Hallo chip,
mir kommt auch dein kommentar schnell und flüchtig geschrieben vor :). Es geht hier um die Stadt aller himmelsrichtungen, nicht so sehr um klischees (die bei genauerer Betrachtung auch keine sind: androgyner Klassenkampf ist sicher kein klischee, krieg den hütten, frieden den palästen ist genau die umkehrung eines bekannten kampfslogans). Das streben reicher seelen zum zenit ist mir bis zu dem gedicht völlig unbekannt gewesen - also auch kein klischee, genausowenig wie die abwasserkanäle im nadir, dem Gegenpunkt des zenit in der Astronomie - danke hier für die arabische erklärung. tief im nadir steht hier auch für ein Leben in der Unterwelt. einzig bei der ersten strophe könnte man bekanntes finden, dass im westen die besseren wohngegenden sind als im osten, weil wir ja bekanntermaßen meistens westwind haben. und selbst das ist eher meteorologisch als gesellschaftskritisch im gedicht beschrieben. Was also ist die stadt aller himmelsrichtungen? der frage kann man sich nähern, wenn man die funktion von himmelsrichtungen betrachtet. Sie sind Orientierung, Marschrichtung, Blickrichtungen. Diese sind in allen Städten ähnlich. Und diese Orientierung überlagert ist der soziale Konflikt, der als solcher - ohne menschliche Schicksale en detail zu schildern - beschrieben wird. Durch diese scheinbar oberflächliche Beschreibung wird ausgedrückt, dass es diese Konflikte überall gibt, in jeder stadt. Die stadt aller himmelsrichtungen ist dafür ein sinnbild. In welche richtung ich auch schaue, in welche anderen gegenden und städte, sehe ich diese konfliktherde in der einen oder anderen form.
die nördlichen paläste sind unsere in den reichen industrieländern, die südlichen hütten sind damit klar. androgyne aus dem norden führen diese kriege schon jetzt, männer und frauen stecken in diesem wort und in dieser rolle. androgyn ist eine lebensform, die die rollen der geschlechter unterläuft, sich davon löst, eine lebensform, die so nicht in unseren genen angelegt scheint.
In diesem sinne vielen Dank für Dein Interesse an diesem Text, der hoffentlich sich durch diese Antwort als deutlich komplexer herausgestellt hat, als das flüchtige Lesen glauben liess.
Normalerweise halte ich nicht so viel davon, eigene Texte zu interpretieren. Aber im vorliegenden Fall schien es mir wichtig.
Ausserdem habe ich hier gelernt, dass mein bestreben, einfacher zu schreiben, nicht so kryptisch wie in nmanch andere meiner Gedichte der letzten Zeit, auch gut auf die nase fallen kann, indem die hintergründe in den einfacheren formulierungen nicht ankommen - eine neue form, kryptisch zu schreiben, könnte man fast meinen ;)
es grüßt
der hannes