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Neue Sachlichkeit...
in Düsteres und Trübsinniges 14.10.2015 12:05von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Besser sie töten geschwind,
Fässer, die krachend platzen,
Über der Stadt singt der Wind,
Gleich dem Miau der Katzen.
Mutter zerlegt, Messer schnitt,
Vater enthauptet, durchsiebt,
Esel, der keinen mehr tritt,
Mädchen, das keinen mehr liebt.
Häuser zerfallen im Spiel,
Straßen mit Blumen aus Stein,
Kleines und Großes im Ziel,
Hier wuchs Olive und Wein.
Hände, die greifen sich an,
Beine vertauschen beim gehn,
Wo ist ein Ausgang und wann?
Raus hier, nur bleibe nicht stehn.
Endlich das Boot und das Meer,
Stehen sie stocksteif gedrängt,
Vorwärts ins Nichts, keine Kehr,
Wer hat sich gestern erhängt?
.........................................
Püppchen mit blassem Leib,
Zärtlich vom Drücken zerpresst,
Jetzt, wo der Tod Zeitvertreib,
Trauma in Lager entläßt.
RE: Neue Sachlichkeit...
in Düsteres und Trübsinniges 16.10.2015 11:05von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Zitat
Besser sie töten geschwind, Fässer, die krachend platzen, Über der Stadt singt der Wind, Gleich dem Miau der Katzen.
Mutter zerlegt, Messer schnitt, Vater enthauptet, durchsiebt, Esel, der keinen mehr tritt, Mädchen, das keinen mehr liebt.
Häuser zerfallen im Spiel, Straßen mit Blumen aus Stein, Kleines und Großes im Ziel, Hier wuchs Olive und Wein.
Hände, die greifen sich an, Beine vertauschen beim gehn, Wo ist ein Ausgang und wann? Raus hier, nur bleibe nicht stehn.
Endlich das Boot und das Meer, Stehen sie stocksteif gedrängt, Vorwärts ins Nichts, keine Kehr, Wer hat sich gestern erhängt? .........................................
Püppchen mit blassem Leib, Zärtlich vom Drücken zerpresst, Jetzt, wo der Tod Zeitvertreib, Trauma in Lager entläßt.
Hi Otto,
diese Zeilen liefern interessante Assoziationsketten. Doch hat die knappe Ausdrucksweise ihre Tücken.
Der so mögliche grammatische Bezug führt in ungewollte Komik. Ich nenne mal ein paar Beispiele:
S1Z1 und Z2 sollte mit einem Punkt enden. Sonst wird platzenden Fässern angeraten geschwind zu töten.
In S2Z2 enthauptet - aktiv - der durchsiebte Vater die Esel und ungeliebte Mädchen.
S3Z4 Hier verlangt der Plural sein recht: Hier (besser: Einst) wuchsen Oliven und Wein.
In S5 stehen Boote und Meere stocksteif gedrängt, also nebeneinander - ja wo? Am Straßenrand?
Die letzte Strophe verstehe ich überhaupt nicht. Puppen sind sachlich betrachtet Gegenstände. Der Tod,
der sie nicht betrifft, traumatisiert allenfalls ihre ehemaligen oder neuen Besitzer.
Die Intention des Gedichtes habe ich nicht verstanden. Aber vllt kannst du es erklären. HG - mcberry
RE: Neue Sachlichkeit...
in Düsteres und Trübsinniges 16.10.2015 21:56von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Das mit dem Punkt ist zu berichtigen.
Das Übrige bitte ich noch einmal durchzugehen.Hier geht es um Lyrik. Um verschiedene Ebenen. Ich bin nicht der Leser, ich lasse Dir also Deine Lesart, was meine Intention angeht. Meine ist: Das Thema Flüchtlinge ins Bewußtsein zu rücken. Puppen stehen für Gefühlsbefindlichkeit von Kindern. Für Kinder sind die Puppen nicht nur Sachen, sondern Blitzableiter ihrer Gefühle.
Das Gedicht ist ein Beispiel für die " Neue Sachlichkeit". Keine romantisierende Auslassung aus Verdrängung wie im klassischen Bürgertum, wie bei H. Heine. Politisch einmischend. In der Tat: Ich sah Boote und Meer, sah sie bedrängt, Meer, Boote, Menschen. Stocksteif waren die Menschen, das wird in der Folgezeile, Strophe 3, Z. 3 konkretisiert. Wer anders als die Menschen stehen stocksteif in den Booten... vom Meer... bedrängt? Ich sah sie jeden Morgen auf Samos. Keine Zeitungsschlagzeilen waren das, lieber Mc. Laß mal ein bißchen Deine Verkopftheit beiseite, auf der Insel Samos behauptet sich der
Satz des Pythogoras nicht mit einer mathematischen Formel. Dort sah ich die Flüchtlinge, die ihre Boote zerschnitten, weil sie fürchteten, daß sie nach Syrien zurück müßten. Über ihnen Hubschrauber, während sie in der brennenden Morgensonne an der Dorfkirche vorbei taumelten, flankiert von armierten Soldaten, während die Priester aus der Dorfkirche ihnen Wasser und Brot vorenthielten, sie nicht in die Busse einsteigen durften.
Na ja, lieber Mc, wir hier wissen es nicht. "Wir schaffen das schon", ohne die Püppchen für die Kinder. Weißt Du eigentlich was eine Flucht ist?
Gruß otto
RE: Neue Sachlichkeit...
in Düsteres und Trübsinniges 19.10.2015 13:50von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
ob ich weiß ....
bin ich doch schon lebenslänglich und nimmermüde auf der Flucht vor inneren und äußeren Schrecken.
Vor dem Lärm ebenso wie dem abgrundtiefen Schweigen. Vor Finsternis ebenso wie der unbarmherzigen
Helligkeit sirrender Neonlampen. Vor der Entbehrung neben einer nicht platzen wollenden Verstopftung.
Willst du bestreiten, hoher Anhänger der Dichtkunst, daß Leben bedeutet, sich auf der Flucht zu befinden?
Ach so, du meinst politische Verfolgung?
Zu banal. Kriegen auch Dumpfbacken geliefert und werfen sich dann im und nach dem Knast in die Brust.
Oder meinst du Krieg, Terror, Bomben und unterwegs auf unwegsamem Gelände?
Seltsame Frage, denn wenn ich hier tippen kann, dann lebe ich ja noch ...
Hätte mich wer ausgebombt, wäre ich an Entsetzen, daß sowas wirklich und dann auch noch mir passiert,
an Verbrennung und Erfrierungen, durch Verlaufen wegen unzuverlässiger Navigationsanweisungen - die
Karten wieder viel zu lange nicht upgedatet -, aller spätestens aber am Psychoterror einer sog. Transitzone,
also bereits mehrfach krepiert.
Will sagen: Die Härte, mich auf der Straße durchzuschlagen, wurde während meiner Sozialisation leider
ungenügend berücksichtigt. Man gewann so mehr Zeit für die schöngeistigen Sachen. Wie Humanistik ...
Beantwortet das jetzt die eingangs gestellte Frage oder schweife ich mal wieder unzulässig ab? HG - mcberry
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