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Körper III
Es gehen immer drei,
jeder in seinem eigenen Schrein.
Das Röcheln, das Widerhallen
an den weißen Wänden,
an den marmorierten Kacheln,
letzte Laute, die durch das einsame Zimmer schallen;
Es gehen immer drei,
denn einer nimmt zwei andere mit.
Die Hand schiebt sich in den Mund,
wie um den Druck zu greifen
der in der Kehle liegt -
zwischen Borken und Gewächs;
Es gehen immer drei,
erst einer, dann zwei, dann überrascht es dich.
Die Luft riecht wie Tod,
nicht nach süßem Versiechen,
nur eine kalte, transparente Schwere.
Es gehen immer drei,
jeder in seinem eigenen Schrein.
Das Röcheln, das Widerhallen
an den weißen Wänden,
an den marmorierten Kacheln,
letzte Laute, die durch das einsame Zimmer schallen;
Es gehen immer drei,
denn einer nimmt zwei andere mit.
Die Hand schiebt sich in den Mund,
wie um den Druck zu greifen
der in der Kehle liegt -
zwischen Borken und Gewächs;
Es gehen immer drei,
erst einer, dann zwei, dann überrascht es dich.
Die Luft riecht wie Tod,
nicht nach süßem Versiechen,
nur eine kalte, transparente Schwere.
Zitat: |
Stephan Santfort schrieb am 24.09.2008 23:41 Uhr: Körper III Es gehen immer drei, erst einer, dann zwei, dann überrascht es dich - Das Röcheln, das Widerhallen an den weißen Wänden an den marmorierten Kacheln letzte Laute die durch die verlassene Wohnung schallen; Es gehen immer drei, denn einer nimmt zwei andere mit - Die Hand schiebt sich in den Mund wie um den Druck zu greifen der ihr in der Kehle liegt zwischen Borken und Gewächs; Es gehen immer drei, jeder in seinem eigenen Schrein - Die Luft riecht wie Tod nicht nach süßem Versiechen nur eine kalte, transparente Schwere. |
hallo Stephan
nach den ersten zwei Zeilen musste ich unweigerlich an meine Kaninchen denken, wenn die Seuche aus dem Dorf durch die Stallungen gefahren war: nicht eines, nein, nicht paarweise, nein, denn was sich zwitt das dritt sich - dreifach lagen sie morgens ausgestreckt umher. nachdem man sie großgezogen, versorgt und immer gut gefüttert hatte, verreckten die Biester, einfach so - eine Frechheit.
nur dass Kaninchen nicht röcheln. mhm, hier kann es nicht um Haustiere gehen. ja, zwischen weißen Wänden und zwischen marmorierten Kacheln sterben bloss Menschen.
zuerst dachte ich an ein Hospiz, oder an ein Altersheim. aber dann steht da als letztes Wort der ersten Strophe: Wohnung. spontan dachte ich mir, das kann doch nicht sein - wer hält in seiner Wohnung mehr als zwei alte Menschen? tja, siehste, prompt war ich in die Falle meiner eigenen Vorstellung getappt: wer redet denn hier von alt? im ganzen Gedicht ist nichts vom Alter zu lesen. nur vom Tod. ich lese also zu Ende und versuche mir nichts mehr dabei vorzustellen. das ist schwierig für jemanden wie mich, der stets Bilder im Kopp hat.
denn die aufkommenden Assoziationen frachten laufend Momentaufnahmen aus den Versen: die Hand, welche sich in den Mund schiebt: alles was mit Schmerz und Ersticken zu tun hat; Borken und Gewächs: alles was mit dahinvegetieren gemein ist; Schrein, samt darauf folgenden Verb & Adjektiv: alles was mit süsslichem Leichengeruch zu tun hatte.
letztlich kann ich mir auch nach wiederholtem Lesen keinen Reim auf die Umstände machen. aber wahrscheinlich ist der Schlüsselbegriff zum Verständnis das "süsse Versiechen". jemand (irgendsoein naives lyrisches Ich zum Beispiel) der geglaubt hat, diese Variante des Abkratzens wäre die weitaus häufigere, wird von der Realität eingeholt. zwar wußte ich (Leser) das schon länger, aber allein die Erinnerung an jenes bewusst werden, an jenen Wendepunkt, ist mir fast unangenehmer als ich (Kommentator) es mir eingestehen möchte. gut, da geraten Umstände zum nebensächlichen. das funktioniert.
aber es gelingt dir nicht, dass ich übersehe, wie fehlerhaft die Interpunktion daherkommt, oder wie inkonsequent, je nachdem. das ließe sich doch wohl leicht beheben. der einzige Endreim, vom identischen "drei" mal abgesehen, spiegelt das Echo, das Hallen in sterilen Fluren. letztlich Kälte, welche zum Finale wieder aufgenommen wird. das ist schön gemacht. handwerklich schön.
Gefallen kann ich im Fazit nicht bekunden. aber Funktionieren. für mich.
ach ja, und Benns Lyrik hatte ich dabei auch noch im Kopf. ließ sich nicht abschütteln.
Gruß
Alcedo
Hallo Stephan
Es geht hier wahrscheinlich eher um eine Beziehung – als um eine Kaninchenkiste. Geht (stirbt) einer, zerstört er logischerweise die Beziehung, der ja mindestens noch ein Zweiter angehörte. Dieser Zweite bleibt zuerst einmal äußerlich, also als Körper zurück.Nach Verinnerlichen der Situation kommt aber noch der innere ( seelische) Körper dazu. Vll. kann man das auch mit einer Art von gespalten sein vergleichen.
es gibt da doch so einen Ausspruch: ich steh neben mir- oder so ähnlich
Interessanter Text
Gruß
M.B.
Es geht hier wahrscheinlich eher um eine Beziehung – als um eine Kaninchenkiste. Geht (stirbt) einer, zerstört er logischerweise die Beziehung, der ja mindestens noch ein Zweiter angehörte. Dieser Zweite bleibt zuerst einmal äußerlich, also als Körper zurück.Nach Verinnerlichen der Situation kommt aber noch der innere ( seelische) Körper dazu. Vll. kann man das auch mit einer Art von gespalten sein vergleichen.
es gibt da doch so einen Ausspruch: ich steh neben mir- oder so ähnlich
Interessanter Text
Gruß
M.B.
Hey Kotter,
die Interpunktion ist sicher hier ein Schwachpunkt: entweder, Du setzt sie richtig ein und vor allem konsequent oder Du läßt sie ganz weg, bist aber dann angehalten, die Zeilenumbrüche als Lesepausen aufzuerlegen. Hiermit haben aber viele Schwierigkeiten.
Zum Thema: Schon bei einem Röcheln denke ich weniger an Kaninchen und mehr an eine Palliativstation, an Altenstifte, gerade auch, wenn man den Titel mit einbezieht.
Und ja, es hält sich der Eindruck auf solchen Station und in solchen Häusern, dass wenn es einer aufgibt, andere folgen. Dass es immer drei sind, halte ich für ein Gerücht, denn man sucht überall nach Mustern und Abfolgen und wenn man meint, etwas in dieser Richtung gefunden zu haben, etwas finden will, sieht man es überall. Sei es nun die 3, die 23 oder die 216. Aber der Text ist insofern 'echt', als dass es nicht bei einem Ableben bleibt. Der eine nimmt andere mit. Das kann ich unterschreiben. Und dem Ganzen eine "Klammer" zu geben, indem Du die 3 als wiederkehrendes Element anlegst, ist, rein lyrisch betrachtet, legitim.
Zum Text an sich: Statt "Wohnung" würde ich Zimmer schreiben, um den Fokus mehr auf Kliniken oder Seniorenheime zu legen, auch wenn es dort abgeschlossene Wohneinheiten für die Bewohner gibt, ist das Zimmer mehr verknüpft mit einem Spital, als dass es die Wohnung ist. Vielleicht vereinfacht Du dergestalt den Zugang.
Der Text funktioniert für auch mich sehr gut, gerade der endliche Ausschluss eines süßen Versiechens. Dieses Sterben ist greifbar, es strömt aus den Mündern, aus den Fugen - und: es ist nicht dieses vermeintlich würdevolle Abtreten, das verkauft oder gewünscht ist; nicht hier. Da tritt niemand in weißen Gewändern von der Bühne ab, keiner wirft goldene Zitronen hinterher. Aus den Schlünden röchelt es zunehmend, die Gerüche nach Fencheltee, Weißbrot und Sterillium weichem einem Geruch, der schwer zu beschreiben ist, kalt und fleischig. Ich denke, dass ist hier sehr treffend eingefaßt. In solchen Zeiten sehen selbst die Essenswagen aus wie mobile Leichenkammern, die Gesichter werden spitz und die Häute sind marmoriert wie die Kacheln.
Für mich alles stimmig.
Gerade aus dieser Perspektive heraus finde ich es gut und vor allem passend, dass der Text (fast) auf Reime verzichtet bzw. sie im Werdegang abbricht. Nicht, dass ich sie gernerell verteufeln wollte, aber sie würden in einem Text nicht funktionieren, der den Dingen ihren Wohlgang und somit übertragen ihren Wohlklang abspricht.
Bis auf den Interpunktionsaspekt ist der Text für mich daher wirklich gut gelungen und ich kann nachvollziehen, warum Du ihn nicht in die Trauerrubik gestellt hast.
Grüße
axo
die Interpunktion ist sicher hier ein Schwachpunkt: entweder, Du setzt sie richtig ein und vor allem konsequent oder Du läßt sie ganz weg, bist aber dann angehalten, die Zeilenumbrüche als Lesepausen aufzuerlegen. Hiermit haben aber viele Schwierigkeiten.
Zum Thema: Schon bei einem Röcheln denke ich weniger an Kaninchen und mehr an eine Palliativstation, an Altenstifte, gerade auch, wenn man den Titel mit einbezieht.
Und ja, es hält sich der Eindruck auf solchen Station und in solchen Häusern, dass wenn es einer aufgibt, andere folgen. Dass es immer drei sind, halte ich für ein Gerücht, denn man sucht überall nach Mustern und Abfolgen und wenn man meint, etwas in dieser Richtung gefunden zu haben, etwas finden will, sieht man es überall. Sei es nun die 3, die 23 oder die 216. Aber der Text ist insofern 'echt', als dass es nicht bei einem Ableben bleibt. Der eine nimmt andere mit. Das kann ich unterschreiben. Und dem Ganzen eine "Klammer" zu geben, indem Du die 3 als wiederkehrendes Element anlegst, ist, rein lyrisch betrachtet, legitim.
Zum Text an sich: Statt "Wohnung" würde ich Zimmer schreiben, um den Fokus mehr auf Kliniken oder Seniorenheime zu legen, auch wenn es dort abgeschlossene Wohneinheiten für die Bewohner gibt, ist das Zimmer mehr verknüpft mit einem Spital, als dass es die Wohnung ist. Vielleicht vereinfacht Du dergestalt den Zugang.
Der Text funktioniert für auch mich sehr gut, gerade der endliche Ausschluss eines süßen Versiechens. Dieses Sterben ist greifbar, es strömt aus den Mündern, aus den Fugen - und: es ist nicht dieses vermeintlich würdevolle Abtreten, das verkauft oder gewünscht ist; nicht hier. Da tritt niemand in weißen Gewändern von der Bühne ab, keiner wirft goldene Zitronen hinterher. Aus den Schlünden röchelt es zunehmend, die Gerüche nach Fencheltee, Weißbrot und Sterillium weichem einem Geruch, der schwer zu beschreiben ist, kalt und fleischig. Ich denke, dass ist hier sehr treffend eingefaßt. In solchen Zeiten sehen selbst die Essenswagen aus wie mobile Leichenkammern, die Gesichter werden spitz und die Häute sind marmoriert wie die Kacheln.
Für mich alles stimmig.
Gerade aus dieser Perspektive heraus finde ich es gut und vor allem passend, dass der Text (fast) auf Reime verzichtet bzw. sie im Werdegang abbricht. Nicht, dass ich sie gernerell verteufeln wollte, aber sie würden in einem Text nicht funktionieren, der den Dingen ihren Wohlgang und somit übertragen ihren Wohlklang abspricht.
Bis auf den Interpunktionsaspekt ist der Text für mich daher wirklich gut gelungen und ich kann nachvollziehen, warum Du ihn nicht in die Trauerrubik gestellt hast.
Grüße
axo
Sorry, aber ich kann mit dem Gedicht weder inhaltlich noch formal viel anfangen - und das hat nichts mit mangelnder Erfahrung mit diesem Thema zu tun - ich habe 2 Jahre in einem Alterspflegeheim gearbeitet.
In der ersten Strophe stört mich vor allem, dass es einen Reim gibt (Widerhallen - Schallen), der so unmotiviert im Raum steht. Der Rhythmus passt nicht dazu, es gibt gar keinen erkennbaren R.
In der nächsten Strophe dann eine absolute Unmöglichkeit:
Die Hand schiebt sich in den Mund
wie um den Druck zu greifen
der ihr in der Kehle liegt
Das würde bedeuten, dass der Hand ein Druck in der Kehle liegt. Denn das "ihr" kann sich nur auf "Hand" beziehen. Also kompletter Schwachsinn.
Und wie riecht der Tod? Das sollte doch mal versucht werden in treffende Bilder zu gießen.
Für mich bestenfalls verhackstückte Prosa. Habe zu diesem Thema aber schon Klassen Besseres gelesen...
Sorry, dass ich in den Lobgesang nicht einstimmen kann.
Gruß von Habibi
In der ersten Strophe stört mich vor allem, dass es einen Reim gibt (Widerhallen - Schallen), der so unmotiviert im Raum steht. Der Rhythmus passt nicht dazu, es gibt gar keinen erkennbaren R.
In der nächsten Strophe dann eine absolute Unmöglichkeit:
Die Hand schiebt sich in den Mund
wie um den Druck zu greifen
der ihr in der Kehle liegt
Das würde bedeuten, dass der Hand ein Druck in der Kehle liegt. Denn das "ihr" kann sich nur auf "Hand" beziehen. Also kompletter Schwachsinn.
Und wie riecht der Tod? Das sollte doch mal versucht werden in treffende Bilder zu gießen.
Für mich bestenfalls verhackstückte Prosa. Habe zu diesem Thema aber schon Klassen Besseres gelesen...
Sorry, dass ich in den Lobgesang nicht einstimmen kann.
Gruß von Habibi
Hallo,
danke für die reichlichen Antworten.
Ich werde hier eben eine allgemeine Antwort geben, da ich hoffe, dass sich mit den erfolgten Veränderungen des Gedichts sich die meisten Kritikpunkte auflösen.
Ich habe den letzten Vers der ersten Strophe so verändert, dass sich nun dsa lyr. Ich in einem Heim befindet, nicht in einer Wohnung.
Weiterhin habe ich die ersten beiden Verse der ersten Strophe mit denen der letzten Strophe getauscht.
Die fehlerhafte Interpunktion wurde auch korrigiert.
Ich hoffe, dass der Text nun inhaltlich wie formell für den Leser befriedigender ist .
Grüße,
Stephan
danke für die reichlichen Antworten.
Ich werde hier eben eine allgemeine Antwort geben, da ich hoffe, dass sich mit den erfolgten Veränderungen des Gedichts sich die meisten Kritikpunkte auflösen.
Ich habe den letzten Vers der ersten Strophe so verändert, dass sich nun dsa lyr. Ich in einem Heim befindet, nicht in einer Wohnung.
Weiterhin habe ich die ersten beiden Verse der ersten Strophe mit denen der letzten Strophe getauscht.
Die fehlerhafte Interpunktion wurde auch korrigiert.
Ich hoffe, dass der Text nun inhaltlich wie formell für den Leser befriedigender ist .
Grüße,
Stephan
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