wenn man sieht, dass man nicht mehr zurück kann wie dein Protagonist, der zu spät erkannt hat. Ihm bleibt nichts mehr außer seinem Weg durch die Straßen. Dort kann er nicht und hier nicht mehr. Schade, aber selbst schuld.

Ich liebte schon nach der ersten Strophe den schwungvollen Rhythmus, der die traurige, aber wahre Parabel wie ein Schiff auf seichter See vor sich hin trägt. Anders als mein Vorredner finde ich nicht, dass du kürzen musst. Die Strophen stehen jede für sich gut da und hier muss nichts zusammengefasst werden. Schließlich kann man nur so dem Geschehen und der Geschichte folgen und nickt am Ende nur pseudomoralisch mit dem Kopf und hofft, dass man immer schlauer ist und war als unser werter Grandseigneur. Mit der Metrik lässt es sich nicht immer gut an, aber da muss ich noch einmal nachprüfen. Analyse folgt dann auf dem Fuße. Sprachlich passt es.

Gruß Richard

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#4

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 07.10.2006 23:55
von Roderich (gelöscht)
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Hallo ihr zwei,

vielen herzlichen Dank für eure intensive Beschäftigung mit meinem Gedicht. Es freut mich sehr, dass ich euch beiden so wohlwollende Worte mit meinen Zeilen entlocken konnte, schätze ich euch als Kritiker doch ungemein.

@ Mattes: Elision (passt zwar metrisch, ist aber sonst nicht korrekt) in S7Z3 sowie das "seht", das mir Microdoof Word aufgehalst hat, werden umgehend korrigiert - danke fürs aufmerksam machen. Bezüglich der Ablehnung werde ich mir noch Gedanken machen, denn dass dieses Wort nicht ganz glücklich hier steht, ist mir schon beim Schreiben aufgefallen, nur habe ich keine annehmbare Alternative dazu gefunden. Vielleicht werde ich aber noch erleuchtet. Wäre jedenfalls für Vorschläge zu dieser Stelle sehr dankbar, wenn du zufälligerwas parat hast.

Zu einer Verschmelzung der Strophen 8 und 9: Die Fetzen sind zwar auch so eine Stelle, bei der ich ein kleines bisschen würgen muss, aber mir gefallen die Zeilen davor sehr gut und um dieses "Bekannt ist nur ..." hier einzubauen, brauche ich Strophe 8. Bin hier ein kleines bisschen in der Zwickmühle. Zwar gebe ich dir Recht, dass man das durchaus kürzer fassen könnte, aber dann zu Lasten einer Stelle, an der ich ziemlich hänge. Werde mir das aber noch durch den Kopf gehen lassen. Ende nächster Woche möchte ich mir das noch mal ruhig ansehen, bis dahin ist auch schon wieder genug Wasser die Salzach hinuntergeflossen und ich habe ein bisschen Abstand zu dem Gedicht, sodass ich vielleicht noch ein paar Geisteblitze dazu habe.

Freut mich jedenfalls sehr, dass dir meine verschichtelten und verschachtelten Reime gefallen konnten. War doch ein eher gewagtes Experiment, da ich mich von der Form her ziemliche Restriktionen aufgebunden habe, die sich u.U. auf die Sprache oder den Inhalt schlagen hätten können. Schön, dass es nicht so ist.

@ Ric: Ich danke dir sehr für deinen Kommentar, mit dem du den Nagel punktgenau auf den Kopf triffst, was den Inhalt betrifft, und diesen auch kurz und klar zusammenfasst. Im Grunde ist der Protagonist einfach nur bemitleidenswert, da er etwas sucht, was er gar nicht finden kann.

Für deine Metrikanalyse wäre ich dir noch sehr dankbar. Zwar hatte ich den Eindruck beim Schreiben, dass soweit alles passt, aber der Mensch irrt, so lang er strebt und wenn noch Fehlerchen drinnen sind, dann möchte ich diese selbstverständlich noch ausmerzen. Gerade eine Metrikkorrektur ist ja nicht das große Problem und ist schnell gemacht.

Viele Grüße euch beiden

Thomas

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#5

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 08.10.2006 12:19
von Knud_Knudsen • Mitglied | 994 Beiträge | 994 Punkte
hi Rod,
mir gefällt der Text gut. Nicht presenile Bettflucht treibt den Protagonisten hinaus, nein nur Altersgeilheit, oder? Vielleicht hat er ein Problem mit den tatsächlichen und den gefühlen Jahren. Tragisch.
Gern gelesen,
Gruss
Knud

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#6

In manchen Nächten drehte Herr K. seine Runden

in Gesellschaft 15.10.2006 12:37
von Roderich (gelöscht)
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Hallo Knud,

vielen Dank für deinen Kommentar. Mit der Altersgeilheit triffst du es ganz gut - darauf wollte ich abzielen.

Freut mich, dass ich dir ein "Tragisch." entlocken konnte - denn das gibt mir in diesem Fall mehr als nur ein "Gern gelesen" - obwohl ich mich darüber natürlich auch immer freue. Aber es ist für mich schön zu sehen, dass ich die Figur des Herrn K. so im Gedicht transportieren konnte, wie ich es mir vorgestellt habe.

Viele Grüße

Thomas

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