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vorfreude
aber dann war da noch diese unsinnige ansage
drängend warnend vor dem geisterfahrer
ganz ohne überholen und nur ganz rechts und
ach so vorsichtig den buick zu lenken
wie immer eintönig die langsam lange sichtbaren
roten lichter rechts die verdeckten halb
in den zwischenbüschen huschenden weißen
und blauhalogegnerischen strahler schräg links
nichts aufregendes selbst in der beschworenen
gefahr kein abenteuer kein gefühlssturm
kein pochendes arterienblut nur behäbig
rinnendes venenviolett in erschlafften hängehäuten
und dann der gedanke an den einen tiefen blick
aus aufgerissenen in aufgerissen lidentblößte
augen hinter milchigen scheiben frontal vor dem kühler
und spannung in allen gliedern nur das steuer nicht
zu verreißen gilt es es schwillt der kamm der einfalt
das echtzeit showdown feeling viel besser als in platten
zuwiderspielen ohne drohung sich gegenseitig die knochen
brechend mit metall die steifen glieder zu zermalmen
ganz ohne angst vor schmerz der kommt nur kurz
und bei hundertundsiebzig hilft kein airbag außer zu über
flüssiger schmerzverlängerung und kein knautsch der zonen
und schon ist man für einen tag berühmt
entkommen aus dem grauen einerlei so vieler einsam
abgefahrner stunden den rechten fuß pedalisch fest
gewurzelt gibt er gas denn bremsen will man lieber
nicht verliert man doch den schwung und auch esprit
und dann erschrickt der traum sich in die welten gegen
das gesetz der großen zahl verblüfft weil just
auf diesen metern ein schwarzer höllenhund den schlund
voll aufgerissen mit nebelleuchten aufgeblendet naht
und fänge chromisch angestrahlt vom licht des buicks
wie blaugestählte zahnbewehrte kiefer sich ungebremst
beschleunigt ungehemmt durch einsicht rotgeränderte
pupillen als katzenaugen sich zum wahnsinn saugen
und magisch dreht sich wie von selbst das steuerrad zwingt
buick und fahrer weit nach links so wie zum überholen
und schon dröhnt in den ohren das vertraute hol över fährmann
- da zuckt und blinzelt angstvoll jener unbekannte kein
stolz hält ihn auf kurs der schwarze panther schlingert
auf asphaltstaub braust nach links gerissen
rechts am buick vorbei und rast von keiner planke
aufgehalten den abhang bis ins kalte grab des sees hinab
und matt lenkt er den buick erschlafft jetzt ohne druck in seinen
adern von neuem stumm und einsam durch lebenswüsten
mit graugetrübten augen wieder blicklos schon
in der nächsten kurve dreht er rasch das radio lauter
Hallo der.hannes.
Ein Gedicht, das bei mir gemischte Gefühle hinterlässt. Ich musste es zumindest zweimal zu lesen, sonst wäre es komplett an mir vorbeigegangen. (Eigentlich bedenklich, dass ich so was schreibe - Wie viel Zeit nimmt man sich heute noch für ein Gedicht?)
Ich mag Texte, die beim ersten Lesen schon überzeugen und mitnehmen. Deiner hinterließ mir beim ersten Lesen nur den Eindruck, dass ich ihn "zu schwierig" finde oder auf jeden Fall schwer verdaulich. Warum, dazu gleich mehr.
Zunächst, um sicher zu sein, dass wir vom gleichen sprechen, ein grober inhaltlicher Abriss: Da fährt wohl jemand, dem sein Leben zu langweilig geworden ist, vermutlich eine dieser endlosen amerikanischen Straßen entlang, die ewig geradeaus gehen. Im Radio die Meldung über einen Geisterfahrer, die den Protagonisten aber nicht rühren kann, da er so sehr auf sein eigenes Leben, man möchte sagen, auf die Enge seines eigenen Autos konzentriert ist. Als dann der Geisterfahrer kommt und sich knapp am Protagonisten vorbei zu Tode fährt, bleibt er trotz dieses markanten Ereignisses ungerührt und fährt einfach weiter, macht sogar das Radio lauter. Offensichtlich jemand, der mit der Welt nichts zu tun hat, und die Welt hat auch nichts zu tun mit ihm.
12 Strophen hat dein Gedicht. So ab Strophe 8, finde ich, wirds spannend. Vorher bin ich ehrlich gesagt fast abgebogen. Da bringst du zu wenig in zu künstlerischer Sprache ("blauhalogegnerisch", "einsam abgefahrner Stunden") auf zu viel Raum. Man merkt zwar deine Kreativität - Aber mich als Leser hast du in den ersten Strophen fast verloren. Ich könnte mir aber vorstellen, dass du genau das beabsichtigt hast - Schließlich geht es ja auch bei der erzählten Person um so etwas wie Langeweile, unbeteiligt sein, abdriften, während draußen was anderes spielt.
So ab Strophe 9, finde ich, kommst du auf Linie, und die Strophen sind besser bepackt. Ab da bleibe ich auch "online".
Die Sache mit den Farben fällt auf. Auf die hast du gewiss einen besonderen Wert gelegt - leider kommt der Effekt nicht an bei mir und verhungert in den ersten acht Strophen.
Insgesamt bleibt mir leider der Eindruck, dass du ein bisschen zu viel gewollt hast mit diesem Text. Erst nach etwa zwei Drittel bin ich mit dem Text warm geworden, und das erst beim zweiten Lesen. Die Farben-Geschichte verliert sich neben der mir zu kreativen Sprache, sodass ich das Gefühl bekomme, dass du hier eine Menge Brennstoff für wenig verheizt.
Die "einsam abgefahrnen Stunden" nehme ich mir aber als Bonbon mit. Das ist ein wirklich toller Gedanke mit so vielen Facetten.
Gruß
Maria
Happy people have no stories. (Therapy?)
Liebe Maria,
Prosaische Lyrik oder lyrische Prosa, das ist hier die Frage. In beiden Fällen wird eher eine kurze Geschichte dramatisiert, mit ähnlichen, aber doch verschiedenen Mitteln. Die ersten Strophen geben das Setting vor, die Handlung der letzten Strophen ist damit eingebettet. Wenn ich Dich richtig lese, ist Dir die Vorbereitungsphase zu lang und zu sprachkreativ.
Sprachlich habe ich sicherlich etwas experimentiert, aber nicht ohne Gedanken an die Story. Zum Beispiel in Strophe 2 "blauhalogegnerischen": Dies bereitet schon den Showdown mit dem Geisterfahrer vor. Letztlich sind diese wenigen Experimente der Grund, warum ich den Text eher aus Lyrik denn als Prosa einstufe.
Der Showdown ist übrigens ein bewusstes Fahrmanöver des Buick-Fahrers, er geht auf Kollisionskurs. Der Geisterfahrer weicht im letzten Moment aus und stirbt.
Ich hoffe, das ist so bei Dir angekommen, bei der Zusammenfassung, die Du gibst, ist mir das leider nicht ganz klar.
Ich gehe mal im folgenden davon aus. :)
Warum der abgeschlaffte Kilometerfresser sich auf diesen Nervenkitzel einlässt, ja alles in Kauf nimmt für den eventuellen "Knalleffekt", ist nach meiner Meinung ohne die einleitenden Strophen 2-7 nicht recht nachvollziehbar, diesen ersten Gedanken, aus der Eintönigkeit auszubrechen, sich zu befreien, selbst wenn dies seinen Tod bedeuten sollte.
Wenn für Dich wirklich erst ab Strophe 9 etwas lesbares passiert ist, ist der Spannungsaufbau in Strophen 1-8 mir entweder nicht geglückt, oder bei Dir gar nicht oder nur unterbewusst angekommen.
Ist es also wirklich nur epische Breite und "eine Menge Brennstoff für wenig verheiz(en)"? Immerhin geht es um eine - von den Fakten her - "krasse Story", die man ganz kurz zusammenfassen könnte als
"gelangweilter Autofahrer spielt Geisterfahrer für einen Geisterfahrer und langweilt sich weiter, nachdem der andere beim Showdown tödlich verunglückte". Die muss doch in sich schlüssig dargestellt werden.
Die "einsam abgefahrnen Stunden" mit "so vielen Facetten" noch in anderen Gedichten auszubauen, nehme ich auf jeden Fall aus Deinem ausführlichen Kommentar mit. Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast, Dich mit diesem eigenwilligen Gedicht auseinanderzusetzen und die Gedanken dazu mitzuteilen.
Ich bin gespannt, ob sich hierzu noch andere Leser äußern.
Es grüßt
der.hannes
Hallo der.hannes,
ich muss dir sagen, mit Genre-Zuordnungen halte ich mich meist nicht mehr lange auf. Ein Text wirkt oder wirkt nicht, das ist im Grunde das, was für mich zählt. Trotzdem habe ich Respekt für auch handwerklich gut gemachte Formen, vielleicht gerade, weil ich sowas selbst nicht (mehr) kann. Vielleicht lern ich's irgendwann wieder...
Aber: Ja, die "Vorbereitungsphase" ist mir tatsächlich zu lang und ein wenig zu kreativ. Ich bin da immer noch der Meinung, weniger wäre hier möglicherweise mehr gewesen.
Was du als deine Intention beschreibst, dass der (beinahe) Zusammenstoß gewollt ist und sozusagen "heraufbeschworen" wird, kam bei mir tatsächlich überhaupt nicht an. Von meiner Warte aus liegt es leider daran, dass die Aussage ein bisschen in deiner eigenen Kreativität absäuft, zumindest in den Strophen 1-8. Aber das hatte ich ja schon geschrieben, so in etwa. Für weiteres dazu wird man auf die Meinung anderer Leser warten müssen, die mich in der Tat auch interessiert.
Der Gedanke, so wie du ihn aufrollst, ist aber sehr reizvoll und gibt dem Gedicht noch einen ganz anderen Dreh. Wer ist nun der wirkliche Geisterfahrer? Man könnte dann die Radiomeldung als eine Prophezeiung über den Werdegang des Protagonisten verstehen.
So weit -
Gruß
Happy people have no stories. (Therapy?)
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