Hallo, mein lieber Gunter,
mit diesem Waisenknaben habe ich zwar so meine Probleme, möchte aber gleich zu Beginn betonen, dass ich ihn, wie fast alles von dir, für überdurchschnittlich talentiert halte.
Auch wenn ich nicht der größte Fan von durchgängig kreuzgereimten Sonetten bin, so stellst du hier wenigstens ein richtiges Sonett vor, indem du dich in den Quartetten auf zwei Reime beschränkst. Ich halte das für wesentlich, nicht nur um dem Anspruch an ein Klinggedicht nachzukommen. Und wenn dann noch so inspirierte Reime wie Typ-üb-trüb-Polyp dabei herauskommen, dann ist mein Kartoffelherz schon weichgekocht.
Ganz witzig finde ich, dass du den Wechsel von These zur Antithese, der inhaltlich gar nicht so deutlich ist, mit der Umstellung von männlicher auf weibliche Kadenz unterstreichst. Das fand ich schon deswegen doppelt sinnig, weil meiner Ansicht nach die relative Härte dieses lyrI, diese männliche Kantigkeit nicht nur förmlich konterkariert wird, sondern in der Conclusio ja auch inhaltlich durch die Narben gezeichnet wird, der weiche, der weibliche Kern wird freigelegt.
Auch wenn der Stolperer zwischen Quartetten und Terzetten dir vermutlich deswegen lieb und teuer ist, ich mag ihn nicht. Ich hätte einen unmerklicheren Umstieg subtiler gefunden: "denn ich bin ein Elfmeter mitten ins Gesicht. Und Fasten ohne Darben." usw. Aber bitte, das ist Geschmackssache.
Inhaltlich soweit konsequent, habe ich ein, zwei Mal das Gefühl, das eher verwaiste Aussagen aufblitzen (z.B. Fasten ohne Darben) oder recht unmotivierte Füllsel (
da plötzlich, Schnabel
nur), aber auch das hat ja einen gewissen Witz. Zusammengefasst fühle ich mich also sehr angesprochen
und werde den Typen adoptieren.
Beste Grüße
Mattes