#1

Fremder Freund

in Philosophisches und Grübeleien 29.12.2010 21:59
von Mila (gelöscht)
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Fremder Freund

Morsches Holz in dürrer Hand,
und die Fliegen feiern dich.
Bist bekanntlich unbekannt,
bist ein Spieler ohne Stich.

Alter Hut auf langem Zopf,
und die Hunde grüssen dich.
Bist ein Sender ohne Knopf,
alt und grau und winterlich.

Manchmal in der Dunkelheit,
sitze ich weit neben dir.
Einer flüstert, einer schreit:
Warum sind wir bloß noch hier?

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#2

RE: Fremder Freund

in Philosophisches und Grübeleien 30.12.2010 09:09
von otto | 637 Beiträge | 645 Punkte

Resignative, melancholische Zutaten durchmischt für ein mildes Süppchen der Selbstbemitleidung. Schlecht fröhlichen Gästen zu servieren, die ihre Sonnenbrillen beim Essen tragen.

Die Zustandsbeschreibung individueller Verfasstheit hat winterlich unterkühlten Charme, der dazu einlädt sich mit Wärmflasche ins Bett zu legen. Gute Wörterausstattung, konsequent ausbalanciert auf die Strophen verteilt.
Da ist wer draußen, weiß vom Schuß, auf Abschuß gestellt: Obdachloser?

Zitat

" Warum sind wir bloß noch hier?" Diese Zeile schlage ich vor zu ...

" Warum sind wir bloß? Noch hier?" ... oder

" Warum sind wir nur, noch hier?" ...



Ich stolpere immer wieder an dem Wort " bloß", das die Sprachmelodie zu unterbrechen scheint.
So, wie Du es einsetzt wirkt es auf mich wie ein Füllwort.
Was meinst Du ?

Liebe Grüße an Dich, liebe(r) Mila,

otto.

zuletzt bearbeitet 30.12.2010 09:12 | nach oben

#3

RE: Fremder Freund

in Philosophisches und Grübeleien 30.12.2010 10:20
von Rubberduck | 558 Beiträge | 558 Punkte

Liebe/r (?) Mila,

Dein Gedicht,
mir ist als wär der fremde Freund eine Vogelscheuche, die einsam und zu dieser Jahreszeit unnütz auf dem Felde steht. Oder aber ein alter Landstreicher..... Das LI scheint sich mit diesem Freund zu identifizieren.

Gut komponiert, so finde ich.

LG,
Bärbel

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#4

RE: Fremder Freund

in Philosophisches und Grübeleien 30.12.2010 14:59
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Mila,

ich glaube, dem bin ich schon einmal begegnet. Er kommt mir so bekannt vor, dein fremder Freund.

Zurück zur Interpretationsarbeit: eine ahnungsvolle Personifikation des unserer harrenden Todes kann ich den Zeilen mühelos entnehmen. - Wenn der lange Hein die Phantasie hier nicht bereichern darf, dann sind die Strophenn auch als dichterischer Ausdruck der eigenen unbekannten Seite lesbar. Um auf die allgemein gültige Ebene abzuheben.
Auch formal funzen die Verse gut genug. Und den Themenkreis mag ich sowieso.

Schreibst du schon länger? Falls du davon noch mehr in der Schublade hast, immer her damit - mcberry

zuletzt bearbeitet 30.12.2010 17:18 | nach oben

#5

RE: Fremder Freund

in Philosophisches und Grübeleien 30.12.2010 18:07
von Mila (gelöscht)
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Ein Hallo vom Rande des Waldes,
vielen Dank für die freundliche und schnelle Aufnahme - ihr seid hier wirklich sehr nett und fair im Umgang miteinander und so auch mit mir!
Eines vorweg, und ich hoffe und glaube, nach dem, was ich in der kurzen Zeit meines Hierseins lesen konnte, dass dies auf Konsens stößt: Ich habe eigentlich nicht vor, meine Texte zu erklären - es sei denn, es gibt eklatante Missdeutungen oder Interpretationen, die mich in eine Ecke stellen, in der ich nicht stehen möchte. Es gibt ja auch keinen Maler, der mit seinen Gemälden durch die Gegend zieht und sie dem Publikum erklärt. Ich möchte mir jedenfalls beim Lesen eines Textes mein eigenes Bild machen dürfen und werde dies, wenn ich berührt wurde, dem Autor auch gern mitteilen. Und dieses Bild, diese Berührung wird für meine Begriffe häufig durch abgeforderte oder nicht abgeforderte Selbstinterpretationen zerstört. Ich werde aber immer gern auf Fragen antworten.
Hallo otto,
mit dem "bloß" hast Du 100pro Recht! Da muss ich nochmal ran, um eine Entsprechung für "eigentlich" zu finden.
Liebe Bärbel,
Dank für das Lob und die Interpretation, die mich wiederum sehr zum Nachdenken animiert hat. Die Vogelscheuche ließe z. B. viel mehr Spielraum, als ich eigentlich im Sinn hatte.
Hallo mcberry,
ich glaube, eine solche Begegnung/Ahnung/ hatte bisher jeder - man fühlt sich zwar hingezogen, wagt aber keinen Schritt: fremder Freund eben.
Zu Deiner Frage: ich schreibe immer mal wieder - so schubartig. Dann verschwindet das Zeux im Schreibtisch (auf Festplatte) und nach Monaten krame ich es dann wieder raus und schmeiß etwa zwei Drittel weg. Der Rest liegt wiederum rum - oder ich betrete mal ein Forum... und heiße dann mal so, oder so, oder anders...
So, jetzt bin ich aber mal dran - ich denke, am 01. hab ich viel Zeit und kann auch in das eine oder andere Werk eintauchen.
MfG Mila

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