Lieber mcberry!
Mit der " Kirschblüte" hat es eine Bewandtnis, die Dir vielleicht entgangen ist: Das Gedicht geht von einer Liebesbeziehung aus. Der Protagonist beklagt den plötzlichen Tod seiner geliebten Sakura ( Sakura, wie wir wissen, bedeutet ja " Kirschblüte"). Doch im Gedicht nennt er sie " Mandelblüte", er spricht sie also nicht mit ihrem wirklichen Namen an. So hielt er es auch mit Sakura, als sie gerade noch lebte. Es tat es, weil er sie necken wollte, in dem er sie damit darauf aufmerksam machte, dass es noch andere Blüten gibt. Er wollte sie also eifersüchtig machen, damit sie seiner nicht so sicher sein konnte. Nachdem sie tot ist realisiert er den Verlust, indem er begreift, dass er nicht "irgendeine Blüte" ( Mandelblüte) verloren hat, sondern die, die er liebte ( Kirschblüte). Game over also. Deshalb habe ich also das eigentlich nicht Statthafte getan und unter das Gedicht noch die Kirschblüte gesetzt. Ich wollte damit auch andeuten, dass viele Japaner es nicht zulassen, dass Fremde in ihre Privatsphäre eindringen. Nun, wo Du mich aufforderst " Kirschblüten wegzulassen" versuche ich Dir Einsicht in die im Gedicht verborgene Form der zerbrochenen Beziehung der Liebenden zu geben. Sie waren eben sehr nahe bei einander und viele Liebende fürchten um den Verlust des Geliebten. Im Leid hat der Protagonist begriffen, dass er nicht irgendeine Blüte verlor, sondern seine ihm einmalige Kirschblüte.
Die letzten drei Verszeilen greifen die absehbare Zukunft für den Zurückbleibenden auf: er wird seiner Sakura bald nachfolgen, weil er als ein Vertrahlter sterben wird. Deshalb schmückt er sich, weil er sich für sie schön machen will, wenn er ihr im Tode wieder begegnen wird. Denn er wähnt sich dessen gewiß und ist voller melancholischer Hoffnung sie irgendwo wieder zu finden.
Liebe Grüße,
otto.