#1

lichtmess

in Gesellschaft 13.10.2011 14:00
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

winter liegt auf dem weg,
bereifte zweige bepudern den mantel,
der mich wie eine sargdecke umhüllt.
ein anderer hof wird mich knechten,
ohne das leuchten ihrer augen.
sonne im kargen einer zeit, in der
eine handvoll münzen leben prägt.

zuletzt bearbeitet 13.10.2011 14:02 | nach oben

#2

RE: lichtmess

in Gesellschaft 13.10.2011 15:02
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Perry,

ein moderner Lohnsklave auf dem Weg ins nächste Jobcenter. Die Zeilen lösen viele lebhafte Bilder aus.

Verschneite Zweige bepudern Mäntel besser als unter dem Rauhreif erstarrte; aber es gibt eine dichterische Freiheit. Auf einer Nebenschiene meiner Phantasie bespritzen bereifte Räder den Trenchcoat von oben bis unten und LI flucht wie ein Droschkenkutscher. -> zurück zum Text:
Ein zurückliegender Hof bot LI leuchtende Augen. Vllt verläßt ein Junge den elterlichen Hof, um sich in der Ferne zu verdingen. Damals wie heute. Man möchte ihm zurufen: Glaube an Märchen. Der Däumling hat sich noch immer durchzusetzen verstanden.
Das "Karge" einer Zeit kenne ich nicht als Ausdruck: Dialekt? Der Sinn kommt mühelos an.
Die letzte Zeile ist in ihrer Prägnanz beeindruckend. Sehr gerne gelesen. HG - mcberry

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#3

RE: lichtmess

in Gesellschaft 13.10.2011 18:39
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo mcberry,
danke für deine Interpretation und das Übertragung der Bilder in die Jetztzeit.
Ausgehend von Lichtmess, dem 2. Februar, an dem Dienstboten früher ihren Arbeitsplatz wechselten, soll der Text den Blick weiten auf das Millieu der Dienstboten (Knechte und Mägde) in einer "kargen" Zeit. Um Leben zu können, mussten sie oft geliebte Menschen zurücklassen.
Im Moment experimentiere ich noch ein wenig mit dem Titel:
lichtmess, licht - mess, messe das licht

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#4

RE: lichtmess

in Gesellschaft 14.10.2011 10:24
von munk (gelöscht)
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hi perry,
das lichtmessfest früherer zeiten konturiert sich gar fein. der schnee rieselt schon. ich kann ihn gut fühlen, aber doch lausch ich den erzählungen eines kriegsheimkehrers, der mit stahlfelgenrad sein haut zu markte tragen muss. da verliert sich das unbekümmerte sentiment ganz schnell und macht einen überlebenskampf, einen kargen alltag deutlich. da ist dann kaum noch platz für ein lichtmess alter prägung und doch rückte dieses auch die grubenarbeiterfamilien der schnell wachsenen tagebaudörfer in den zwanziger jahren des 20.jahrhunderts zusammen und gab ihnen richtung und halt und eben auch die wärme des lichts.

gern gelesen
lg munkel

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#5

RE: lichtmess

in Gesellschaft 14.10.2011 12:12
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Michael,
ja wo Licht ist, ist bekanntlich auch viel Schatten. Dein Kriegsheimkehrer gefällt mir gut und "soweit die Füße tragen" flammt in mir auf. Dass aus Schlechtem Gutes erwachsen kann, zeigt sicher die Sozialisierung der Arbeitswelt, aber leider sind die Zähne der Gewerkschaften stumpf geworden in Zeiten der Globalisierung.
Danke fürs "Ausmalen" der Bilder und LG
Perry

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