#1

stein

in Gesellschaft 06.10.2008 01:54
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte

stein


authentizität rieselt aus den fugen
trocken / nasskalt
und steine fallen
jedes mal / einmal
zeit für jack daniels

klassentreffen unterm teppich
finales besäufnis um acht

wind blättert durch die abfalltonnen:
inflationäre titten im letzten playboy
zwischen pockennarbigen fassaden
grau / neongelb & vergessen



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#2

stein

in Gesellschaft 16.10.2008 01:12
von axolotl
Hallo Simone,

ich mag den Text sehr, nur einige Ecken hat er für mich noch.

Mit dem Einstieg komme ich nicht ganz zurecht. Der ist phonetisch für mich eine kritische Angelegenheit, weil das g in "wegkehren" wie ein k gesprochen wird, anfänglich dadurch sehr hart klingt, was ob der Stabreime "bekehren / wegkehren / klassentreffen" nochmals verstärkt daherkommt (*). Sinnvoll ist das Wort "wegkehren" an dieser Stelle, keine Frage. Man hat dadurch den Eindruck, dass das k/k wie ein "husch, husch" unter den Teppich fegt. Die Konstruktion wirkt daher zudem wie eine Kehrbewegung, die als Eintritt zum ersten Bild sehr gut funktioniert.

Dennoch hadere ich aus zwei Gründen: Was Du eingangs phonetisch anzettelst, so stark unterstreichst (*) und ausmalst, greifst Du später kaum noch auf bzw. unterschiedlich. Nach der ersten Strophe bricht der Text für mich daher konzeptorisch; der Rest wirkt einfach anders, da hier der Fokus mehr auf den Bildern liegt, als auf der Klangstruktur (die in phonetischen Perioden gegeben ist, aber zurücktritt). Zumindest scheint mir das so, ich kann mich arg täuschen.

Überdies mag ich diese Wortbedeutungsschwangerschaftsausschabungen nicht sonderlich, will sagen: die Gegenüberstellung, Aufflechtung von bekehren / wegkehren ist mir zu gewollt.

Aber weiter: Die Bebilderungen im Text gefallen mir außerordentlich gut, da ist nichts zu meckern, obwohl man sich streiten könnte, ob Wind durch Abfalltonnen blättern kann oder ob er nicht eher durch das Altpapier darin oder ähnliches fährt.

Die Zeilenumbrüche sind für mich ad hoc stimmig.

Eine Frage bleibt aber: An einer Stelle schreibst Du "und" aus, an einer anderen nimmst Du das kaufmännische Und (&) her. Mir erschließt sich nicht, warum genau. Das kaufmännische Und kann man hernehmen, wenn man Worte schon optisch sehr nah aneinanderfügen will, sie gleichsam aber trennen und doch verbinden will. Das Sonderzeichen ist ja nicht direkt als "und" lesbar, sondern braucht einen kurzen Übertrag, weshalb die Worte ebenso oder zuerst ohne "und" registiert werden.


Gerade also bei den "steinen" in Verbund mit "nasskalt" hätte ich das kaufmännische Und (auch) hergenommen.

Grüße
axo
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#3

stein

in Gesellschaft 16.10.2008 14:47
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Hi axel

ja, ich hab schon versucht, die erste Strophe zu ändern oder umzubauen, weil ich finde, dass der Einstieg zu krass ist, aber ich komm da ehrlich gesagt einfach nicht weiter, zumal mir das klanglich eigentlich gut gefällt, nur direkt als Einstand finde ich es halt zu dick bzw finde ich, man wird ziemlich überrumpelt (Holzhammermethode *g)

ich hab ja nicht wirklich oft ein Konzept, bevor ich einen Text schreibe, sondern das entwickelt sich während des Schreibens, aber du hast Recht, der Rest funktioniert eher auf der Bildebene. die finde ich auch eigentlich ziemlich rund und ich würde S1 dahingehend gerne anpassen, aber da hänge ich, wie gesagt, fest.

ja klar, blättert der Wind, genau genommen, durch Papier/Zeitschriften oä. aber mir hat das Bild mit den Tonnen einfach gefallen und ich denke das kann man schon so stehen lassen und nachvollziehen, ohne sich groß verrenken zu müssen.

so, jetzt kommen wir zu dem Teil mit den "und bzw &" und ich in Erklärungsnot *g … bei neongelb & vergessen hab ich das & genommen, weil ich eine Gleichzeitigkeit von Aufflackern/Erinnern und Vergessen haben, aber die Vorgänge doch auch trennen wollte. … bei dem "und" vor "steine" wollte ich aber eine Reihenfolge haben. erst die Wahrnehmung und dann das Geschehen. (ich kann so was immer so schlecht erklären) … ich kann schon verstehen, wenn beide Schreibweisen in einem Text irritierend sind. stört das sehr? dann würde ich es halt ändern, aber mich würde ganz ehrlich ein "&" am Zeilenanfang einfach auch optisch stören.

Besten Dank und Gruß
Simone
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#4

stein

in Gesellschaft 16.10.2008 15:46
von axolotl
Hey simone,

ich verstehe, dass Du am Anfang haderst. Wie gesagt, einerseits ist das chic, anderseits zu aufdringlich. Vorschläge kann ich da auch nicht recht andienen, mit denen Du die erste Zeile ausbessern kannst. Naja, "bekehrte Pointen", "entgegen der Faserrichtung" usw. das greift für mich nicht richtig. Aber ich grübel einmal.

de groeten
axo
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#5

stein

in Gesellschaft 16.10.2008 15:48
von Habibi (gelöscht)
avatar
Hallo Simone, ich hab mit dem Gedicht einige Schwierigkeiten. Mal sehen, ob ichs erklären kann.

bekehren / wegkehren (z.B. verstehe ich die Funktion des / nicht)
klassentreffen unterm teppich (wieso muss ein Klassentreffen untern Teppich gekehrt werden? Was war daran so schlimm? Wer muss dabei bekehrt werden?)
finales besäufnis um acht

authentizität (dieses Wort in einem Gedicht mit relativ "einfachen" Worten ist - allein schon von der Unmöglichkeit, das beim ersten Mal ohne zu stocken lesen zu können, nicht passend und für mich auch vom Sinn her nicht nachvollziehbar) rieselt aus den fugen
trocken / nasskalt

und steine fallen
jedes mal / einmal
zeit für jack daniels (das ist für mich eine Wiederholung mit anderen Worten von der letzten Zeile der 1. Strophe, bringt nichts Neues)

Also im Ganzen gesehen, weiß ich überhaupt nicht, was das Gedicht mir sagen will, außer dass eine gewisse Endzeitstimmung und Überdruss vom LI gefühlsmäßig rüberkommt. Aber ich weiß nicht warum und was z.B. das Klassentreffen damit zu tun hat und ob überhaupt und so weiter.

Viele Fragen...

Gruß Habibi
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#6

stein

in Gesellschaft 16.10.2008 18:39
von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
ja, axel grübel mal, denn mir fällt selber (noch) nix besseres ein *g

Hi Habibi

also ehrlich gesagt will ich den Text nicht total aufbröseln. entweder funzt das einfach nicht, wie ich das dachte oder du bist gedanklich einfach zu fest bei Schulklassen. aber geh doch mal gedanklich weiter und hin zu gesellschaftlichen Klassen. würde mich wirklich mal interessieren, ob du dann nicht doch einen Zugang findest. ich schreib ja nicht oft in der Form, von daher würde mich natürlich interessieren, ob der Text so funktioniert und was beim Leser ankommt. aber bei dir scheint ja gar nichts anzukommen und ehrlich gesagt wundert mich das schon ein bisschen, weil ich die Bilder als Gesamtes schon für stimmig halte... und Endzeitstimmung und Überdruss hört sich doch schon gar nicht schlecht an... nur, dass gar kein LI vorkommt ...

Grüße
Simone


alt

bekehren / wegkehren
klassentreffen unterm teppich
finales besäufnis um acht

authentizität rieselt aus den fugen
trocken / nasskalt
und steine fallen
jedes mal / einmal
zeit für jack daniels

wind blättert durch die abfalltonnen:
inflationäre titten im letzten playboy
zwischen pockennarbigen fassaden
grau / neongelb & vergessen


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#7

stein

in Gesellschaft 17.10.2008 11:21
von Alexa (gelöscht)
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Hallo Simone,

Ich kann hier Habibi nur zustimmen. Sry, aber das ist für mich ein Text, der aus Gedankenfetzen versucht wurde und selbst nicht weiß, wo er eigentlich hin möchte. Den Einstieg mit dem Wort authentizität, empfinde ich hier nur abschreckend.
Wenn du ein Wort wie Klassentreffen als etwas anderes stellst, als das, was es allgemeingültig bedeutet, läufst du zudem Gefahr, dass es falsch interpretiert wird - und schon funktioniert das gesamte Gebilde nicht mehr. Gleiches gilt für das, was Axelot ansprach. Und, &. Klar, dass sich der Leser fragt, was das zu bedeuten hat und nach mehrmaligem Lesen und der Erkenntnis das da nichts zu finden ist, wirkt der Text wenig durchdacht. Und wenn dann noch der Wind durch die Abfalltonnen blättert ( übrigens ist das eine Zeile aus der man durchaus etwas machen könnte) und den letzten Playboy aufschlägt, fragt man sich, wieso das eigentlich der Letzte sein soll. Ich für meinen Teil kann hier leider nur zu dem Fazit kommen: ein paar Fremdwörter, das Wort Titten dazu, einen Strich hier, einen da und fertig soll er sein. Wirkt, wie schon oben geschrieben, wie Gedankenfetzen, denen ein Rahmen fehlt.
Er "funzt" nicht, um es mal mit deinen Worten auszudrücken.

Gruß von
Alexa
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#8

stein

in Gesellschaft 17.10.2008 14:50
von Habibi (gelöscht)
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Hallo Simone, ich sehe das wie WIKIPEDIA und deshalb gibt es für mich in JEDEM Gedicht ein LI.

"Der Ausdruck Lyrisches Ich bezeichnet in einer Traditionslinie der Literaturwissenschaft den fiktiven Sprecher oder die Stimme eines Gedichts... Ursprünglich eingeführt zur Unterscheidung des formalen Ichs von einem empirischem Ich, ist es bis in die Gegenwart immer wieder gleichgesetzt worden mit der Identität des Autors, mit der Authentizität des Ausgesagten sowie mit dem rezeptiven Nacherleben desselben..."

Gruß Habibi
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#9

stein

in Gesellschaft 17.10.2008 18:14
von axolotl
Hallöchen zusammen,

ich muss mich da nochmal einmischen, gerade wenn es um das lyr. Ich geht. Das ist nicht zwangsläufig direkt vorhanden. Deshalb kann ich beide Seiten nachvollziehen, gehe aber mit Simone Hand in Hand, dass der Text kein direktes lyr. Ich hat.

Was Simone hier ausspart, ist das Subjekt. Der Text hat kein direktes, nur "Konturen" eines Ichs, aber - und das ist wichtig - es wird nicht unmittelbar genannt. Weder in einem Ich, noch in einem wir. Es ist allein durch die Personalien nicht fassbar, nur durch das Erzählte an sich und lediglich außerhalb des Textes gegeben. Letztlich ist das (das fehlende Subjekt im Gedicht) wichtig für die Analyse des Textes, so man denn will. Es nicht ausgeschrieben, zurückgetreten. Bestes Beispiel für so ein fehlendes Subjekt - ein fehlendes direktes lyr. Ich - e.g. in der Gegenwartslyrik ist Nico Bleutge.

Dass das hier Stückwerk ist, will ich auch nicht sagen und kann das letztlich nur von meinem Textverständnis aus begründen und widerlegen, wenn ich eine Interpretation nachreiche. Ich werde das die Tage einmal tun.

Liebe Grüße
axo
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