#1

Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 01.09.2011 13:41
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Unterwegs im virtuellen Raum wird Usern oft etwas angehängt.
Kaum ein paar Tasten gedrückt, schon heischt eine ungebetene Gefolgschaft von Spams, Sprüchen und Verrissen, Lobhudeleien, irritierendem Palaver vom Kalauer bis zum langatmigen Mißverständnis um internationale Aufmerksamkeit. Einzelteile dieses scheppernden Schleppnetzes rangieren unter dem gemeinsamen Nenner: Kommentar!
Was tun? Nur Mut!
Was vagabundierende Ignoranten hinkriegen, kann so schwer nicht sein.

Auf geht’s zur ersten Übung:
Klick auf Button:"antworten". Ein viereckiger Kasten öffnet sich, dem wir ein deutsches Fragewort einverleiben: "He?" Klick auf Button:"senden" und es ist geschafft.
Unser erster Kommentar baumelt unter einem Eröffnungsbeitrag, als dessen Infragestellung er aufgefaßt werden kann. - Haben wir das Fragezeichen vergessen, darf der Autor eine Zustimmung daraus ableiten, in dem erhebenden Gefühl, gelesen worden zu sein.

Kleine bunte Spams: "WOW". Ihre schillernde Vieldeutigkeit hat sie leider in Verruf gebracht. Anspruchsvolle Foren verbitten sich solche angeblich unkritischen Kommentare.

Überspringen wir mal die Sprüche. Das täglich zu sichtende Material überlädt Gedächtnisspeicher durchschnittlicher Web-Surfer um das mehrfache Maß ihrer synaptischen Schaltfreudigkeit.

Lobhudeleien hingegen sind unvermeidlich.
Ohne darin zu handeln, sammeln wir nicht genug positive Bewertungen unter die eigenen Eröffnungsbeiträge. Am besten positioniert sind unsere schmeichelhaften Bemühungen allerdings in Threads von Autoren, die wir tatsächlich gerne lesen. Bitte nicht zu dick auftragen. Denn einmal unglaubwürdig geworden, meiden uns andere User womöglich.

Nochmal konkret, weil das wichtig ist: Lobpreisungen sollten einen sachlichen Bezug angeben können. "Alles ganz toll" klingt ein bißchen doof. Vielmehr: "das ist mir noch nie irgendwo begegnet, wie du Thema X auf Dingsbums bezogen hast".
Mit dem Anschein von Objektivität gewinnt das Gewicht des Beitrags und seines Schreibers. Wer freut sich schon über schleimige Zusprüche (es sei denn du kaufst das Produkt).

Loben, genau wie Schulterklopfen, bedarf eines Gefälles. Die Herablassung steht oft genug der Würdigung zur Seite. Und damit kommen wir zu einem Kapitel, welches uns viel besser bei Laune hält: dem Verriß.

Das Werk mißfällt uns?

Zunächst einmal sollte auch negative Aufmerksamkeit willkommen sein. Wer sich die Mühe macht, einen abwertenden Kommentar in Pixel zu setzen, hat seine Beweggründe. Und was so starke Emotionen auslöst, dass es heftige Schelte verdient, erwarb Verdienste.

Einfaches Negieren jeglichen Wertes: "Schade um die Zeit, sich damit zu befassen" wirft kein gutes Licht auf den Beitragsschreiber, der mit seinem Zeit-Management klar kommen sollte. Ähnlich sind auch Äußerungen von Entsetzen zu bewerten: "...unauffindbar versunken vor Scham..." Man ist ja für sich selbst verantwortlich, nicht wahr?

Gehen wir kreativ an die Sache heran:
Besonders Krawall im Thread zieht das allgemeine Interesse nach sich. Deshalb erweist Gezänk unter den Kritikern weniger bekannten Dichtern einen Gefallen. Nicht aufhören also, bis die Moderation einschreitet, bis der Thread geschlossen wird.

Indirekte Geringschätzung läßt sich subtil in scheinheiligen Formulierungen unterbringen. "Du steigerst dich" besagt nicht, daß jemals etwas Sinnvolles produziert wurde. Oder so: "Diese Exkursion ins Land der Dichtung mag manchem Alphabetisierungskurs ein Ansporn sein."
Wir dürfen davon ausgehen, daß Besucher von Literaturforen zwischen den Zeilen lesen können. Deshalb trifft der Stich gerade ins Herz.
Angreifer haben die Wahl der Waffen: Bitte Florettfechten, nicht mit der Mistgabel stochern. Offene Polemik kann bewirken, daß andere User Beschützerinstinkte entwickeln, das war nicht beabsichtigt, oder?

Fast wäre es untergegangen: Konstruktive Kritik, Kern jeglicher Forenarbeit, soll einem Text den Feinschliff geben.
Wohlwollende Akzeptanz ist ein guter Nährboden. Impulse von außen sind unverzichtbar für persönliches Wachstum. Erreicht eine soziale Gruppe Harmonie durch gegenseitige Unterstützung, wird Erfolg kaum ausbleiben.

Aber schreiten wir fort zum: Palaver.
Damit verlassen wir Bewertungskategorien und betreten vergnügt den Bereich der Konversation. Für kreative User eine Möglichkeit, sich auszutoben.

Guter Palaver verliert niemals den Bezug zum Thema des Eröffnungsbeitrags. Doch jenseits literarischer Kriterien darf frei assoziiert werden. Weiterführende Informationen, neue Blickwinkel, öffnen Fenster. Persönliche Mitteilungen im Sinne eines Feedbacks sind erlaubt.
"Deine Verse haben mich nachdenklich gestimmt" kommt nicht geistvoll rüber. Fans nahmen an, daß wir gelegentlich denken. "...beschleunigte meine Gedankenspiele zum Abheben auf den nächsten Level" funzt besser.

Eigene Werke, Bilder oder dergleichen in den Faden zu stellen verlangt Augenmaß. Entsteht der Eindruck eines konkurrierenden Beitrags, übertrifft die Qualität das eigentliche Oevre, befinden wir uns nahe am subtilen Verriß. Wer das öfter tut, wirkt eitel. Palaver soll dem Autoren des Eröffnungsbeitrags zu Füßen gelegt werden, wie man eine Blume zuwirft.

Was tun, wenn der Autor keine Blumen mag?
Oft genug wehren sich Autoren gegen Textkritik, als würde ein Anschlag auf ihre persönliche Integrität verübt, fürchten um ihren literarischen Anspruch und verteidigen ihr Werk wie eine Henne ihr Küken.
Wir lesen, daß wir nix begreifen, keinen Geschmack haben, bei Texten bleiben sollen, die unserem begrenzten Auffassungsvermögen entgegen kommen.

Befassen wir uns mal mit echten Problemen und schreiten zur Krisenintervention:

a)Nix ändern und hoffen, ein anderer User teilt unsere Sichtweise und schreibt das noch.
b)Nix ändern und hoffen, irgendwann gelingt dem Autor der überfällige Erkenntnisprozeß.

c)Eine Entschuldigung verfassen, weil man ihn nicht kränken wollte, ohne Schuldeingeständnis.

Disclaimer empfehlen sich, wenn wir einem Hoffnungsträger des Forums ans Bein gepinkelt haben. - Oder nominiert sind und er soll für uns abstimmen.
Außerdem zu bedenken: Seilschaften unter den Usern triggern schwarmartige Reaktionen. Ihre Kommentare üben sich in der Kunst der unauffälligen Wiederholung. Einmal wen erfreut/genervt, hat man oft genug gleich mehrere am Hals.

d)Weitere Begründungen hinterherzuschicken will wohl überlegt sein.
Haben wir ein kränkbares Gemüt in die Defensive getrieben, wird keine noch so fundierte Argumention greifen. Es ist wirklich sinnlos, wegen Lyrik hartnäckigen Streit anzufangen.

e)Den Text editieren als letzten Ausweg. Hurst: "-" Zeichen werden oft als unhöflich empfunden und wirken eher beleidigt als friedfertig.

Allgemein gilt für Texte im Netz: mundgerecht zerlegt wird besser geschluckt.
Zitate und Quellenangaben, vorzugsweise als Link eingestellt, damit sie nicht ausufern, unterstreichen die Belesenheit des Beitragschreibers.
Eine ellenlange Gesamtbeurteilung dient dem Autor nur bedingt. Läßt unsere Kritik Gesichtspunkte aus, bringen sich andere User in die Lücken ein. Wir schreiben keine Laudatio für das Festtagskomitee zur Preisverleihung, wo einnickendes Auditorium im Saal feststeckt. Unsere Zielgruppe klickt....

Irgend etwas bleibt immer noch zu sagen. Wobei mir einfällt, also vllt überarbeite ich einige Stellen noch. Aber trotzdem höre ich mal auf ......

zuletzt bearbeitet 23.11.2020 18:41 | nach oben

#2

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 01.09.2011 18:31
von pistacia vera (gelöscht)
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Zitat
Das täglich zu sichtende Material überlädt Gedächtnisspeicher durchschnittlicher Web-Surfer um das mehrfache Maß ihrer synaptischen Schaltfreudigkeit.


Mein Favorit dieser witzigen Betrachtung.
Der Verriss kommt für meinen Geschmack etwas zu kurz, denn gerade der will gelernt sein. Dem Autor mitzuteilen, sein Beitrag zeige Bildzeitungsniveau, reicht beispielsweise nicht aus. Auch hier sollte eine Begründung erfolgen. - Ich persönlich bin der Meinung, dass selbst in der übelsten Schelte ein positiver Aspekt des Textes hervorgehoben werden sollte. Es geht ja nicht um die Vernichtung des Autors, sondern letztendlich um dessen Weiterentwicklung.

pista

zuletzt bearbeitet 01.09.2011 18:32 | nach oben

#3

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 01.09.2011 23:55
von MarleneM (gelöscht)
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auch im Widerspruch, also in negativer Kritik, steckt Aufmerksamkeit des Betrachters lächel... sagte in Dichter mal sinngemäss.
Will sagen, ein kritischer Kommentar hilft weiter, allerdings nur dann, wenn auch ein gewisses fachliches Wissen des Kritikers dahinter steht.
Kommentare sind grundsätzlich wichtig, denn ein Forum lebt von der kommunikation. Zumal ein kleines in besonderem Maße.

Kritik istimmer schwierig, sie sollte fachlich , abr mit Herz sein, denn schließlich meint jeder Autor,er habe etwas Lesenswertes geschrieben.
Manche Autoren meinen grade, wenn es kein Mensch mehr versteht, sei es etwas ganz Besonderes, sagte Einstein.

Jeder, der ein Werk einstellt, gibt ein Stück von sich preis. Nur er selber weiß, ob ihm negative Kritik willkommen ist. Das erschwert die Lage für den Kritiker.

Beide Seiten müssen sich also auf einen Weg zueinander hin einstellen, dann könnte es klappen.
Ich wünsche es diesem kleinen Forum, in dem ich gern bin und das eine gute Moderatorin gewonnen hat in Pistacia, wenn ich das kritisch sagen darf. Lächel.
LG von Marlene

zuletzt bearbeitet 01.09.2011 23:58 | nach oben

#4

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 02.09.2011 12:38
von pistacia vera (gelöscht)
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Danke schön, Marlene.
In der Tat sind gute Kritiken oft genauso schwierig wie das Werk selber - und wie du richtig sagst, müssen sie willkommen sein. Ich mache es ähnlich wie Mac: Wenn ich merke, dass meine kritischen Anmerkungen den Dichterling nur erbosen, lasse ich es halt sein und enthalte mich ganz. -
Ich kenne andererseits Foren, die jeden Beitrag bis zu Unkenntlichkeit zerpflücken, immer wieder behaupten, das sei alles schon gesagt, Schnee von gestern, voll ausgelutschter Metaphern, nix Neues usw. - so eine Art Reich-Ranickirismus im Westentaschenformat (doch ohne dessen Hintergrund). Das ärgert mich auch. - Zwei mir bekannte sehr gute Autoren sind auf diese Weise ins Abseits getrieben worden. -
Im Prinzip liegt die Kunst darin, den Dichter zu motivieren, Besseres zu geben, ohne ihm absolute Unfähigkeit vor den Latz zu knallen.
Im hiesigen Forum klappt das eigentlich recht gut.
Liebe Grüße
pista

zuletzt bearbeitet 02.09.2011 12:39 | nach oben

#5

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 15:55
von Gast (gelöscht)
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Mir gefällt diese ironische und witzige Betrachtung der verschiedenen Arten ein Werk zu kommentieren sehr gut :). Ich selbst habe mir angewöhnt, wenn ich einen Text kommentiere, mir erstmal den ganzen Beitrag zu kopieren und dann das, was mir auffällt, positiv wie negativ, mit einem Quote-Rahmen zu versehen und dann zu kommentieren, was genau mir aufgefallen ist.
Auf diese Weise gehe ich durch den Text und versuche, nichts zu vergessen - am Schluss natürlich kommt noch ein Fazit.
Hoffentlich komme ich damit hier auch gut an :).

LG, Evanesca

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#6

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 16:46
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo alle miteinander,

der überraschend positiven Aufnahme möchte ich mich aufrichtig bedanken.

Unerschöpfliche Themen wie diese laden förmlich ein, Erfahrungen und Beobachtungen in Beiträgen zu verarbeiten. Man liest sich und lernt voneinander. HG - mcberry

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#7

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 17:16
von MarleneM (gelöscht)
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soll ich jetzt mal meine Satire über Limerick-Kommentatoren einstellen??? Die Inspiration vrschaffte mir ein anderes Forum. GGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGGG
von Marlene

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#8

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 17:20
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Aber unbedingt, liebe Marlene. Her damit! Jetzt hast du uns etwas versprochen. HG - mcberry

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#9

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 17:23
von pistacia vera (gelöscht)
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Fängt das Forum mit L an, Marlene?
Diskussionen über Limericks haben mich schon häufig an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, weil gerade für den Lim gilt: Man beherrscht ihn oder eben nicht. Dies vermag aber nicht ein jeder einzusehen ...
Stell ruhig mal ein.
Grüßle
pista

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#10

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 17:29
von MarleneM (gelöscht)
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du sprichst mir aus dem Herzen, liebe Pista. Limericks sind etwas für Wortakrobaten und Satiriker. Aber grade daran versuchen sich viele Autoren, die weder Witz haben noch handwerklich dazu in der Lage sind. Ich habe Limericks mal sehr geliebt. Auf Grund der Erfahrungen lese und schriebe ich fats gar keine mehr. Ich muss die Satire mal suchen. Hoffentlich habe ich sie noch, mein PC ist abgestürzt und einige Werke sind weg.
Wenn, dann stelle ich sie unter Humorioges ein.
Ein breites, sozusagen lupenförmiges Grinsen von Marlene GGG

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#11

RE: Über das Verfassen von Kommentaren

in Allgemein 05.09.2011 19:52
von MarleneM (gelöscht)
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hab's gefunden- ihr wolltet es so GGGGGGGGGGGGG
Dabei habe ich festgestellt, dass eigentlich ein Unterforum für richtig bissige Satire fehlt. Möchtet ihr sowas mal einrichten?
LG von Marlene

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