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RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 20.09.2015 01:13von Joame Plebis • | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte
Traurig nun ja, in lyrischer Tradition, und leider unvermeidlich, liebe Dichter,
denn der Sommer muß begrenzt sein, sonst wäre er selbstverständlich und ohne Eigenart.
Das Geschenk des Lebens kostet immer unser Blut und den Tod, so erst wird es selten und kostbar.
Mit gefallen die Zeilen außerordentlich.
Darum nominiere ich "Die Nachtigall" schon mal als Kandidat für unser Herbstgedicht. Grüße von Yaya
Zitat
Wenn der Blütenschimmer der Kirschbäume länger währte wie ein paar Tage, wir würden so innig ihn nicht lieben.
/japanische Weisheit
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 28.10.2015 13:07von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Sehr schön, Gheggrun,
die Verse sollten sich korrekt aufstellen, wenn sie schon nominiert sind.
Eine klare Sprache ist immer von Vorteil, außer eine Doppelbedeutung spielt mit dem Leser.
Sieh dir S2 noch mal an: Grammatikalische Verschiebungen zugunsten lyrischer Zeilenstruktur sind
erlaubt, aber manchmal kaum nötig. - Zuviel Überarbeitung tut aber auch nicht Not. HG - mcberry
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 28.10.2015 15:13von otto • | 637 Beiträge | 645 Punkte
Lieber Gheg!
Das Gedicht ließ mich an das Märchen " Die Rose und die Nachtigall" von O.Wilde denken. Die Liebe kommt oft mit Blut und Schmerz daher. Oder sie endet damit. Aber was wäre die Liebe ohne das Risiko? Jedenfalls scheint mir, daß
sie nicht eine Frage des Glückes ist, sondern ein Gesamtkunstwerk des Lebens, das beständig restauriert werden muß, damit es seine Schönheit aus dem Erleben behält. Das schließt auch die Verwundbarkeit einer Nachtigall ein, die sich in den stachligen Fängen einer Rose verletzt ( Rose als Metapher für die Liebe, die auch verletzen kann).
Ich dachte auch an die Sirenen des Odysseus, der sich seine Ohren mit Wachs verklebte, sich an den Schiffsmast binden ließ, weil er weise genug war seine Schwächen zu achten: Er widerstand einer Verführung und fand zurück zu seinem Zuhause.
Gruß otto
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 28.10.2015 17:30von gheggrun • | 377 Beiträge | 377 Punkte
Servus, mcberry und otto!
S2 habe ich etwas verändert und hoffentlich verbessert. Danke für den Hinweis. mcberry!
Otto, meine ursprüngliche Absicht war es, darauf hinzuweisen, daß man Nachtigallen nicht
mehr hört, - wenn überhaupt, dann wohl nur sehr selten. Die Assoziation mit Liebe ergab
sich eher automatisch. Aus einigen Versionen ist durch Reduzierung dann dieses Gedicht
geworden, aber die Ursachen für "bis auf's Blut"-leiden oder -tun fielen durch den Prozess
der Verkürzungen in diesem Text weg. Nun erscheint er vllt. etwas süßlich/sentimental.
Vielen Dank Euch Beiden für die Beschäftigung mit dem Text und Eure Kommentare!
Hastanirwana
GHEG
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 01.11.2015 15:23von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte
Zitat von gheggrun im Beitrag #1
Was ich nie wieder fand
Die Nachtigall
sang nachts ein Lied
verliebt in Klang
und Widerhall.
Vom Schnabel lief
ein Tropfen Blut,
der in die Erde drang.
Die Nachtigall
am Morgen schwieg.
Vor Sorgen bang
nach ihrem Fall
mich bald verließ
der Sangesmut.
Der Sommer war nicht lang.
hallo gheg
hat dich hierzu Storms Nachtigall inspiriert?
Die Nachtigall
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Sie war doch sonst ein wildes Blut
Nun geht sie tief in Sinnen,
Trägt in der Hand den Sommerhut
Und duldet still der Sonne Glut
Und weiß nicht, was beginnen.
Das macht, es hat die Nachtigall
Die ganze Nacht gesungen;
Da sind von ihrem süßen Schall,
Da sind in Hall und Widerhall
Die Rosen aufgesprungen.
Theodor Storm (1855)
ja, wahrscheinlich. vielleicht hattest du Storms Text mittlerweile vergessen, und jetzt sagst du: ja, das hatte ich mal.
macht nix. es ist unerheblich wie es entstanden ist, denn du machst es hier tatsächlich besser. du hast das olle zweimalige Das-Die-Da-Da-Die gestrichen, die blöden Rosen gekickt, das Metrum verschlankt, variiert und lediglich die Essenz extrahiert: Klang&Wiederhall, Nacht, Sommer und Blut und den Sänger natürlich.
es ist eine hübsche Hommage geworden, an den Singvogel par excellence: unsere Nachtigall. wusstest du, dass die Japaner uns um sie beneiden? die Amis auch, ja. es gibt sie ja nur im kontinentalen Eurasien und auf einem schmalen Nordafrikanischen Streifen. auf dem Zug auch in Afrika, aber ob sie da so anhaltend singt?
das mit dem Sangesmut, in der zweiten Strophe, stand das nicht mal anders da?
ich fand/fände es so besser:
Die Nachtigall
am Morgen schwieg.
Vor Sorge bang
nach ihrem Fall
mich Sangesmut
alsbald verließ.
Der Sommer war nicht lang.
ich hatte es nämlich so verstanden, mit folgendem Ablauf:
die Nachtigall singt nachts aus vollem Hals.
am nächsten Morgen fehlt was, denn eine Katze, oder ein Marder, oder ein sonstiger Beutegreifer hat sie zwischenzeitlich (in der ersten Strophe, also des nachts) abgemurkst (zwei kräftig zupackende Kiefer lassen hin und wieder wirklich einen hellen Blutstropfen aus dem Schnabel austreten, der kurz davor noch durch die Lunge des Tieres mit Sauerstoff angereichert worden war. das hatte ich schon gesehen und das Bild erschien mir sofort bei deinem Vers).
das lyrische Ich merkt es aber erst im Verlauf des Tages, genauer in S2/Z4 bei der Kadenz „Fall“.
die böse Vorahnung hatte es aber schon die Zeilen davor begleitet.
nun ist Trübsal blasen angesagt. allerdings steckt in alldem das Paradoxon des vorliegenden Textes: man kann ja die ersten vier Zeilen der ersten Strophe nochmals lesen, beziehungsweise, sie sind ja bereits schon konsumiert und werden übers Kurzzeitgedächnis ne Weile präsent bleiben.
zusammen mit der starken letzen Zeile ergibt das: ja, in dulci jubilo: der Sommer ist nie lang, das Leben per se ist kurz, ergo: lebe, Leser, lebe! (wirklich sehr schön, in ihrer lapidaren Schlichtheit, die letzte Zeile: Der Sommer war nicht lang.)
tja, so mache ich also aus Luscinia gerne einen Phoenix. denn sollte sie auch an einer bestimmten Stelle verschwunden sein, als einzelne Population, oder als Individuum, ihr Habitat ist noch häufig genug. die Art an sich ist nicht bedroht und wird uns alle und wahrscheinlich auch die gesamte Menschheit überleben. wo die Flussufer urbanisiert werden, rückt sie ab, besiedelt aber sofort Friedhöfe, Parks und Brachen, falls diese wieder genügend Kraut und Brennnesseln aufweisen um die Bodenbrut aufzunehmen und ein paar Hecken um sich zu verstecken - das reicht ihr schon, der Nachtigall. ich habe sie bei Stuttgart singen hören und gesehen, selbst im zersiedelten Neckartal und habe sie im Berliner Tiergarten gehört, unweit des Strassenlärms. aber nirgendwo hat sie mir so schön gesungen wie in der Maroschau. das war auf der anderen Seite der Theiss und der Donau gewesen, etwa auf gleicher Höhe wie Zagreb. und woraus schöpft der Zagreber Wasser? ja, ich kann es also sehr gut nachvollziehen, gheg: nirgendwo sangen die Nachtigallen schöner.
trotzdem solltest du eine bessere Überschrift suchen.
„Was ich nie wieder fand“ wirkt auf mich ziemlich unbeholfen. es beschreibt dieses Verlustgefühl nicht gut genug. Nachtigall und den Artikel braucht es bestimmt und drei jambische Versfüsse wahrscheinlich. wie wäre es zum Beispiel so:
Die Zagreb-Nachtigall
oder
Die Save-Nachtigall
oder vielleicht fällt die was besseres ein: ein Land, eine Ortschaft welche tatsächlich nicht mehr existiert. du findest da bestimmt was, gheg: dann hast du die ideale Überschrift.
gut. kommen wir jetzt dann gleich zum größten Patzer in meinen Augen: in der dritten Zeile tappst du leider voll in die klassische Anthropomorphismus-Falle mit „verliebt“. das ist für mich absolutes no go. ich glaube ich muss einem der weiß dass die Akazien in der Serengeti Pheromone in Windrichtung von Baum zu Baum schicken um vor Fressfeinden zu warnen, ich muss es so einem wie dir wirklich nicht auf die Nase binden, dass der Reviergesang der Luscinia, Reviergesang ist und dazu dient Rivalen abzuschrecken und Weibchen anzulocken. und niemals, wirklich niemals, kann es passieren dass Nachtigallen sich in ihren eigenen Singsang verlieben. sie sind nicht so narzisstisch wie wir, Dichter(sic!). also schmeiss die Vermenschlichung bitte raus. nimm bitte „vertieft“ oder was anderes. aber bitte lass die Nachtigall nicht narzisstisch nach Echo rufen.
ja, natürlich tut sie das mit aller Inbrunst: singen. du hast sie auch dabei beobachtet, nicht wahr? sie sitzt dabei etwa in unserer Augenhöhe, relativ exponiert für die doch sonst so Verborgene, sie öffnet den Schnabel weit, dreht sich dabei in die Richtung der Hauptrivalen, die großen dunklen Augen suchen die Umgebung ab, ihr Kehlgefieder zittert, die Flügel hängen so weit herab, dass der rostrote Bürzel und die Schwanzdecken von allen Weibchen bewundert werden können, und an kühlen Maimorgen sieht man den dampfenden Atem aus der Kehle austreten, beim charakteristischen Schluchzen und dem unmittelbar darauf folgenden, sogenannten Überschlag.
und genau das finde ich am hinreissendsten bei deinem Gedicht, gheg. ich habe darin diesen Überschlag wiedergefunden, ihn herausgehört. bezaubernd wirklich bezaubernd, Kompliment!
und zwar jeweils am Ende der Strophen. du verwendest in jeder Strophe durchweg zweihebige Jamben, katalektisch, also mit männlicher Kadenz. aber in der letzten Zeile gibt es jeweils noch einen zusätzliches Versfuss. das entspricht mir diesem Überschlag, dieser für unsere Ohren überaus reizvollen Tonfolge:
der in die Erde drang.
xXxXxX
Der Sommer war nicht lang.
xXxXxX
wirklich sehr schön.
eventuell könnte in der ersten Strophe, der vitaleren, der, in welcher sie sich im Glauben des lchs, noch am Leben befindet,
noch ein Versfuss zusätzlich möglich sein. zumal die Betonung auf „in“ recht schwach ausfällt.
Vorschlag:
der warm noch in die Erde drang.
xXxXxXxX
das ergäbe in meinen Augen und in meinen Ohren eine hübsche Variation. aber ich bin musikalisch nicht sehr versiert. ich kann Sprosser und Nachtigall kaum am Gesang unterscheiden und nochnichteinmal Zilpzalp und Weidenlaubsänger.
also überlasse ich das dir, der diesen bezaubernden Überschlag hinbekommen hat in diesen Versen.
achja. handwerklich auch sehr geschickt gemacht: die strophenübergreifenden Reimechos mit Hall und Fall und Nachtigall
und Klang und drang und bang und lang. die Assonanzen Lied/lief & schwieg/verließ bilden einen guten Kontrast dazu. Sangeslust und Blut bleiben da herrliche Waisen und paaren sich dabei doch vorzüglich. bravo!
Gruß
Alcedo
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 02.11.2015 15:30von gheggrun • | 377 Beiträge | 377 Punkte
Hallihallo, Alcedo! Wow! Was für eine fundierte Besprechung meines kleinen Textes !
Das muß ich erst mal sacken lassen. Da hast Du mir ordentlich etwas zu denken ge-
geben. Nur so viel schon mal vorab: Dein Vorschlag für S2 entspricht meiner ersten
hier eingestellten Version, und nein, T.Storms Nachtigall inspirierte mich nicht, eher
die Tatsache der Abnahme des allg. Vogelbestandes in meinem hiesigen Weinberg.
Zu "verliebt" in S1Z3: Ich war (bin) verliebt in die Assonanz mit "Lied" in Z2 und
denke über Dein "no go" zu dieser Stelle nach, -ziehe Dein "vertieft" in Erwägung.
Eigentlich ist es ja ein 'Nachtigaller', der leidenschaftlich ( bis Blut vom Schnabel
tropft) singt. Aber für mich ist "Die Nachtigall"eine kleine Hommage für eine Dame,
die, -durchaus etwas narzißtisch veranlagt- u.a. in (Nacht-)Klubs sang, bis ... ..
Die Betonung des unbedeutenden "in" in S1Z7 beseitige ich sofort und streiche die
Zwischenüberschrift ganz. Dein "warm" für S1Z7 füge ich ein, möchte aber keinen
weiteren Versfuß-'Triller' hinzufügen (-müßte dann S2 ja auch verändern).
Solch einen Kommentar wünschen sich wohl viele User dieses Forums. Danke sehr!
Hastanirwana
GHEG
RE: Die Nachtigall
in Ausgezeichnete Lyrik 11.12.2015 15:58von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
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