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Höppelchen, das Weihnachtsgeschenk

in Kurzgeschichten, Erzählungen, Novellen und Dramen. 13.06.2011 17:38
von MarleneM (gelöscht)
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Höppelchen, das Weihnachtsgeschenk

Ich kam zur Welt mit sieben Geschwistern und wir lebten in einer kleinen Holzbuchte mit Gittertörchen. Obwohl es eng war, machte mir das nichts aus, denn meistens lagen wir ohnehin aneinander gekuschelt , weil von draußen ein eisiger Wind herein zog.
Die Zweibeiner, die Mama Futter und Wasser brachten sagten:“ Bald ist Weihnachten- die Kleinen werden sich gut verkaufen lassen.“.
Ich wusste nicht, was das bedeutete, meine Welt war Mama, die sich rührend um uns kümmerte, uns säugte und liebkoste und die Kürtelchen, die wir machten, unermüdlich in eine Ecke scharrte, damit wir nicht darauf liegen mussten. Sie hatte schon viele Babys bekommen ( die Zweibeiner wollten es so), aber sie liebte uns, als wären wir ihr erster Wurf.

Ab und zu nahmen die Zweibeiner uns alle aus der Buchte und füllten neues Stroh hinein.
Dann wälzten wir uns nachher auf dem Rücken, denn wir Zwergkaninchen haben es gerne sauber.
Manchmal sagten sie:“ Es wird kalt dieser Tage“. Dann hängten sie eine Decke über unsere und die anderen Buchten und unsere kleine Welt wurde noch dunkler.
Irgendwann kamen viele fremde Zweibeiner, man hörte es an dem Knirschen des Bodens vor der Buchte. Dann öffnete sich das Gittertürchen und einer nach dem anderen von uns wurde herausgenommen- nur Mama nicht. Die Fremden streichelten und herzten uns und nahmen fast immer einen von uns mit.
Ich hatte Angst und drückte mich in die Kürtelecke. Ich wollte nicht weg von Mama, denn ich spürte, dass sie jedes Mal, wenn ein Geschwisterchen nicht zurück kam, sehr aufgeregt und traurig war.

Eines Tages holte man auch mich aus der Ecke. Ein klein gewachsenes Zweibeinerchen namens Sarah rief entzückt: „ Ooch, ist der niedlich! Schau mal das silberfarbene Fell und der Fleck auf der Nase. DEN wünsche ich mir zu Weihnachten!“.
Ich hörte: „35 Euro.“ und wusste, nun würde auch ich Mama verlassen müssen. Ich konnte mich nicht einmal mehr verabschieden, wurde direkt in einen Pappkarton gesetzt , in dem ich dann zitternd hockte. Sarahs Stimme redete beruhigend auf mich ein, doch meine Angst war übermächtig, weil irgendetwas so laut im Hintergrund dröhnte. Es war der Motor des Wagens, in dem wir saßen.

Nach einer Weile öffnete sich der Karton und drei fremde Zweibeiner starrten mich an. Sarah nahm mich hoch und streichelte mich. Ihre Hände waren zärtlich, ich mochte sie gleich und wurde ein wenig ruhiger.
Dann setzte man mich an einen Platz, der von Gittern umrahmt war. Wenigstens war es heller als in der Buchte. Ein kleines Häuschen aus Holz stand in der Mitte und – schwupps- rettete ich mich dort hinein. Doch neugierig war ich auch und so steckte ich mein Näschen aus der Öffnung. Gleich ertönte ein spitzer Schrei, der mir in den Ohren gellte:“ Schaut, Höppelchen kommt raus!“.
Futter war da, Wasser auch, aber wo war Mama? Ich fraß ein paar Körner und machte Männchen, um besser sehen zu können. Da ging oben vom Gitter die Klappe auf und Sarah nahm mich aus dem Käfig heraus. Sie küsste mich und wirbelte voller Stolz mit mir durch den Raum. Viel später lernte ich, dass sie nun meine Mama sein würde.

Irgendwann trug sie mich in einen schönen Raum, wo viele Lichter flackerten und es herrlich nach Tanne duftete. An dieser Tanne baumelten bunte Kugeln und goldene Fäden glänzten verführerisch. Viele Zweibeiner waren versammelt. Alle wollten an mir knuddeln – es war so schlecht nicht, sie waren lieb zu mir und so dachte ich nicht mehr über Mama nach.

Jeden Tag nahm Sarah mich, manchmal legte sie sich mit mir in weiche Kissen, die sie „Bett“ nannte und schmuste mit mir. Ich vermisste meine Geschwister, aber so lange Sarah da war, ging es mir gut.
Lange Zeit war das so – ich trug Hölzchen, um Sarah eine Freude zu machen und ich schlug Purzelbäume, wenn sie traurig war, um sie zum Lachen zu bringen. Ich lernte, dass sie morgens das Haus verließ – „zur Schule gehen“ nannte sie das. Ich wartete in meinem Gittergehäuse und wenn sie zurückkam, saß ich auf ihrem Schoß und gurrte vor Freude.
Wenn sie nicht da war, durfte ich nicht aus dem Käfig heraus, denn ich hatte schon mal Tapeten angenagt und Möbel. Auch Kabel, so dass Sarah die schrecklich laute Musik, die sie immer aus einem silbernen Kasten holte, nicht mehr hören konnte. Da war Sarah sehr böse auf mich und ich musste zurück in mein Gittergehäuse.

Nach und nach wurden diese Wartezeiten länger. Einige Male trug man mich zu dem Baum mit den bunten Kugeln und Sarah war nun fast genauso groß wie die anderen Zweibeiner.
Oft saß ich nun allein in ihrem Zimmer in meinem Käfig. Die andere Zweibeinerin kam um mir Futter zu geben, aber sie nahm mich nicht hoch und streichelte mich auch nicht. Ich machte Männchen, aber sie klappte den Käfigdeckel wieder herunter. Mehr und mehr befiel mich eine unbekannte Traurigkeit. Wo war Sarah? Warum kam sie nicht ?
Wenn sie dann endlich da war, strich sie mir kurz über die Ohren und war dann wieder verschwunden. Auch an den Tagen mit den bunten Kugeln wurde ich nicht mehr herunter getragen. Ich hatte die Tanne mal angenagt und ein paar Kugeln zerdeppert.


Ich begann, meine Kürtel in eine Ecke zu scharren, so wie Mama es getan hatte, damit ich nicht darauf liegen musste. Es war mir richtig unangenehm.
Ich konnte nicht mehr Männchen machen, weil meine Zehennägel sich rollten – sie waren viel zu lang. Früher hatte Sarah sie immer abgeschnitten.
Irgendwann sagte Sarahs Mutter: „ Der Hase stinkt, Sarah. Ich stelle den Käfig in den Keller, wenn du ihn nicht sauber machst!“.
Ich dachte oft an Mama und an meine Geschwister. Warum liebte Sarah mich nicht mehr- was hatte ich falsch gemacht?

An einem strahlend sonnigen Sommertag wurde mein Käfig in den Keller gebracht- es war ein ausgebauter Raum mit Heizung, der so genannte Hobbyraum. Aber es war niemand dort. Von ferne hörte ich die vertrauten Stimmen- aber niemand kam, um mich zu holen. Ich versuchte die Stangen durchzubeißen, holte mir aber nur blutige Zähne dabei.
Es nützte nichts, die Kürtel fort zu scharren, denn in den Ecken bildeten sich schon Türmchen und das Streu war voll gesogen von Pippi. Der Urin biss an meiner Haut, dort wo die Haare kreisrund ausgefallen waren. An meinem Po klebte Kot, denn ich hatte häufig Durchfall, weil das Trinkwasser nicht regelmäßig gewechselt wurde.
Es war still, so unheimlich still und ich träumte von dem ersten Tag mit den bunten Kugeln.
Irgendwann tat ich auch das nicht mehr. Ich stand nur noch auf um zu fressen, denn die Gelenke waren steif und schmerzten. Ich konnte ja sowieso nur einen Meter von rechts nach links hoppeln- da war das Gittergehäuse zu Ende.

Irgendwann hörte ich wie sich fremde Schritte dem Keller näherten. Ich reagierte nicht. Lange schon hatte ich keine Angst mehr - ich empfand nur noch eine große, bleierne Leere. Eine Zweibeinerin schaute auf mich herab. Es war Sarahs Freundin Alexandra, die ich vor langer Zeit einmal gesehen hatte. Ich blinzelte träge und versuchte, Männchen zu machen. Sie wollte mich nehmen, ich fühlte es genau - aber ich fiel einfach um.
Alexandra brüllte Sarah an. Sie sagte viele böse Dinge, so wie, dass Sarah ein verantwortungsloser Mensch sei, dass sie mich nicht verdient hätte und dass Alexandra nicht mehr ihre Freundin sein wolle. Alexandra nahm mich aus dem Käfig, obwohl ich so schmutzig war. Sie küsste mich, obwohl ich so stank. Ein winziger Hoffnungsschimmer keimte in mir auf und ich leckte verzweifelt ihre Wange.
Daraufhin wickelte sie mich in eine Decke, wo drauf stand „Kaninchenschutzbund“ und trug mich fort - fort in eine wunderbare Welt. Sarah sagte kein Wort.

Alexandra brachte mich zu ihrer Mutter. Die wusch mir meinen Po, schnitt mir die Nägel und umhegte und pflegte mich. Das Schönste aber war, dass es dort noch Mückchen und Stümmi gab, zwei Zwergkaninchen., die mich sofort in ihrer Gruppe aufnahmen. Sie erzählten mir, dass sie ein ähnliches Schicksal erlitten hatten.
Von nun an gab es in meinem Leben keine Gitter mehr. Da waren viele Räume, Häusschen , Decken, Weidenbrücken und überall Katzenklos, wo man kürteln konnte. Ging mal etwas daneben, war das nicht schlimm.
Nachdem ich langsam gelernt hatte, wieder zu laufen, sprang und hüpfte ich mit den anderen um die Wette. Wir alle wurden geliebt und geknüddelt, jeden Tag und mit der Zeit vergaß ich Sarah und alles, was ich erlebt hatte.

Dann kam der Tag mit der Tanne, der wurde auch hier gefeiert. Wir Kaninchen liefen die große Treppe herunter, nagten an dem herrlich aromatischen Baum und wickelten uns mit Lametta ein. Die großen Vierbeiner, die sich „Hunde“ nannten und die uns immer abschleckten, schleppten die goldenen Fäden in ihre Körbchen.
Alexandras Mutter sagte nur: „Na, da habt ihr ja ganze Arbeit geleistet“. Dabei lachte sie und gab jedem von uns ein Möhrchen.

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