#1

Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 25.09.2016 18:28
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

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Gesicht der Zeit


Im Schimmer eines Spinnennetzes
erschien mir das Gesicht der Zeit:
schraffierte Wangen glänzten weit,
die Augen dunkelte Vergangenheit.

Gebildet durch den schrägen Sonnenstrahl,
entbehrt das Kinn nicht wenig Hochmut bis zum Bart,
die laue Luft lässt das Gewebe
erschauern in der Gegenwart.

Der Widerschein von Seidenlicht,
der einem Augenblick entspricht,
lässt zukünftig die Zukunft zu,

sie kommt in diesem Vers zur Ruh

und eilt doch zeitgleich auch davon -
mein Augenblick, ich hab dich schon!
jetzt schimmerst du mir im Gesicht,
an Nase, Haar, bis zu den Ohrn!

ich hab das lichte Netz durchlaufen,
die Spinne wippt jetzt in der Eibe
und webt bald eine neue Bleibe.

.

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e-Gut
zuletzt bearbeitet 26.03.2017 12:27 | nach oben

#2

RE: Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 30.09.2016 12:19
von alba | 645 Beiträge | 720 Punkte

bist du in ein radnetz gerannt ja

hat sich ein spinnweb über dein gesicht gelegt. passiert immmer wieder weil vom insekt so gewollt.
als sinnbild der vergänglichkeit funktioniert sowas möglicherweise. sprachlich ist es mir aber a bit
too much. vllt wären die zeilen reimlos weniger verschraubt.

s2z2 versteh ich halbwegs aber erschauern tut die spinnweb eigentlich nimmer wenn sie dir schon
auf der nase klebt. die glänzt wahrscheinlich. kommt bei menschen vor. lesend versuche ich mich
drauf einzulassen kriege aber verirrt zwischen vielen wörtern die zeit nicht geschichtet. sorry alba

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#3

RE: Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 01.10.2016 14:05
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

hallo Alba

intendiert war eigentlich eine zeitliche Abfolge: kurz zwar, aber schon etwa 20 bis 30 sec. also das Netz erkennen, anschauen, bewundern, aber letztlich dennoch (langsam) durchlaufen und zurückschauen. ein Experiment mit den Zeitformen. also das Erschauern des angeleuchteten Spinngewebes bei einem schwachen Luftzug wäre dann auch vor dem Kontakt geschehen. aber du siehst ja: wenn es so viel Erläuterung bedarf, ist es nicht besonders gelungen.

wahrscheinlich stört doch der Präsens in S1. ursprünglich hatte ich in Z2: „erschien mir“ als Verb. weiß aber grad nicht ob ich das noch umbaue.
danke für deine Beschäftigung mit dem Text.

Gruß
Alcedo

edit:
habe die erste Strophe jetzt umgebaut.
vormalige Version:

Zitat von Alcedo im Beitrag #1
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Gesicht der Zeit


Im Schimmer eines Spinnennetzes
erkenn ich das Gesicht der Zeit:
schraffierte Wangen leuchten weit,
die Augen dunkelt mir Vergangenheit.

Gebildet durch den schrägen Sonnenstrahl,
entbehrt das Kinn nicht wenig Hochmut bis zum Bart,
die laue Luft lässt das Gewebe
erschauern in der Gegenwart.

Der Widerschein von Seidenlicht,
der einem Augenblick entspricht,
lässt zukünftig die Zukunft zu,

sie kommt in diesem Vers zur Ruh

und eilt doch zeitgleich auch davon -
mein Augenblick, ich hab dich schon!
jetzt schimmerst du mir im Gesicht,
an Nase, Haar, bis zu den Ohrn!

ich hab das lichte Netz durchlaufen,
die Spinne wippt jetzt in der Eibe
und webt bald eine neue Bleibe.

.

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e-Gut
zuletzt bearbeitet 06.10.2016 09:56 | nach oben

#4

RE: Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 25.03.2017 06:47
von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte

Ich sah einmal die Zeit sich zeigen,
in Zeichen floss sie weit und breit,
sie lud mich ein in einen Reigen,
doch alles, was ich war, war Streit.

Verwittert mit der Zweifel stumpfen Stahl,
verwehrt darin vom Ende bis zum bitt'ren Start-
die raue Kluft, in der ich bebe,
bedauert, was sie nie verwahrt.

Der Widerspruch, er gibt mir Ruh,
und schaut mir beim Vergehen zu,
bewahrheitet sein Angesicht,

und geht dann weiter, und zerbricht.

und bleibt in Splittern doch bestehen-
die sich lösen und verwehen.
Ich bin der Wind! Da schwebt noch einer!
Ich folge ihm, wir werden kleiner.

Als keiner folgt, nur wir einander,
ich und Splitter, zur Mäander,
schneller, wissend, fröhlich drehen.




E-LITEratum: reimt Laute - traut Meile - Mut elitaer - eitel Armut - Traum leite - Eile tut Arm - Reimtet lau - Laut Metier - Maul eitert - Team Urteil
zuletzt bearbeitet 25.03.2017 16:42 | nach oben

#5

RE: Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 25.03.2017 13:14
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Ich finde euch beide echt gut, alcedo und WP,

und Sinn in den Zeilen, obwohl metrisch stellenweise schwierig zu lesen.

@alcedo: SiZ2/3 schraffierte Wangen strahlten weit, im Auge schon Vergangenheit.
S3Z3 "lässt zukünftig eindie Zukunft zu", wäre metrisch korrekt aber bist du sicher
wie wäre: Fängt Zukunft ein und sperrt sie zu, sie kommt in diesem Vers zur Ruh.

@Wilhelm Pfusch:S5Z2 zersplittert beide, zur Mäander,
aber verbunden anstelle zersplittert würde mir auch gefallen.
Nur so'ne Eingebungen um die Mittagszeit vor der Pause. Nix für ungut. Ich geh besser essen. HG - mcberry

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#6

RE: Gesicht der Zeit

in Philosophisches und Grübeleien 26.03.2017 09:49
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

hallo Willi

gefällt mir sehr wie du deine eigene Wahrnehmung in der gleichen formalen Kokille aushärten lässt. vor allem weil du dort wo ich Sonnenstrahl, laue Luft und eine -heit brachte, Streit einbringst, raue Kluft, Stahl und andere Militaria wie mehrfache Splitter und Widerspruch.

das bestärkt, amüsiert, unterhält gleichzeitig. Dankeschön.


hallo Mc

die Zu-Zu-Zu-Alliteration möchte ich nicht mehr ändern, da ich sie als Beschleunigung vor dem „Anhalten der Zeit“ in der Einzelzeile liebgewonnen habe.

aber dieses kakophonische Ratata in S1/Z3 von „schraffierte“ & „leuchtete“ stört mich jetzt auch nach deinem Hinweis (zumal in Z4 „dunkelte“ folgt). das werde ich ändern. Vielen Dank.
„strahlen“ kann ich aber nicht nehmen, da ich es für den folgenden Endreim beim Sonnengestrahl brauche.
darum werde ich das „glänzen“ nehmen, inspiriert von Pfuschens Rüstung.

Grüße
Alcedo

bisherige erste Strophe:

Im Schimmer eines Spinnennetzes
erschien mir das Gesicht der Zeit:
schraffierte Wangen leuchteten weit,
die Augen dunkelte Vergangenheit.


e-Gut
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