#1

Unerbittlich

in Gesellschaft 06.04.2010 18:11
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Alles schweigt
im Kreis um den
grad eben
für alle Zukunft
Ausgestossenen
die Rücken zu ihm

abgewendet

er ist durchsichtig
geworden ausgegrenzt
eine Schattenfigur
wie Rauch
verweht
sein Selbst

im Nichtmehr

zuletzt bearbeitet 19.04.2010 10:02 | nach oben

#2

RE: Unerbittlich

in Gesellschaft 17.04.2010 03:19
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Hannes,

das Schweigen, welches der Text verströmt, scheint anzustecken. Doch die Zeilen,
thematisch dicht, in der Wortwahl bedächtig, verdienen durchaus eine positive Reaktion.

Beim ersten Lesen dachte ich noch, dieses >grad eben für alle Zukunft< sei verzichtbar,
weil etwas dick aufgetragen. Andererseits fühlen sich Mobbing Opfer wohl hoffnungslos.

>die Rücken abgewendet> genügt eigentlich. Was bedeutet "zu ihm abgewendet"?

Die Zerstörung der Persönlichkeit beschreibt >wie Rauch< ("zerfasert" dahinter stört,
weil sich Rauch verdünnt anders als textile Fasern) psychologisch stimmig. Und in einem
>Nicht-Mehr< kulminiert Vernichtung: der Ausgegrenzte verliert sich selbst. Allerdings
eine Bedeutung der Großschreibung: Mehr erschließt sich mir nicht. (Nicht mehr dasein,
nehme ich an, doch nicht mehr Masse bilden?)
Lohnt sich, nochmal drüberzugehen. Die Thematik der Verse bleibt aktuell, leider. LG mcberry

zuletzt bearbeitet 17.04.2010 17:02 | nach oben

#3

RE: Unerbittlich

in Gesellschaft 19.04.2010 10:40
von der.hannes | 1.768 Beiträge | 1750 Punkte

Hallo mcberry,

erstmal Dank, dass Du Dich mit diesen Versen beschäftigt hast.

Die Form ohne Satzzeichen spielt natürlich mit Vieldeutigkeiten der Bezüge.

Schriebe man "die Rücken zu ihm, abgewendet", wäre eine Lesart vorgegeben, die gar kein "zu ihm abgewendet" lesen ließe. Letzteres ist natürlich widersprüchlich und zwingt aus meiner Sicht den Leser dazu, nach dem ausgelösten Stutzen nach dem andern Sinn zu suchen. So war es jedenfalls gedacht. Da "abgewendet" ein zentraler, durch das "die Rücken zu ihm" verstärkter Begriff ist, habe ich ihn jetzt
als Einzelzeile abgegrenzt.

Beim "zerfasert" ist es ähnlich. Liest man den Satz "wie Rauch zerfasert sein Selbst" kann man sich am zerfasernden Rauch stören (wobei ich mir durchaus Faserstrukturen in einem dem Wind ausgesetzten Rauch vorstellen kann, ja glaube, solche schon gesehen zu haben). Liest man dagegen "eine Schattenfigur wie Rauch, zerfasert sein Selbst, im Nicht-Mehr", ist sein Selbst zerfasert, nicht mehr der Rauch.
Hier habe ich jetzt "verweht" gewählt, obwohl dadurch die zweite Lesart als "verwehtes Selbst" nicht mehr so stark provoziert wird.

Zur Grosschreibung: Hier meine ich ich, dass man substantivierte Redewendungen (wzB. "schon wieder" als "das Schon-Wieder") durchaus mit Bindestrich und Großschreibung des zweiten Wortes schreiben kann. Trotzdem habe ich das auf "Nichtmehr" geändert. Vielleicht kommt die zumindest lautliche Doppeldeutigkeit als "Nichtmeer" so sogar besser zum Tragen.

Liebe Grüße

Hannes

zuletzt bearbeitet 19.04.2010 10:42 | nach oben


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