#1

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 18.09.2008 13:42
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Stauwehr


Ich wollte, doch ich konnte nicht verzeihen.
Zu tief saß jener Stachel, den du stachst.
Zu innig lauschte ich, als du noch sprachst.
So konnte auch kein Wort in mir gedeihen,

um meinem Kummer Ausdruck zu verleihen.
Wenn du mich ohne Rücksicht unterbrachst,
war klar, dass du nur deinen Fluss bewachst.
Wir mussten an der Quelle uns befreien.

Doch stauten wir die Worte hinter Mauern
aus Gleichmut und Gewöhnung. Mit der Zeit
verlernten wir, Versäumtes zu betrauern.

Der Druck nimmt zu. Wann ist es wohl so weit?
Wann bricht der Damm und welche Fluten lauern?
Bist du dafür, und bin ich selbst bereit?

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#2

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 18.09.2008 17:36
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Euer Heiligkeit,

die Sonettdruckmaschine läuft wie geschmiert - hier mein Senf:

Strophe 1:

gefällt mir, deutlich formuliert. Sieht man eine Beziehung auch als Kampf, so spricht hier der Unterlegene. Trotz seiner Enttäuschung lauscht das lyrische Ich seinem Partner mit so viel Hingabe, dass es selbst nicht zum Sprechen kommt. Evtl. kommt Vers 4 etwas gedeichselt rüber, doch er passt und rechtfertigt die angestauten Fluten.

Strophe 2:

starker Übergang im ersten Vers, dann in V2 wird das Ungleichgewicht zwischen beiden noch gesteigert, doch wieder findet das lyr. Ich in V3 einen Grund, es dem gegenüber durchgehen zu lassen. V4 ist m.E. der schwächste Teil, klingt etwas gedeichselt (wir mussten an der...) und steht mit der alleinigen Erwähnung der Quelle etwas isoliert da.

Strophe 3:

Für sich betrachtet ist Strophe 3 wiederum stark. Allerdings wird die Steigerung der ersten beiden Strophen spätestens hier unterbrochen, da nun beide sprechen, wenn auch nur Belangloses. Die Partnerin des lyr. Ich muss jedenfalls durch Ihre Dominanz durchaus weniger Worte angestaut haben. Andererseits war Ihr Fluss an Worten auch eine Kette der Belanglosigkeiten, die Sie nicht durch ein ernsteres Gespräch unterbrochen sehen wollte.
Hinter den wachsenden Mauern aus Gewöhnung staut sich und verliert sich das Versäumte.

Strophe 4:

Wieder stark formuliert, für mich die schönste Strophe, vor allem die Doppeldeutigkeit in V3 ist ein starker Schluss.
Man möchte dem lyr. Ich wegen seinem Gezauder fast selbst in den Hintern treten endlich auszurasten.
Das Angestaute ist so tief im lyr. Ich vergraben, dass es nicht einmal selber mehr weiss, was sich dort alles verbirgt. Das lyr. Ich fürchtet sein eigenes destruktives Potential.
Dann wie gesagt die versteckte Frage: Bist du dafür? und das letzte Zaudern des lyr. Ichs.

Ein schönes Gedicht, handwerklich gut gemacht, aber keine große Kunst. Ich sehe ein schönes, eindeutiges Gemälde ohne Anspielungen, die den zweiten Blick fordern. Deshalb sehe ich eher eine gekonnte Zeichnung, die nichtsdestoweniger gefällt und jede Wand ziert.

EDIT: So düster und trübsinnig finde ich es gar nicht, da dieser Sachverhalt in jeder Beziehung mal vorkommt - von daher sähe ich das unter den Grübeleien, und es ist eine Grübelei, besser aufgehoben.



E-LITEratum: reimt Laute - traut Meile - Mut elitaer - eitel Armut - Traum leite - Eile tut Arm - Reimtet lau - Laut Metier - Maul eitert - Team Urteil
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#3

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 18.09.2008 20:12
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Guten Abend, Papst!

Na ja, stimmt schon so ziemlich, was mein Vorredner freundlicherweise schrieb. Ich selbst hätte es gar nicht gedeutet, der Inhalt soll schon aus dem Gedicht zu entnehmen sein. Das ist hier auch einwandfrei der Fall.

Etwas anderes ist es, das mich stutzig werden ließ:

Zitat:

um meinen Kummer Ausdruck zu verleihen.
Wenn du mich ohne Rücksicht unterbrachst,
war klar, dass du nur deinen Fluss bewachst.
Wir mussten an der Quelle uns befreien.


Dieser Reim muß sehr schlampig gesprochen werden,
damit er schmerzlos funktioniert.

Bis auf diesen Punkt fand ich schöne Worte und gut Gedichtetes.

Gruß
Joame
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#4

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 19.09.2008 07:44
von axolotl
Eure Eminenz,

nach der Handgelenkslyrik bin ich hier nun wirklich sehr angetan, gerade auch, weil das Stück hier unheimlich stringent und stimmig anmutet, sei es der Bildfächer, sei der Titel, sei es was auch immer. Das passt im Großen und Ganzen alles wie der Stöpsel in die Badewanne

Nur womit ich hadere und wo dennoch ein wenig Wasser austritt, ist folgendes (vielleicht sitze ich da aber auch gerade auf entscheidenden Versorgungsadern):

"So konnte auch kein Wort in mir gedeihen [...]/ Doch stauten wir die Worte hinter Mauern"

Was denn nun? Wo kommen denn, wenn sich keine Worte formen könnten, um einen Kummer auszusprechen, die aufgestauten Sätze in spe her? Im Grunde scheint klar, wie Du es meinst, aber gerade weil das Stück ansonsten so sehr ineinandergreift, vermisse ich hier die Eindeutigkeit. Wenn sich die Worte damals nicht aus dem Kummerbund befreien konnten, so könnte ich später mit dem avisierten Staubruch sehr gut leben. Wenn aber ansonsten durchaus gesprochen wird, aber eben nur das Gramvokabluar erst gar nicht aufwallen kann, weil eben schon im Keim unterbunden, habe ich ein Problem mit der Herkunft des Staus.

Grüße
axo
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#5

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 22.09.2008 15:17
von axolotl
Eure "Leck mich am Arschigkeit",

könntest Du auf die Repliken mal eingehen oder bist Du parallel mit der Überarbeitung des Textes beschäftigt? Mich interessiert das Ding hier wirklich

Grüße
axo
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#6

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 22.09.2008 16:10
von Krabü2 (gelöscht)
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... falls in der Überarbeitung, bitte folgende Stelle berücksichtigen:
um meinen Kummer Ausdruck zu verleihen
sollte in 'meineM' geändert werden.

ansonsten scheint der Beklagte Wassermücke an einem Staudamm zu sein - is ja oooch mal interessant
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#7

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 22.09.2008 17:22
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Hallo Wilhelm,

vielen Dank für deine sehr intensive, frreundliche Kritik. Ich weiß noch nicht, was mir mehr imponiert, deine empathische Kommentierung oder der lapidare Hinweis "keine große Kunst". Nein, nichts von dem (und ich meine das ernst und ohne Koketterie), was ich mache, ist große Kunst. Wenn es dann aber dennoch so wohlwollend aufgenommen wird, ist das schon ein große Freude. Danke.

Hallo Joame,

du hast völlig recht. Aber auch wenn ich kein Künstler bin, so nehme ich mir dennoch das Recht heraus, solche Korken hinzunehmen, wenn der Inhalt es mir gebietet. Wenn die Größten das durften, darf ich kleiner Pups das erst recht. Nein, was soll ich sagen? Ich kann es nicht besser. Schön, wenn es dennoch einigermaßen bestehen konnte.

Hallo axolotl,

auch wenn "gedeihen" nicht gleich "entstehen" ist, verstehe ich deinen Einwand sehr gut. Besonders konstruktiv ist natürlich, dass du gleich auch einen akzeptablen Vorschlag parat hast. Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, konnte mich aber nicht überwinden. "Konnte sich kein Wort in mir/aus mir befreien" unterstellte, das lyrische Ich hätte schon gedeihliche Worte gehabt, sie nur nicht aussprechen können/wollen/dürrfen. Das hat es aber nicht. Es stammelte innerlich. Doch auch tröpfelndes Wasser staut sich natürlich mit der Zeit und trotz der vereinzelt nur schwächlichen Tropfen bricht irgendwann ein Wasserfall hervor. Also dann, wenn Willi dem lyrischen Ich endlich in den Arsch getreten hat.

Ich hoffe, du siehst es mir nach und/oder kannst einigermaßen nachvollziehen, was ich meine. Vielen Dank für dein Feedback!.

Hallo Kratzbürste,

ja, natürlich hast du Recht. Ein peinlicher Fehler, der jetzt wenigstens behoben wird. Danke.

Beste Grüße
Mattes
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#8

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 22.09.2008 17:39
von axolotl
Hallo Pog mo,

ja klar, wenn man das Kind einmal geboren hat, schiebt man es nicht wieder ganz in die Gebärmutter zurück, nur weil es zwei Haare zuviel zwischen den Brauen hat. Mehr ist das hier auch nicht - ich kenn das ja von eigenen Texten. Man versteht das Problem, aber gewichtig ist es nicht wirklich bzw. kein "Problem" im eigentlichen Sinne. Und dass "befreien" den Text vom Ursprung her (zu sehr) verändern würde, sehe ich mit Deiner Erklärung auch durchaus ein; dass es dem Text mehr nähme, als es ihm zu geben imstande ist, dann somit auch.

Ich lese das Gedicht also lieber nochmal und freunde mich mit dem "gedeihen" an.

de groeten
axo
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#9

Stauwehr

in Düsteres und Trübsinniges 22.09.2008 19:41
von Pog Mo Thon (gelöscht)
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Also, ich fand und finde deinen Einwand schon sehr berechtigt und ich bin beileibe nicht glücklich darüber. Ich fürchte nur, dass ich außerstande bin, das noch umzubiegen, weil in so einem Mobilé von einem Gedicht (ich meine jedes Gedicht) dann eine Kettenreaktion erfolgt. Jedenfalls geht mir das so. Das ist weder böser Wille, noch Kritikresistenz, es ist nur so, dass mir dann meist alles koppheister geht. Sprich: Entweder sitzt der Anzug oder er zwickt. Und wenn er zwickt, muss der Träger hinein wachsen, bei mir gibt es nur von der Stange. War ein Witz, ein schlechter, zugegeben. Du verstehst aber sicher, was ich meine.

Beste Grüße
Mattes
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