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Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 01.10.2014 20:50von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
Klage vom Immer Wieder
Abend ist es nun geworden,
in die U-Bahn drängen Horden
von Geschöpfen aus dem Norden.
Weiß und bleich ihr Angesicht,
leuchtet kalt im Neonlicht.
Stille herrscht, weil niemand spricht.
Alle sind in sich gefangen,
trotzen dem, was sie verlangen:
Wärme, Rettung vor dem Bangen.
Gerne wäre jeder munter,
spränge, tollte, lebte bunter.
Doch Erschöpfung zieht herunter.
Draußen huscht vorbei das Dunkel,
vorn im Eck wächst ein Gemunkel:
Jene dort trägt ein Furunkel!
Ganz gehässig fliegen Worte:
Ausgeburten der Retorte,
unerwünscht an diesem Orte!
Niemand wagt zu widersprechen,
mit dem Gruppenzwang zu brechen.
Lieber soll das Herz zerbrechen.
Zitternd steht sie vor der Meute,
taugt dem Mob als fette Beute.
Dauert Elend nicht die Leute?
Wie sie großen Auges sucht
nach dem Ausweg, nach der Flucht -
Hexenjagd! Sie ist verflucht.
Endlich naht die Haltestelle,
fort, nur fort von dem Gebelle,
Würgen, Spucken! Auf der Stelle!
Dieses Mal konnt' sie entrinnen.
Mag sich mancher auch besinnen:
Neue Hetze wird beginnen.
RE: Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 02.10.2014 09:33von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Morgen schon mag es geschehen,
wenn die Winde südwärts wehen:
Ach, sie wird um Gnade flehen.
Hi Hannes,
gute Idee und in balladenartiger Form lyrisch umgesetzt. Hexenjagden bleiben leider aktuell; jeder darf
sich freuen, gerade nicht das Opfer zu sein. Kleinere Formverbesserungen könnten die Strophen glatter
rutschen lassen.
Z. B. S6 bleibt vage, weil es sowohl Hetzer wie erschöpfte Mitläufer geben muß. Auch ist das Vokabular
kein unmittelbares Laborerzeugnis.
Sammeln sich an diesem Orte /Ausgeburten der Retorte, / fliegen messerscharfe Worte.
S8Z3: Das "dauert" als Bedauern umzusetzen und nicht als Andauern aufzufassen kostet den flüchtigen
Internet Rezipienten Zeit. Gerade Aussagen funzen besser: Elend lieben diese Leute.
Nur die Meinung eines Gebrauchslyrik Schreibers. Ich habe das mit Vergnügen gelesen. HG - mcberry
RE: Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 02.10.2014 21:13von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
Hi mcberry,
danke für die gedankenreiche Rückmeldung zu meinem Text und für Deine ebenfalls im Haufenreim geschriebene und metrisch wie inhaltlich passende Ergänzungs-Strophe.
Zu S6: Deinem Vorschlag ist nicht so leicht anzumerken, ob die "Ausgeburten der Retorte" die Formulierung des Autors oder Zitat der gehässigen Worte der Hetzenjäger sind. Meine Fassung ist da deutlicher. Da ich ungern in den Verdacht geraten möchte, als Autor solche Ausdrücke zu unterstützen, habe ich Hemmungen, hier glattere Formulierungen zu wählen. Ausserdem kann man in S6 eine zweite Interpretation wählen, dass die Worte vielleicht die Ausgeburten sind und unerwünscht. Diese Doppeldeutigkeit finde ich reizvoll.
Bei S8Z3 könnte ich mich eher mit Deinem Vorschlag anfreunden. Andererseits ist die Frage eine Art Wechsel der Sichtweise, soll die Lesenden kurz innehalten lassen, damit sie sich selbst fragen. Ich denke da noch mal nach.
Es grüßt
der.hannes
--
Nicht DR. PHIL. :)
hallo lieber der.hannes,
ein spannungsgeladenes werk. eines, was mahnt und nicht weg sieht. die klage wirkt wie eine anklage. dieses "immer wieder" erschrickt und ist doch hochaktuell und brisant. zu schnell gerät vieles ins vergessen vom wegsehen nicht mutiger, nicht widerständiger menschen. ich war kürzlich auf wunsch meiner tochter im kz sachsenhausen und mich bedrückte die atmosphäre des nicht wirklichen hinsehens vieler besucher. als ob ein immer wieder zu immanent ist und uns doch hinsehende mahnt, mutig einzuschreiten, wenn sich geschichte wiederholen will ...
ach, so wollt ich schreiben können.
vlg der munkel
RE: Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 11.10.2014 17:37von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
Lieber munkel,
man darf nicht wegsehen und man muss sich trauen, den Mund aufzumachen.
Ob ich mir das vor einer Bande gewaltbereiter Neonazis zu sagen getraut hätte, weiss ich nicht.
Leider gibt es für viele anscheinend nur ein Ventil für ihre Frustration: Gegen Minderheiten zu Felde zu ziehen. Leider, leider ist das alltäglich in dieser unserer Gesellschaft. Ich habe im Ausland viel Gastfreundschaft erlebt und halte diese in unserem Land weitverbreitete Xenophobie für eine Schande. Wir haben das nicht nötig.
Danke für die Erinnerung daran, dass sich bestimmte Bereiche unserer Geschichte sich sicher _nicht_ wiederholen dürfen.
es grüßt
der.hannes
RE: Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 10.12.2014 19:26von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
RE: Klage vom Immer Wieder
in Ausgezeichnete Lyrik 15.12.2014 11:53von der.hannes • | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte
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