#1

Komm!

in Mythologisches und Religiöses 16.05.2011 21:34
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Sie liegt so still, die Augen eingefallen.
Und wächsern alt die Haut mit schwarzen Flecken
wie Bisse, satter vollgesoffner Zecken.
Aus ihrem Munde schwaches Stöhnen, Lallen.

Und neben ihrem Bett steht kalt der Meister
mit nacktem Leib und starren Blick an ihrem.
Sie sieht ihn nicht, und kriecht auf allen Vieren
stumm auf ihn zu. Und was sie tat, das weiß er.

" Jetzt ist es Zeit die Kerze auszublasen,
ich bringe dich weit fort auf meinen Anger,
ich bin der unbarmherzig Abverlanger."
Schwach pumpt ihr Herz im letzten, ängstlich Rasen.

Doch schon verfügt er ruhig, mitzukommen
zum Scheideweg, der Bösen und der Frommen.

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#2

RE: Komm!

in Mythologisches und Religiöses 17.05.2011 10:15
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Otto,

dieses Genre mag nicht jedem liegen, aber die lyrische Qualität der Verse ist nicht zu leugnen.

Gevatter Tod als SM Meister. Ich hoffe, daß der lange Hein noch andere Seiten aufziehen kann.
Die Unvermeidlichkeit der Begegnung, diese Dominanz, ist auch gut getroffen. HG - mcberry

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#3

RE: Komm!

in Mythologisches und Religiöses 17.05.2011 12:10
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Danke Mc!

Für die letzte Zeile fiel mir zunächst alternativ ein:

" zum Scheideweg, für Gehen und für Kommen".

Damit nehme ich weitgehend die religiöse Einfärbung heraus und ersetze sie durch die Vorstellung, dass der Tod nicht nur der Verbringer in eine Welt der Gläubigen ist sein könnte, sondern etwas gleichsam Zustandsveränderndes aus dem Unvorstellbaren, das es ja auch vor dem Eintritt des Lebens gibt. Also für etwas, dass auch den Zustand des Nochnichtlebens in Leben wandelt, als Geburtshelfer u n d das Leben Nehmendes etwa. Diese Vorstellung beschäftigt mich schon lange. Dieser " Verbringer" wie ich das Zustandsverändernde nennen möchte, ist mir demnach auch ein Zeitzuteilender, ein Begrenzer und Entgrenzer von uns gewährter Zeit. Zu beiden Übertritten- also in und aus dem Leben- scheint uns ein Bewußtsein in den Augenblicken der Übertritte zu fehlen oder abhanden gekommen zu sein.
Mindestens entbehren wir des Zeugentlichen. Ich stelle mir diese Übergänge aus der ja auch im Nochnichtleben in das Leben, und dem Nochleben in das Nichtmehrleben als einen insofern auerordentlichen Zustand vor, als dass wir mit etwas uns völlig Neuem überrascht werden, dass wir nicht bewußt werten können, solange es uns nicht seine Bewertbarkeit preisgibt: Das Leben und das, was nach ihm kommt. Demnach stellt sich mir die Frage, ob das Leben nicht den einzigen Sinn hat es so zu leben, dass wir es, wie auch seinen Tod, so leben, dass wir in ihm eine dem
alles Verändernden geltenden Bedeutungen geben. Die erste Bedeutung, die ich zu erkennen vermag, ist das Unabänderliche, dass es die Veränderung gibt, wenn es Leben geben soll. Und da es offensichtlich sein s o l l, könnte die zweite Bedeutung von Leben sein, dass es bestimmt gelebt werden kann. Die dritte Bedeutung ergäbe sich aus der Dialektik zwischen der offenen Frage, was und wieviel wir am Leben, unserem und der anderen selbstbestimmen können. Hieraus leite ich die Frage nach Selbstvernantwortung ab, mit dem von uns Gewollten und Vermögenden verantwortlich umzugehen. Also welcher Gestaltungsraum ist mir gegeben, welcher vorentschieden. Und weiter: wie stellt sich mein Wertesystem zu dem nicht von mir Gestaltbaren ? Und was ist ein Scheitern des Lebens, so gefragt als verbände sich eine Aufgabe für das Leben mit dem von ihm Vernantwortbare mit dem von ihm Nichtverantwortbaren? Das bezeichne ich als eine Konfliktzäsur, in der ich mit meinen Entscheidungen partizipiere:

Zitat aus meinem Text: " Und was sie tat, das weiß der."

Liebe Grüße,

otto

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#4

RE: Komm!

in Mythologisches und Religiöses 19.05.2011 22:18
von MarleneM (gelöscht)
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als SM-Meister... ja, der Tod hat für die, die zurückbleiben, etwas Sadistisches. Ich habe es soeben erfahren, wieder mal und mache deswegen eine kleine Pause in den Foren, wie man vielleicht bemerkt hat.
Dennoch ist Tod nicht nur kalt, manchmal kann er auch erlösend sein.
Auch ich denke, dass es nur ein Abschnitt ist, den es zu überwinden gilt, eine Spanne.
Das ist nicht christlich, denn das Christentum glaubt nicht an seelische Wiedergeburt.
Ich schon-lächel.
Ich denke, man sieht sich wieder, manchmal kannte man sich schon- da ist schon etwas, das Fremde verbindet, schon lange verband und da ist ewas, was neu geknüpft wird.

Ein hartes Gedicht, lieber otto, ungeschminkt und doch lyisch klasse mit vielen Bildern.
LG von Marlene

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#5

RE: Komm!

in Mythologisches und Religiöses 20.05.2011 06:03
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Danke liebe Monika.
Du hast mich ja gelehrt. Und wenn etwas soweit gelungen ist, dass Du es bemerkst, dann freut es mich. Einige Wochen habe ich zu diesem Thema Einkehr geübt. Jetzt gehe ich wieder andere Wege. Für uns gibt es ja unendlich viele, die uns beschäftigen. Augenblicklich reizt mich das Heitere. Ich suche die Lichtseiten, das gelingt mir am ehesten in meinen Träumen. Ich finde viele Felder, die fruchtbar aus dem Verdeckten drängen. Irgendwann habe ich
Netze gegen die Krähen über sie gelegt, damit sie die Saat nicht verderben. Die Krähen sind verjagt worden. Etwas ist auf meiner Seite. Das Schreiben verjüngt nicht. Aber gleich einem Bad lindert es die Schmerzen.

Liebe Grüße an die Satirikerin.

otto.

zuletzt bearbeitet 20.05.2011 06:05 | nach oben

#6

RE: Komm!

in Mythologisches und Religiöses 22.05.2011 01:56
von MarleneM (gelöscht)
avatar

es ehrt mich , lieber otto, dass du meinst, ich habe dich gelehrt. Ein wenig vielleicht, aber das Talent hast du unbestritten...lächel.
Im Moment schreibe ich gar keine Satiren, das kann ich nur, wenn ich "heiter" bin.
Im Moment ist eher wieder mal die melancholisch Klassik dran.
Ich schreibe viel, es lindert die Schmerzen- ja.
Aber ich habe keine Muße, es zu tippen...
Kommt sicher wieder. Braucht etwas Zeit.
Dir alles Gute im Heiteren von Monika

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