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neulichmenschlich
in Zwischenwelten 17.07.2012 01:29von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
neulich war wieder alles wirr.
da stand die welt kopf und ich hatte keinen mehr.
neulich war alles anders und doch gleich, ungleich.
neulich regte sich wieder wer über die verkäuflichkeit des selbst auf, ein bisschen nur und am rande – mit dem immer währenden fazit auch der mensch sei gleich, sich.
immer und sowieso.
sich gleich, und ich schüttelte nur mein ergrautes, um des ungleichen ahnend, welches sowieso haltlos durch die gegend schlingert, auch immer und sowieso, und glitt dabei ein wenig ins klischee der träume, nein, des sehnens – wobei vehement das herz hält, was es verspricht.
in diesem haltlosen stolpern der infarkte, fiel ich mal wieder gewaltig von einer reanimation in’s nächste koma, schlag auf schlag mit pause.
neulich.
da zwitscherte im kopf die blauvogelstimme, heute ist es so. ich hörte von deinem tod.
ein stück des meinen.
in einem moment des schweigens, ganz klein, hielt neulich die zeit inne, atmete nichts.
real.
natürlich.
natürlich? -was kann daran natürlich sein, zu wissen?
zu wissen, dass jeder denkt, soweit er schaut – und der blick eben begrenzt ist.
neulich war ich wieder wie wer anders, der ich nicht bin.
das ist vorbei und doch nicht.
neulich wusste ich, dass gefühl weiter geht als nur bis zum horizont.
gestern dachte ich, das aber wäre unlogisch. heute zweifelte ich. es ist unlogisch.
unzulängliches neulich, unglaubwürdiges wissen, unwissendes ich.
neulich war ich dämlich und bin es noch.
was bleibt ist neugier, auch wenn sie meist schmerzt und neulich in melancholie absaufen lässt.
neulich hatte eines meiner ichs einen rettungsring, heute braucht es schirme gegen hagel.
mal sehen was morgen kommt.
oder nicht?
©
16.07.2012
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neulich hatte ich es satt immer der meckerkopp zu sein.
neulich las ich wieder vom bunten herbst in traurigen bildern.
neulich wollte ich wieder meinen mann stehen, obwohl ich keiner war, die welt verbessern trotz der ohnmacht.
neulich jammerte ein fiktives ich über befindlichkeiten.
manchmal war es meins.
neulich berührte mich mal wieder etwas, das in alten kindertagen der vergessenheit schlummerte, um gleich darauf komatös nebenher zu laufen und nur noch leise zu pieksen.
neulich war ich wer anders als jetzt.
da liebte ich wieder, endlich, ich meine so verliebt liebte ich, weil lieben an sich tue ich sowieso - generell. jaja, ich bin ganz trunken, da, neulich, war ich abgesoffen.
heute bin ich ich.
gestern war ich männlich, heute weiblich, morgen distanciert, übermorgen echauffiert und vorgestern war ich kind, vollfühlend, was ich auch wieder sein werde.
jetzt bin ich blind...
wer hat mir nur meinen stock geklaut? das geht doch so nicht!
©
15.06.2012 (überarbeitet)
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: neulichmenschlich
in Zwischenwelten 17.07.2012 19:56von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte
Klasse, Gb, der Text gefällt mir sehr.
Von Zeile zu Zeile rückwärtslaufende Tagebuch Chronologie bis ein Schlußvers uns den Schreiber enthüllt:
Den Blinden ohne Stock.........der jammert in allen Schattierungen einer multiplen Persönlichkeitsspaltung.
Hypochondrische Selbstbetrachtung gleitet zwischen Schnipsel von Selbsterkenntnis, guten Vorsätzen und
im Ansatz feststeckender Vergangenheitsbewältigung. Realität meldet sich in Form einer Blauvogelstimme
zurück, die vom Tod singt. Unser verstörendes LI beklagt sich nicht, sondern versucht sein Herz zu finden.
Nach angedachtem Ausverkauf des Selbst bleibt kopfloses Desaster als mißratene Adaptation an eine völlig
undefinierte Gegenwart. Die Wortwahl so alltäglich wie die Gegenstände der Betrachtung, rutscht der Text
nie in Banalität, schafft es auch ohne Mühe, das Interesse des Lesers wach zu halten.
Ein verlorener Blindenstock ist lyrisch umgesetzt: LI scheint mit dem vermißten Objekt herumzufuchteln,
die nicht sichtbare Welt gleichsam nach festem Halt abtastend, auf dem Weg zwischen den Zeiten und fast
jenseits aller Hoffnung dieser endlosen menschlichen Suche nach sich selbst. Herumstolpernde Grüße - mcberry
Hallo Gedichtbandage,
den Text lese ich eher als Lyrik. Ein Gefühl von Atemlosigkeit hält an, wiegt in Unsicherheit.
Meine Lieblingszeile: "neulich wusste ich, dass gefühl weiter geht als nur bis zum horizont."
Handwerklich sind mir ein paar neulichs zuviel weil, vermitteln ein Leiern, aber das mag gewollt sein.
Variationen des Satzbeginns beinhalten Möglichkeiten, die verschenkt werden. Darf ich mal?
Zitat
mittags hatte ich es satt immer der meckerkopp zu sein.
noch später las ich wieder vom bunten herbst in traurigen bildern.
anderntags irgendwann wollte ich wieder meinen mann stehen....
meistens jammerte ein fiktives ich über befindlichkeiten. manchmal meins.
Nur meine Einfälle. So wie er geschrieben ist, mag ich den Text auch. Grüße von Yaya
RE: neulichmenschlich
in Zwischenwelten 30.07.2012 22:03von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
mcberry: danke!
deiner lese, deiner interpretation !
yaya: ebenfalls danke!
der textauseinandersetzung.
handwerklich gebe ich dir recht - andererseits sind die neulichs absolut gewollt. genau so beabsichtigt.
die variationen hätte ich, so es intention gewesen wäre, mir locker fluffig aus dem ärmelchen schütteln können, jedoch ist es diese stimmung, die zu halten ansinnen war, welche keinen bruch leiden soll. wer keine lust hat sich darauf einzulassen, dem es dadurch langweilig erscheint, möge fortbleiben.
das lyr.ich kann auch anders, aber nicht hier, drinnen.
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RE: neulichmenschlich
in Zwischenwelten 20.11.2012 23:08von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
@neulichmenschlich
participe passé
neulich, so vor gefühlten 5,638 jahren, liefen wir uns quer über den weg und stolperten, auch übereinander.
während dieses anschubsend chaotischen ereignisses stellten wir synchronizitäten fest, malten diese an die wand, theoretisch, damit sie uns immer gegenwärtig wären und straften paralleluniverselles in buntesten farben lügen.
neulich war flüchtig, teilchen treiben.
weiter und weiter und manchmal dreht sich alles.
neulich ist heute, der rücksprung in uns - und dort?
dort gibt es keinen sprung, keine erinnerung.
es tickt gewaltig, doch nur, und gerade trotzdem, parallel, jedoch nicht selbiges, gleich und gleich - ungleich.
hach, keine perfektion im radar, und trotzdem war neulich gestern, heute geht es bedeutend besser, morgen wieder ein bisschen wundschmerz und vorgestern wird alles in unwissen versunken sein. morgen konnten wir uns an nichts mehr erinnern, denn nichts ist wahr.
man kann nur missen, was man kennt?
blödsinn und wer sagt das!
der mangel wird manchmal aus dem wunsch geboren, diesem seltsam unrealistischen ding, dem prinzip hoffnung des zen, welches nicht existiert, so wie wir vorübermorgengestern.
aber wir sind da, genau hier, irgendwo, du dort, ich hier und vor exakt gefühlten 10,7589 jahren liefen wir uns über den weg.
quer.
ich vermisse dich. denke an dich.
in bar realem.
freund/in.
unlogisch, unberechenbar, unzeitgemäß.
missliche lage.
in moll.
©
19.11.2012
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