#1

Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 30.07.2014 00:43
von munk (gelöscht)
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Immer weniger Träume nachmittags
aber an den Flügeln der Mühle kämpft die Illusion
von alters her rabenschwarz geteert.
Ein Verliebter sitzt auf einen ungebundenen Mühlstein
und versenkt die offenen Augen in den Bach
Notizenmoder. Der Herbst hechelt wie ein Wiedergänger
und wirft dunkle Lanzen.
Alle Märchenkinder werden nach und nach aufgespießt:
So gewinnt er immer mehr zurück
und morgen will er auch dich
von den Erinnerungen abziehen.
Nur die Malerin sieht mit verschlossenen Ohren
das unstete Klopfen der Schritte und der Liebe
fährt aus ihr heraus wie eine Donna Quichotte
die versponnenen Bilder auf dem Trödelmarkt verkauft,
verlassen die vielen Seelchen ihre Herkunft.

zuletzt bearbeitet 30.07.2014 09:06 | nach oben

#2

RE: Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 31.07.2014 07:14
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Munk,

ein großartiger Text, als Prosa gelesen ein lyrischer Höhenflug. Versetzt Leser "auf einen ungebundenen
Mühlstein" (einem im Original?) und versenkt Gemüter in den abgedunkelten Hintergrund der Existenz.

Grammatisch dreht sich mir auch Z14 um: die versponnenen Bilder zu verkaufen sollte aber in keinem Fall
schwer sein. Sofort gebe ich eine unnötige Bestellung auf. Sind wir nicht alle schon unwiderruflich gelistet?

Platitüden sah ich noch nie als Steine am Rand eines Teiches: Denken fällt schwer und macht müde. Ziehen
Gedanken beim Reinplumpsen Ringe auf der Wasseroberfläche? Hätte ich mich aufraffen können Eleganteres
zu verfassen? Doch läßt das aufgespießte Wildbret auf der Lanze angekündigten Verfalls nur die Abdrücke
entnommener Seelen zu blind und zu müde zurück.
Wikilink: Noesis

Die morbide Schönheit der Verse verleitet zum Weiterspinnen, macht jeden Abgrund gefälliger. HG - mcberry

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#3

RE: Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 31.07.2014 15:24
von salz (gelöscht)
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Hallo Munk,

das ist echt schön gesagt, wie wir unsere Träume verlieren und daß das Leben die Märchenkinder eins
nach dem anderen aufspießt. Die ausverkauften Seelen sind ja ein landläufiges Motiv. Nur bin ich nicht
sicher, wo sie herkommen. Beim Durchlesen der letzten Beiträge hatte ich gerade gelernt, daß sie von
Bäumen fallen. Doch schien die Begriffsklärung, also ihre Heimat, noch nicht endgültig. Salzige Grüße XXX

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#4

RE: Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 06.09.2014 18:12
von yaya (gelöscht)
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Hallo Munk,

das scheint mir zwar ein Herbstgedicht zu sein, aber wenn sich die Natur selbst nicht ganz so streng
an die Jahreszeiten hält, warum sollten wir das tun.
Zeilen generieren Bilder und lassen ihre Leser gleich wieder los, sich Geschichten daraus zusammen-
zusetzen. Wohlwissend, daß fern der Absicht des Dichters eigene Erinnerungen abgezogen zu werden
drohen. Auf dem Trödelmarkt herumkramen wäre vermutlich überstürzt, nicht wissend, wonach denn
gesucht werden soll.
Wahrscheinlich verstehe ich den Text nicht, was mich aber nicht hindert, ihn zu nominieren. Grüße von Yaya

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#5

RE: Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 22.09.2014 14:32
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Mit den besten Glückwünschen, lieber Munkel

zum Ehrenplatz in der Hall of Fame für diese freimütig und beinahe unstrukturiert wirkenden Zeilen,
die schon eine Lanze nach dem Herbst werfen, in die Dunkelheit hinein. Administrativ grüßt - mcberry

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#6

RE: Noesis

in Ausgezeichnete Lyrik 23.09.2014 13:05
von chip | 433 Beiträge | 461 Punkte

congratulatione herr munk

ein traumtiefer text, der durchaus verwirrende grammatikalische wendungen akzeptabel hinlegt:
malerin mit punkt nach ohren? sind die letzten vier zeilen kein eigener satz? na wenn schon, auf
der suche nach einem abgründig versunkenen lI verfalle ich letztlich auf die signatur. tschüs chip

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