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#1
von Ruevian (gelöscht)
Der Andere
in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 22.02.2008 20:19von Ruevian (gelöscht)
Revolution am Arbeitsplatz!
Der Andere
Jakob Fischer stand vor der Tür zum Aufenthaltsraum. Das Stimmengewirr seiner Kollegen drang dumpf nach draußen und durchbohrte seinen leeren Kopf. Müde öffnete er die Tür und schaltete damit eine Art imaginären Schalter um, der seine Kollegen mit seinem Eintreten verstummen ließ. Ihre Augen wurden groß, Vorfreude glitzerte darin, die jedoch augenblicklich verschwand, als sie sein Gesicht fokussierten.
„Du hast ihn nicht bekommen.“ Sagte Bruno Maier und sprach damit genau das aus, was seine Kumpanen wohl dachten.
Jakob nickte stumm und ließ sich niedergeschlagen auf einen freien Stuhl nieder. Noch ehe er sich versah stand vor ihm eine dampfende Tasse Kaffee.
„Aber wenn nicht du, wer dann?“ fragte eine der Bandarbeiterinnen. Er wusste ihren genauen Namen nicht, doch nannten sie alle nur Mieze. Muss wohl irgendeine günstige Abkürzung für einen ungünstigen Vornamen sein.
„Ferdinand von Stüppe.“ Erwiderte Jakob, wobei er den Namen ausspie wie ein übersehener Kern im Kirschkuchen.
„Is nich wahr!“
„Dieser arroganter Typ, der vor einem halben Jahr noch bei uns gearbeitet hat?“
„Hat er sich nicht versetzen lassen und geschworen, dass er nie wieder auch nur einen Fuß hierher setzen möchte?“
„Das war nachdem ich ihm Salz ins Fanta geschüttet habe!“
„Er nicht ist in China?“
Entrüstetes Gemurmel wie aus einem Bienenschwarm stammend erfüllte den ohnehin recht kleinen Aufenthaltsraum. Auch etwas, was sie durch Jakob als neuem Abteilungsleiter ändern wollten. Natürlich erst nach der Sicherheit ihrer aller Arbeitsplätze. Denn jene Sicherheit war nicht gerade groß in dieser Firma. Sie hing stark an den Launen ihres Chefs. Es konnte quasi jeden zu jeder möglichen Zeit treffen. Erst letzte Woche wurden zehn Leute auf Nimmerwiedersehen vor die Tür gesetzt. Gute Leute, gute Arbeiter.
„Das war’s. Wir sind alle draußen!“ sagte Bruno und schaute verbittert in seinen Kaffee. „Dieser arrogante Scheißkerl schmeißt uns einen nach den anderen raus. So schnell können wir wahrscheinlich gar nicht gucken, bis er einem die Kündigung vor den Latz knallt.“ Er schaute zu Jakob, als wäre er die Lösung aller Probleme.
Dieser jedoch hatte nicht einmal einen Schnippsel eines Lösungsvorschlags. Stumm starrte er in die schwarze triste Brühe in seiner Tasse, einem unendlich tiefen Ozean aus Pech gleich, der vor Leere geradezu schriee.
Eine kleine Welle zitterte darin und schwappte über den Tassenrand, als der Tisch nach seinem Faustschlag erzitterte. „Verdammt noch mal, dieser scheiß Akademiker soll sich mal bloß nichts einbilden!“
Zustimmende Zurufe umhüllten seinen vernebelten Kopf, erzeugten ein Licht im dumpfen Grau seiner Gedanken. Er fühlte sich von zahlreichen Händen getragen, wie ein Fußballer von seinen Mannschaftskameraden nachdem er das Golden Goal geschossen hatte. Noch ehe er realisierte, was er tat, war er schon aufgestanden und warf einen feurigen Blick in die Runde.
„Jahrelang diese Ungewissheit auf Verlängerung unserer Verträge. All die vielen guten Kameraden, die rausgeschmissen wurden. Die vielen Jahre ohne Weihnachtsgelder. Die vielen Urlaubsverkürzungen. All den Anschiss und die Mahnungen ohne jeglichen Grund. Wir haben bis jetzt immer gute Arbeit abgeliefert. Leute, das lassen wir uns nicht gefallen!“
„Was hast du vor, Jakob?“
Jakob schnaubte verächtlich. „Dieser Drecksack war früher schon ein Arschloch. Er weiß genau, dass wir froh waren, als wir ihn endlich losgeworden sind. Jahrelang habe ich mir den Arsch aufgerissen für die Stelle des nächsten Abteilungsleiters und das bestimmt nicht, damit dieser junge Hüpfer mit seiner Überdosis Vitamin B sie mir wegschnappt. Wir haben uns lange genug alles gefallen lassen. Um unser aller Arbeitsplätze Willen. Haben Überstunden geschoben, damit der gute alte Wagner auch weiterhin in seinen Millionen baden kann. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss! Wir sind die Abteilung, nicht er!“
„Genau!“
„Nieder mit von Stüppe!“
Jakob machte eine beschwichtigende Handbewegung und die Zurufe erstarben. „Lasst uns nicht leichtsinnig werden. Wir müssen uns gut überlegen, wie wir weiter vorgehen.“
„Ich kann ihn ja noch mal Salz in sein Fanta schütten!“ sagte ein kleiner Mann mit Schnauzbart. Er grinste verschwörerisch und präsentierte dabei eine ansehnliche Zahnlücke.
„Gute ähm… Idee, Iwan.“ Bruno schüttelte den Kopf. „Na mal sehen was unser neuer Abteilungsleiter gegen eine defekte Wuchtmaschine ausrichten will!“
„Behalt mal den Gedanken im Hinterkopf, Bruno.“ Jakob lächelte, wurde jedoch sofort wieder ernst. „Zu allererst sollten wir es auf dem legalen Weg versuchen. Ich werde noch heute mit der Gewerkschaft reden. Wäre doch gelacht, wenn wir diesen Dreckskerl nicht ein zweites Mal loswerden könnten. Wir sind die Abteilung!“
Der Raum war erfüllt mit zustimmenden Rufen. Jakob fühlte sich wie von einer lärmenden Rauchwolke getragen. Noch immer stand er, die rechte Hand erhoben und zur Faust geballt und auf seinem Gesicht zeigte sich eine euphorische Entschlossenheit. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so stark das Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben. Emilia, seine Frau, konnte wahrlich stolz auf ihn sein, den unbezwingbaren Revoluzzer, den Frieder Engel der Gegenwart oder wie auch immer dieser Marxist geheißen hat.
In diesem Moment schwang die Tür zum Aufenthaltsraum auf und jener imaginäre Schalter wurde erneut umgedreht. Ein wohl gehasstes Gesicht kam zum Vorschein.
„Oh, Herr von Stüppe… ähm… Möchten Sie einen Kaffee?“
Der Andere
Jakob Fischer stand vor der Tür zum Aufenthaltsraum. Das Stimmengewirr seiner Kollegen drang dumpf nach draußen und durchbohrte seinen leeren Kopf. Müde öffnete er die Tür und schaltete damit eine Art imaginären Schalter um, der seine Kollegen mit seinem Eintreten verstummen ließ. Ihre Augen wurden groß, Vorfreude glitzerte darin, die jedoch augenblicklich verschwand, als sie sein Gesicht fokussierten.
„Du hast ihn nicht bekommen.“ Sagte Bruno Maier und sprach damit genau das aus, was seine Kumpanen wohl dachten.
Jakob nickte stumm und ließ sich niedergeschlagen auf einen freien Stuhl nieder. Noch ehe er sich versah stand vor ihm eine dampfende Tasse Kaffee.
„Aber wenn nicht du, wer dann?“ fragte eine der Bandarbeiterinnen. Er wusste ihren genauen Namen nicht, doch nannten sie alle nur Mieze. Muss wohl irgendeine günstige Abkürzung für einen ungünstigen Vornamen sein.
„Ferdinand von Stüppe.“ Erwiderte Jakob, wobei er den Namen ausspie wie ein übersehener Kern im Kirschkuchen.
„Is nich wahr!“
„Dieser arroganter Typ, der vor einem halben Jahr noch bei uns gearbeitet hat?“
„Hat er sich nicht versetzen lassen und geschworen, dass er nie wieder auch nur einen Fuß hierher setzen möchte?“
„Das war nachdem ich ihm Salz ins Fanta geschüttet habe!“
„Er nicht ist in China?“
Entrüstetes Gemurmel wie aus einem Bienenschwarm stammend erfüllte den ohnehin recht kleinen Aufenthaltsraum. Auch etwas, was sie durch Jakob als neuem Abteilungsleiter ändern wollten. Natürlich erst nach der Sicherheit ihrer aller Arbeitsplätze. Denn jene Sicherheit war nicht gerade groß in dieser Firma. Sie hing stark an den Launen ihres Chefs. Es konnte quasi jeden zu jeder möglichen Zeit treffen. Erst letzte Woche wurden zehn Leute auf Nimmerwiedersehen vor die Tür gesetzt. Gute Leute, gute Arbeiter.
„Das war’s. Wir sind alle draußen!“ sagte Bruno und schaute verbittert in seinen Kaffee. „Dieser arrogante Scheißkerl schmeißt uns einen nach den anderen raus. So schnell können wir wahrscheinlich gar nicht gucken, bis er einem die Kündigung vor den Latz knallt.“ Er schaute zu Jakob, als wäre er die Lösung aller Probleme.
Dieser jedoch hatte nicht einmal einen Schnippsel eines Lösungsvorschlags. Stumm starrte er in die schwarze triste Brühe in seiner Tasse, einem unendlich tiefen Ozean aus Pech gleich, der vor Leere geradezu schriee.
Eine kleine Welle zitterte darin und schwappte über den Tassenrand, als der Tisch nach seinem Faustschlag erzitterte. „Verdammt noch mal, dieser scheiß Akademiker soll sich mal bloß nichts einbilden!“
Zustimmende Zurufe umhüllten seinen vernebelten Kopf, erzeugten ein Licht im dumpfen Grau seiner Gedanken. Er fühlte sich von zahlreichen Händen getragen, wie ein Fußballer von seinen Mannschaftskameraden nachdem er das Golden Goal geschossen hatte. Noch ehe er realisierte, was er tat, war er schon aufgestanden und warf einen feurigen Blick in die Runde.
„Jahrelang diese Ungewissheit auf Verlängerung unserer Verträge. All die vielen guten Kameraden, die rausgeschmissen wurden. Die vielen Jahre ohne Weihnachtsgelder. Die vielen Urlaubsverkürzungen. All den Anschiss und die Mahnungen ohne jeglichen Grund. Wir haben bis jetzt immer gute Arbeit abgeliefert. Leute, das lassen wir uns nicht gefallen!“
„Was hast du vor, Jakob?“
Jakob schnaubte verächtlich. „Dieser Drecksack war früher schon ein Arschloch. Er weiß genau, dass wir froh waren, als wir ihn endlich losgeworden sind. Jahrelang habe ich mir den Arsch aufgerissen für die Stelle des nächsten Abteilungsleiters und das bestimmt nicht, damit dieser junge Hüpfer mit seiner Überdosis Vitamin B sie mir wegschnappt. Wir haben uns lange genug alles gefallen lassen. Um unser aller Arbeitsplätze Willen. Haben Überstunden geschoben, damit der gute alte Wagner auch weiterhin in seinen Millionen baden kann. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss! Wir sind die Abteilung, nicht er!“
„Genau!“
„Nieder mit von Stüppe!“
Jakob machte eine beschwichtigende Handbewegung und die Zurufe erstarben. „Lasst uns nicht leichtsinnig werden. Wir müssen uns gut überlegen, wie wir weiter vorgehen.“
„Ich kann ihn ja noch mal Salz in sein Fanta schütten!“ sagte ein kleiner Mann mit Schnauzbart. Er grinste verschwörerisch und präsentierte dabei eine ansehnliche Zahnlücke.
„Gute ähm… Idee, Iwan.“ Bruno schüttelte den Kopf. „Na mal sehen was unser neuer Abteilungsleiter gegen eine defekte Wuchtmaschine ausrichten will!“
„Behalt mal den Gedanken im Hinterkopf, Bruno.“ Jakob lächelte, wurde jedoch sofort wieder ernst. „Zu allererst sollten wir es auf dem legalen Weg versuchen. Ich werde noch heute mit der Gewerkschaft reden. Wäre doch gelacht, wenn wir diesen Dreckskerl nicht ein zweites Mal loswerden könnten. Wir sind die Abteilung!“
Der Raum war erfüllt mit zustimmenden Rufen. Jakob fühlte sich wie von einer lärmenden Rauchwolke getragen. Noch immer stand er, die rechte Hand erhoben und zur Faust geballt und auf seinem Gesicht zeigte sich eine euphorische Entschlossenheit. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie so stark das Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben. Emilia, seine Frau, konnte wahrlich stolz auf ihn sein, den unbezwingbaren Revoluzzer, den Frieder Engel der Gegenwart oder wie auch immer dieser Marxist geheißen hat.
In diesem Moment schwang die Tür zum Aufenthaltsraum auf und jener imaginäre Schalter wurde erneut umgedreht. Ein wohl gehasstes Gesicht kam zum Vorschein.
„Oh, Herr von Stüppe… ähm… Möchten Sie einen Kaffee?“
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