#1

Wellenbad

in Gesellschaft 21.10.2006 21:34
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Wellenbad

Weil mir die Welt zum Wellenbad geworden,
ein Auf und Ab, künstlich erzeugt, weil uns
die Wellen jagen, schlagen, überborden,
weil Schäume schäumen und weil Hinz und Kunz

schon an mir zerren, um mich reinzuschmeißen,
weil jeder Strampler diese Welt bewegt,
weil die Ertrinkenden mich runterreißen,
und weil ich glaub, dass sich der Wind erst legt,

wenn wir ihn nicht mehr machen...
weil ich beim Untergang nicht sagen will, das wußt ich,
und weil ich Angst hab, dass du dich entfernst:

hör ich dich so gern lachen...
Denn, Liebste, machtest du dich über mich nicht lustig,
ich wüsste sicher, nähmst du mich nicht ernst.

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#2

Wellenbad

in Gesellschaft 24.10.2006 14:29
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Ulli,

erste Frage die sich mir stellt, ist, ist das jetzt ein formreines Sonett oder nur an die Struktur angelehnt? Aber unabhängig davon, ob es ein Sonett ist ist es erst mal so nett, dass ich mich freute Dich mal wieder zu gewohnter Form auflaufen zu sehen. Das Wellenbad Bild ist sehr stimmig gemalt. Das Auf und Ab ist künstlich, verursacht durch das Strampeln der Badenden und selbstgemachten Wind. Und auch wenn das Treiben selbst gemacht ist, so sind die Wellen doch ein Ausdruck von Unsicherheit. Sehr geschickt die Formulierung mit den schäumenden Schäumen, weil diese Doppelung diese Assoziation mit der Redewendung mit den Träumen, die doch nur Schäume sind, herstellt. Auch der Einbau der Wendung "Hinz und Kunz" als Reim eingebaut. Ein typischer Nois, und das ist nciht negativ gemeint.
Das Leben in den Wellen is tein Kampf, wobei aneinander gezerrt, gezogen und runter gerissen wird (Ich bin mir übrigens nicht sicher, ob reinschmeißen und runterreißen nach neuer Rechtschreibung nicht sogar getrennt geschrieben werden). Die Probleme sind Hausgemacht und großteils natürlich bedingt, denn klar könnte man aufhören, die Wellen zu produzieren, dann würde man aber auch untergehen. Diese Dialektik findet sich in diesem Wellenbadbild sehr treffend wieder und selbst die Lösung in Wellenschwache Glechförmigkeit zu verfallen ist wenig verlockend, zumal man ja in der Regel auch ins Wellenbad geht, weil es Spaß macht.
In den Terzinen wird es aber schwierig. Denn in diesem Lebenskampf steht nun plötzlich das lyr. Ich mit einem Du, und das Ich sagt zum Du, es wolle von diesem unangenehmen Wellenbadszenario und dem Wissen um das Untergehen, wenn es einen aufgrund des Ziehens eines Ertrinkenden oder des Erlahmens der Kräfte ereilt, dem Du nichts sagen, weil es Fürchtet, das schöne Lachen des Du könnte erlöschen. Nun sage ich aber, dass es hier schwierig wird, und das liegt daran, dass ich das, was ich gerade sagte, da gerne rauslesen wollte, aber der Text sagt, weil das Ich Angst hat, das Du mit den unangenehmen Wahrheiten zu konfrontieren hört es das Du gerne lachen. Umkehrschluss: Wenn das ich keine Angst hätte, dass das Du sich von ihm löst, würde es es auch nicht gerne lachen hören. Das leuchtet mir nciht ganz ein und scheint mir in der geschriebenen Version etwas der Form geschuldet zu sein, aber vielleicht irre ich mich ja auch, und dann wäre es halt so schwierig, dass ich es nicht richtig verstehe, was aber ja durchaus öfters mal vorkommt.
In der letzten Terzine wird nochmal darauf eingegangen, warum das ich das Lachen des Du so gerne hört, weil es, selbst wenn es mal ein auslachendes ist, so doch für das Ich ein Indiz ist, dass das Du es ernst nimmt und ihm zutraut, dies als liebevoll zu verstehen, auch vielleicht, weil es das mit ihm teilt. Eine schöne Wendung, die etwas von dem vorhergehenden Lebenskampfthema wegführt, das ganze aber auf eine persönliche Ebene bringt, die in der Kombination ein gut komplexes Stimmungsbild gibt, das bis auf die eine Unstimmigkeit meinerseits eine recht runde Sache ist, die mir sehr gut gefällt.

Gerne gelesen.

Grüße,
GW




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#3

Wellenbad

in Gesellschaft 25.10.2006 13:18
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Lieber GW,

danke für die ausführliche Besprechung und das Gefallen. In den Terzinen, schreibst du, wird es schwierig. Das kann ich gut nachvollziehen. Denn in der Verkürzung geht leicht unter, was ich eigentlich sagen wollte. Und das ist:

Die Welt ist voller Menschen, die sich fürchterlich ernst nehmen. Sie machen so viel Wind und Wellen, dass sie sich und andere damit in schwere Nöte bringen. Das wäre nicht nötig, ist aber so. Eine Welt ohne Wellen ist nicht vorstellbar, deshalb kann ich nicht sagen, ob man darin untergehen würde. Diese künstlichen Aufregungen machen den Beteiligten sicher auch Spaß, aber der Grundgedanke ist: dass sie aneinander hängend, zerrend und reißend sich das Leben gegenseitig schwer machen.

Das Ich durchschaut dieses Treiben. Es versucht, sich dem Auf-und-Ab-Gezerre zu entziehen, läuft dabei aber Gefahr, selbst ernst und ängstlich zu werden und damit seinerseits unnötige Wellen zu produzieren.

Was ihm in dieser Situation hilft, ist das Lachen des Du. Auch das Du ist Teil des Treibens. Aber es nimmt sich und die Welt nicht so ernst wie die anderen. Sein Lachen hat etwas Befreiendes. Es macht die Dinge leichter. Auch das Ich fühlt sich leichter, wenn sich das Du über es lustig macht. Das Lachen des Du verhilft dem Ich dazu, seiner Einsicht über die Welt zu folgen und nicht seinerseits künstlichen Wind zu machen. Das Du verhilft dem Ich, Ich zu sein, und nimmt es damit auch ernst.

Das Ich braucht das Lachen des Du, um nicht zynisch und altklug zu werden. Es will nicht mit den anderen untergehen, um dann zu sagen: das habe ich ja gewußt. Viel lieber möchte es dem Treiben entgegenwirken und den Untergang vermeiden. Deshalb freut es sich so an dem Lachen des Du. Es fühlt das Du dann ganz nahe bei sich: als besseren Teil seiner selbst. Weil es Angst davor hat, das Du an die Welt zu verlieren, freut es sich über dessen Lachen. Denn sie zeigt ihm, dass die Angst ganz unnötig war. Mit seinem Lachen ist das Du weiter auf dem Weg, sich von dem allgemeinen Treiben nicht unterkriegen lassen.

UUUh, das klingt jetzt sehr steif, aber hilft vielleicht die logische Struktur zu verstehen, die ja auch etwas Paradoxes hat.

So, jetzt dürft ihr euch alle über das Gedicht lustig machen.

Gruß, Ulli


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