#1

draußen

in Gesellschaft 22.11.2011 21:42
von munk (gelöscht)
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Wenigstens einmal diesen kaputten Nächten durch rissige
Hintertüren als Bordsteinschwalbe entrinnen, um
im Tiefflug in ein Bett zu stürzen
wie ein Mensch, nur

noch fiebrig, den Vater meines Kindes im Sperrgebiet anrufen,
weil mir die Skintektonik Geld für Miete, Sparen, Schuss
absprengte wie meine ich aus der Körperwüste,
damit niemand außer dir

mein Sandfell reibt wie entkörnendes Schleifeisen,
das mich häutet ins Unerschlossene
und herausschält, bis du innehältst,
um meine Narben, bloß

weg, schaffe ich es noch knapp raus zu jener Frau,
auf den Spielplatz bei Tag, als wäre ich sie, doch
nach dem Druck muss ich erneut
in die Nacht

bis zum Morgengrauen vor dem verlassenen Gotteshaus
wo ich mich dieses eine Mal an dich lehne.
Unbehaust.

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#2

RE: draußen

in Gesellschaft 30.11.2011 23:21
von MarleneM (gelöscht)
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ein Stück, lieber Michael, das durch seine Bidler spricht, durch das, was es in einem bewegt. irgendwie fasziniert es mich, obwohl manche Zusammenhänge sich mir nicht erschließen. ( Skintektonik)
Für mich geht es hier um einen zerissenen Menschen, der sich eine andere Welt mit mehr persönlicher Freiheit wünscht. Etwas in ihm ist anders als die biedere, eintönige Gesellschaft, in der er lebt.
Die Bordsteinschwalbe, als Symbol der Freiheit, die ja keine ist. Fiebrig, fieberhaft mit dem Ausbruch befasst.
Sperrgebiet des Alltags, der niederdrückenden Normalität, die nicht reicht, ihm nich reicht .

Ihm doch selber bewusst, dass das Leben einer Bordsteinschwalbe wohl auch nicht das von der ersehnen Freiheit sein kann.

Das Gotteshaus als Zuflucht, als Raststätte zum Atemholen, dem Menschen, der unbehaust ist, unbewohnt von dem, was anderen wichtig ist.

Aussen vor, selbst als er draussen ist.- die Heuchelei satt.
Ein Stück, das packt durch seine Bilder, wenn man gar nicht versucht, es auf Landschaften oder bestimmte Orte zu beziehen. Durchaus könnte der Protagonist auch eine Frau sein.

LG von Marlene

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#3

RE: draußen

in Gesellschaft 01.12.2011 19:38
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hi alle beide,

mir wollen die Ebenen mehr symbolisch scheinen. Schwalben sind immerhin flugtauglich.

Dem LI scheinen ungünstige Lebensumstände alle erdenklichen täglichen Notwendigkeiten um die Ohren zu
hauen. Ein Übermaß rationaler? Anforderungen häutet den Leib, bis sogar die riskante die Lebensführung einer
Bordsteinschwalbe an Attraktivität gewinnt - in Z1/2 als Sehnsucht, als phantasierter Ausweg formuliert.

Weil der bloße Anschein emotionaler Selbstbehauptung besser wäre als gar nichts? Unbehaust wie wir sind?
Degeneration scheint noch immer besser als die endlose Leere einer ungelebten Nacht.

Sympathische Zeilen, so menschlich. Genügen die empathischen Anteile der Mutter Kirche unseren Nöten zu
begegnen? Ein verlassenes Gotteshaus macht dem Leser nicht gerade Hoffnung. Sehr gerne gelesen - mcberry

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#4

RE: draußen

in Gesellschaft 08.12.2011 07:41
von phlox | 172 Beiträge | 172 Punkte

In die Nacht müssen, immer erneut - darin liegt für mich die wesentliche Aussage, die mit diesem Text gut herüberkommt, eine elementare Getriebenheit, die nur zwischendurch ein wenig "Anlehnung" erlaubt, ein Tangieren von Frieden, mehr nicht. Der Rest ist Ausgesetztheit an die ewige, alles hervorbringende Unruhe und Bewegung.

Eine dichte Athmosphäre teilt sich mit.

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#5

RE: draußen

in Gesellschaft 14.12.2011 09:10
von munk (gelöscht)
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hi ihr lieben,
leider ist mein adventskalender übervoll mit terminen; habt dank für eure reflexionen; das gedicht entstand, impressionierte sich so, nach einer begegnung mit einer zeitgenossin, die wieder boden unter ihre füße bekommen wollte; die bilder sind erfunden, aber die gefühle, die sie nonverbal, verbal mitteilen konnte, übertrugen sich in diese lyrgeschichte.

liebe marlene
skintektonik ... körperbemalung, ein bewegen der skinbilder; hier auch als abhängigkeit für das beschaffen teurer skinmotive, für das bewegen können nur in diesem umfeld ... die bordsteinschwalbe symbolisiert das erleben, die lebensweise einer prostituierten, die zunächst scheinbar nicht anders kann, als alles andre aufzugeben. die tektonik (das lebens- und schicksalgefüge) ist tragisch, weil sie auf kosten von gesundheit und lebensqualität, dennoch aufrecht gehalten wird ...

p.s.: ja, die protagonistin ist eine frau, aber es kann auch durchaus ein mann sein.


hi mcberry
dank für dein menschliches annähern, dein empathisches ist sehr nahe an meinem intendierten gesamtbild.

hi phlox
auch du bist nah dran mit deinen bildern!


verzeiht bitte das späte und zu kurze, aber wie immer ist stittmattersches zeitchen zu bestimmend, zu schnell ;)!


p.s. 2: es ist eine verfluchte einsamkeit, eine schicksalsergebene, die nur momente der selbstaufmerksamkeit zulässt. es ist eine verlassenheit, die eigentlich unbeschreibbar und für nichtbetroffene sehr schwer zugänglich ist. daher wählte ich, dieses letzte bild, das anlehnungsbedürfnis ist wahrhaft übergroß, aber selbst das gotteshaus ist verlassen, gibt der frau aber immerhin noch diese kleine stück anlehnung an alte sehnsüchte, die schon längst, in ihrem bewegten leben, verloren gegangen sind und nur noch punktuell, als momentbilder, auftauchen und doch immer gnadenloser signalisieren: du bist draußen ....

zuletzt bearbeitet 14.12.2011 09:26 | nach oben


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