#1

Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 05.04.2016 13:28
von Sneaker | 86 Beiträge | 171 Punkte

S. T. Coleridge: Kublai Khan
Kublai Khan / Eine Vision im Traum / Coleridge

Mit Xanadu schuf Kublai Khan
ein Traumschloss, stolz und hehr,
Dort brach der Urquell Alph sich Bahn
durch Grotten, die kein Mensch ersann,
zum sonnenlosen Meer.

Wehrturm und Wall umringen stolz
zehn Morgen reiches Gartenland,
wo Fliederduft und Sandelholz
sich mischt mit Nachtigallenschlag
aus einem Hain, der dort schon stand,
im Licht vom ersten Schöpfungstag.

Im Zederndunkel teilt die Schlucht
den Hügel wie ein Schlangenleib
halb heiligend, halb wie verflucht,
als ob beim Sichelmond ein Weib
beschwört des Höllenliebsten Leib.

Aus dieser Schlucht, die ewig dröhnt
als ob das Land gleich Drachen stöhnt
schnellt sich ein Springquell hoch, erbricht
gezackten Fels und Kies ins Licht
der teils als Hagel auf die Welt,
teils wie die Spreu vom Flegel fällt.

Vom Tanz der Felsen unterm Dom
des Himmels fließt der heilge Strom
määndernd wohl fünf Meilen quer
durch Auen, Gärten, reichen Tann,
zu Grotten die kein Mensch ersann,
stürzt dann sich in ein totes Meer.
Und Kublai hört darin von weit
Kampf, den ein Vorfahr prophezeit.

Der Schatten des Palastes streicht
die Wogen sacht im Spiegelbild,
und Quell und Grotte mischt sich leicht
zum Lied des Wassers, murmelnd mild,
das leis verklingt mit Widerhall,
im Schloss aus Licht und Eiskristall.

In einer Vision ersah
ich dort bei süßem Harfenklang
aus fernem Abessinia
ein Mädchen sitzen und ihr Sang
erzählt vom Berge Abora.

Könnt ich zum Leben dieses Lied
in mir erneuern irgendwie
Musik und Stimme, Gras und Ried
dann ließe mich die Harmonie
das Schloss erbauen in der Luft
das Schloss aus Licht und Eiskristall
so dass es jeder sieht--- und ruft:

Gebt acht auf ihn: Sein Lockenhaar
umwallt ihn dreifach und sein Blick
gleicht einer Flamme die versehrt
so weicht vor ihm zurück, zurück
den Honig wilder Bienen nährt
der Milch aus Edens Quellen trinkt.

Kublai Khan / A Vision in A Dream

In Xanadu did Kubla Khan
A stately pleasure-dome decree :
Where Alph, the sacred river, ran
Through caverns measureless to man
Down to a sunless sea.

So twice five miles of fertile ground
With walls and towers were girdled round :
And there were gardens bright with sinuous rills,
Where blossomed many an incense-bearing tree ;
And here were forests ancient as the hills,
Enfolding sunny spots of greenery.

But oh ! that deep romantic chasm which slanted
Down the green hill athwart a cedarn cover !
A savage place ! as holy and enchanted
As e'er beneath a waning moon was haunted
By woman wailing for her demon-lover !

And from this chasm, with ceaseless turmoil seething,
As if this earth in fast thick pants were breathing,
A mighty fountain momently was forced :
Amid whose swift half-intermitted burst
Huge fragments vaulted like rebounding hail,
Or chaffy grain beneath the thresher's flail :

And 'mid these dancing rocks at once and ever
It flung up momently the sacred river.
Five miles meandering with a mazy motion
Through wood and dale the sacred river ran,
Then reached the caverns measureless to man,
And sank in tumult to a lifeless ocean :
And 'mid this tumult Kubla heard from far
Ancestral voices prophesying war

The shadow of the dome of pleasure
Floated midway on the waves ;
Where was heard the mingled measure
From the fountain and the caves.
It was a miracle of rare device,
A sunny pleasure-dome with caves of ice !

A damsel with a dulcimer
In a vision once I saw :
It was an Abyssinian maid,
And on her dulcimer she played,
Singing of Mount Abora.

Could I revive within me
Her symphony and song,
To such a deep delight 'twould win me,
That with music loud and long,
I would build that dome in air,
That sunny dome ! those caves of ice !
And all who heard should see them there,
And all should cry, Beware ! Beware !

His flashing eyes, his floating hair !
Weave a circle round him thrice,
And close your eyes with holy dread,
For he on honey-dew hath fed,
And drunk the milk of Paradise.

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#2

RE: Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 05.04.2016 20:17
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Zitat von Sneaker im Beitrag #1

Kublai Khan / Eine Vision im Traum / S. T. Coleridge

Mit Xanadu schuf Kublai Khan
ein Traumschloss, stolz und hehr,
Dort brach der Urquell Alph sich Bahn
durch Grotten, die kein Mensch ersann,
zum sonnenlosen Meer.

Wehrturm und Wall umringen stolz
zehn Morgen reiches Gartenland,
wo Fliederduft und Sandelholz
sich mischt mit Nachtigallenschlag
aus einem Hain, der dort schon stand,
im Licht vom ersten Schöpfungstag.

Im Zederndunkel teilt die Schlucht
den Hügel wie ein Schlangenleib
halb heiligend, halb wie verflucht,
als ob beim Sichelmond ein Weib
beschwört des Höllenliebsten Leib.

Aus dieser Schlucht, die ewig dröhnt
als ob das Land gleich Drachen stöhnt
schnellt sich ein Springquell hoch, erbricht
gezackten Fels und Kies ins Licht
der teils als Hagel auf die Welt,
teils wie die Spreu vom Flegel fällt.

Vom Tanz der Felsen unterm Dom
des Himmels fließt der heilge Strom
määndernd wohl fünf Meilen quer
durch Auen, Gärten, reichen Tann,
zu Grotten die kein Mensch ersann,
stürzt dann sich in ein totes Meer.
Und Kublai hört darin von weit
Kampf, den ein Vorfahr prophezeit.

Der Schatten des Palastes streicht
die Wogen sacht im Spiegelbild,
und Quell und Grotte mischt sich leicht
zum Lied des Wassers, murmelnd mild,
das leis verklingt mit Widerhall,
im Schloss aus Licht und Eiskristall.

In einer Vision ersah
ich dort bei süßem Harfenklang
aus fernem Abessinia
ein Mädchen sitzen und ihr Sang
erzählt vom Berge Abora.

Könnt ich zum Leben dieses Lied
in mir erneuern irgendwie
Musik und Stimme, Gras und Ried
dann ließe mich die Harmonie
das Schloss erbauen in der Luft
das Schloss aus Licht und Eiskristall
so dass es jeder sieht--- und ruft:

Gebt acht auf ihn: Sein Lockenhaar
umwallt ihn dreifach und sein Blick
gleicht einer Flamme die versehrt
so weicht vor ihm zurück, zurück
den Honig wilder Bienen nährt
der Milch aus Edens Quellen trinkt.


hallo Sneaker

als Nachkomme Kublai Khans, mütterlicherseits, muss ich das ja jetzt kommentieren.

schon die erste Strophe ist im Vergleich zur Wikipedia-Translation (https://de.wikipedia.org/wiki/Shangdu_(Yuan-Dynastie)) um Längen besser.
auf „sonnenloses Meer“ für „sunless sea“ wäre ich zum Beispiel nie gekommen, obwohl es so nahe liegend scheint. jetzt fügt es sich so stimmig in die Strophe als müsste es so sein. so und nicht anders.

S2 hätte ich anders begonnen:
Bald zwei Fünf-Joch best Ackerland
mit Wällen, Türmen hoch umsäumt / umgürtet

und stocke dann weil ich nicht weiter weiß und auch nicht verstehe aufgrund welchen Wortes du die Nachtigall eingebaut hast.

die dritte Strophe dann ist fantastisch. alleine dafür hat sich das Lesen hier schon für mich gelohnt: solch eine üppig-bildhafte Beschreibung einer Landschaft, dass es eine Freude ist: als würdest du eine Skulptur, oder gleich die Vulva der Venus herself beschreiben, als Hügel der sich in der Landschaft wölbt. wirklich toll gemacht. das musste ich mehrfach lesen um es zu savourieren. da ist ja Coleridges Original bald schwächer (oder ich kapier es nicht völlig). einzig den Coleridge-Demon halte ich für stärker als den „Höllenliebsten“. der demon erinnerte mich an Poes „Alone“ mit dessen schöner letzten Zeile: a demon in my view.


S4: beim mäandern hast du zwei Punkte zu viel.
in der letzten Zeile beugt sich mir der „Kampf“ unschön in den Jambus. Vorschlag:
den Kampf, vom Vorfahr prophezeit.

S5: wieder ein gelungenes Klanggebilde. sogar im gleichen Reimschema wie das Original. mein Highlight hier: die m-Alliterationen mit dem murmelnden Höhlenwasser.

S6: hast du bei der Maid nicht den Dulcimer vergessen? dachte ich zuerst. aber dann dämmerte mir, dass der Dulcimer kein männlicher Part ist, sondern die olle Harfe. nun, jedenfalls wird es mir aus der kurzen Strophe nicht klar, dass das Mädchen die Harfe spielt. es schien mir als sei da noch jemand anwesend.

S7+8: im Original überschlagen sich ja die Lettern geradezu vor Anbetung, vor erhabener Klangfarbe in den maskulinen Kadenzen. ich musste nachzählen weil du in den einzelnen Zeilenzahlen abweichst, aber insgesamt sind es wirklich nur dreizehn Zeilen (wie im Original) mit welchen du es schaffst gekonnt nachzubilden. Lockenhaar, trinkt und Eiskristall bleiben zwar Waisen, helfen aber beim Malen. ginge es möglicherweise „labt“ als letztes Wort zu nehmen, anstatt des „trinkt“? ich weiß nicht. vielleicht so:
aus Edens Quell mit Milch sich labt.
nein, das klingt nicht so gut.

aber andere Satzzeichen braucht die Grammatik hier noch vielleicht. auch die Ausrufezeichen beim doppelten zurück würde ich gerne gesetzt sehen:

Gebt acht auf ihn: Sein Lockenhaar
umwallt ihn dreifach und sein Blick
gleicht einer Flamme die versehrt - <=
so weicht vor ihm ⎯ zurück! zurück! ⎯ <=
den Honig wilder Bienen nährt, <= Komma
der Milch aus Edens Quellen trinkt.

ansonsten, wirklich gelungene Arbeit, Sneaker. hat mir sehr gefallen.

Willkommen im Forum!
Alcedo


e-Gut
zuletzt bearbeitet 05.04.2016 20:19 | nach oben

#3

RE: Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 06.04.2016 19:32
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Ein großes Kompliment für diese gelungene Übersetzung. Gereimtes gereimt zu übersetzen und dann noch dem Original adäquat - das ist wirklich schwer. Chapeau!

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#4

RE: Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 07.04.2016 13:05
von Sneaker | 86 Beiträge | 171 Punkte

Hallo Alcedo,

nachdem du mich schon mit deiner Einladung gebauchpinselt hast, bin ich mal gefolgt. Ich hab eins meiner älteren Stücke genommen, das seit längerem in der Kiste "zu überarbeiten" steckt und habs gepostet. ERwartungsgemäß hast du mich auch die Stellen hingewiesen, mit denen ich auch nicht zufrieden war.

Insbesondere der "Nachtigallenschlag" ist eine Peinlichkeit gewesen. Im damaligen "rush" des ÜBersetzens habe ich reels für rills gelesen und dann aus der Melodie, die einem reel unterliegt, Nachtigallenschlag draus gemacht und schon war der Patzer perfekt.

Bei den letzten 13-Zeilen am Schluss bin ich mir nicht sicher, ob ich die Waisen entwaisen kann. Aber ein Versuch ist es allemal wert.

Hallo der Hannes

Vielen Dank für das Lob, auch wenns schmeichelhafter ausfällt als ichs verdiene

lG
Sneaker

p.S. @ alcedo Das Poegedicht mit dem Dämon hab ich auch irgendwo im Fundus :)

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#5

RE: Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 07.04.2016 13:59
von Sneaker | 86 Beiträge | 171 Punkte

FÜr S2 vielleicht so:

Zweimal fünf Morgen Flur und Rain,
schließt er mit Wall und Türmen ein,
zahlloser Bäche Lauf durchzieht
die Gärten busch-und blumendicht
und alter Wälder Urholz sieht
auf Lichtungen voll Sonnenlicht.

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#6

RE: Kublai Khan / S.T. Coleridge / Übersetzung

in Übersetzungen/Übertragungen/Lyrics 08.04.2016 19:12
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

Zitat von Sneaker im Beitrag #5


Zweimal fünf Morgen Flur und Rain,
schließt er mit Wall und Türmen ein,
zahlloser Bäche Lauf durchzieht
die Gärten busch-und blumendicht
und alter Wälder Urholz sieht
auf Lichtungen voll Sonnenlicht.

ja, das ist besser, Sneaker!
vor allem die letzten beiden Zeilen, wo das Urholz schaut, sind mir das Highlight. die ersten drei Zeilen müssen sich aber noch anfangs in den Jambus beugen.

meine Version würde so aussehen (leider nur Assonanz in der ersten Paarung):

Bald zwei mal fünf Joch Ackerland
mit Wällen, Türmen hoch umflankt;
gewundner Bäche Lauf durchbricht
der Gärten Bunt- und Heidekraut
und dichtgewachsner Urwald schaut
auf Schonungen voll Sonnenlicht.


freut mich dass du auch manchmal einem „rush“ unterliegst beim dichten.

Gruß
Alcedo

edit:
hatte ich glatt vergessen: du erkennst ja meine geheimsten Wünsche. dein Edgar Allan Poe - Alone? ja, bitte!


e-Gut
zuletzt bearbeitet 09.04.2016 07:37 | nach oben


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