#1

Platzhirsche

in Gesellschaft 11.03.2010 09:47
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Platzhirsche oder: Bambis Ende


Zögerlich, vom fahlen Kunstlicht angelockt,
Halbmondschwachdurchschienen ist die Nebelnacht,
innenweltgetrieben tritt ein Spießerbock

aus dem Wald, genießend tauerfrischtes Gras.
Nicht achtend die Gefahr, die hochoben hockt,
hat’ er sich entschieden, den Freisprung gewagt.

Wedel klatschen laut Applaus auf manch Waidloch
Zeichen, den zu lieben, der verspätet kam.
Mutige zu grüßen, warten Ricken dort.

Dieses Spießbockexemplar ist unerfahr’n.
Weil’s ums Überleben nie ’nen Strauß ausfocht,
trifft ihn Endenstoß und -stich unmittelbar.

Körperschmerz verdrängend hilft dem Tier der Schock.
’s wankt zurück in das Dickicht, totkrank und lahm.
Blut, aus tiefgestoch’ner Wunde quellend, tropft.

Hilflos, hungrig und vor Schwäche furchtloszahm,
still das Jugendherz erschüttert klopft und hofft
zitternd, Heil zu finden, daß es leben kann.

Als scheint’s zu gelingen, trifft das Mordgeschoß.
Wohlgezielt! Der Schuß beendet alle Qual.
Spießerschmerz verstirbt am Jägerpflichtgenuß.

Ergeben dem Schicksal strömt’s zum letzten mal
aus einst hoffnungsvoller, lebensfroher Brust.
Fort spült nun der Strahl, was Gutgefühle war’n.

Eins, zwei der miesen Möchtegerngroßkotz
gibt’s in allen Paradiesen, machtformal,
pyramidal geschichtet, dem guten Plan zum Trotz.


Hastanirwana
GHEG
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#2

RE: Platzhirsche

in Gesellschaft 12.03.2010 17:47
von Ivana Ivano | 73 Beiträge | 73 Punkte

Hi gheggrun,

gut verpackt ist alles, keine Beanstandung sollte von irgendwoher kommen.
Die Waidmannssprache scheinst Du ganz gut zu beherrschen.
Traurige Aspekte und sehr amüsante kann ich ihm abgewinnen.
Einige Kreationen gefallen mir, so wie Spiessbockexemplar.
Natürlich sind die letzten Zeilen die erquicklichsten für mich:

Zitat
Eins, zwei der miesen Möchtegerngroßkotz
gibt’s in allen Paradiesen, machtformal,
pyramidal geschichtet, dem guten Plan zum Trotz.


Bedauerlicherweise war ich noch nie auf einer Jagd;
dafür scheine ich nicht geschaffen zu sein.
Es wäre wahrscheinlich leicht umzulegen, so jeder Gefallen daran findet,
dem die Jägerei fremd ist.

Mit hat es gut gefallen. Ganz raffiniert geschrieben!

Freundlichst grüsst
Ivana

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#3

RE: Platzhirsche

in Gesellschaft 12.03.2010 21:17
von Ralfchen (gelöscht)
avatar

Zitat
Zögerlich, vom fahlen Kunstlicht angelockt,
Halbmondschwachdurchschienen ist die Nebelnacht,
innenweltgetrieben tritt ein Spießerbock



ich geh hier gar nicht auf die gesamt-aussage im besonderen ein, weil die ein wenig schräg rübakommt. egal - wenn die nebelnacht HMSD ist, wieso kann dann fahles kunstlicht einen spießerbock (ziemlich komischer neologismus) anlocken? das FK kann die HMSD kaum überscheinen, den beide sind schwach und im nebel können bestenfalls scharfe/grelle scheinwerfer einen effekt haben, womit der trottel von einem bock bestenfalls als road-kill endet.und dann: innenweltgetrieben oder vom FK angelockt? da müsstest du dich entscheiden. das ist ein queere inkonsistenz. ich könnte den rest auch signativ zerlegen, er hat einige massive schwachflecken, die ihm die spannung leider nehmen. er ist auch eher ein experiment einer wie gesagt schrägen eigenbau-moderne.

eine ziemlich schwache arbeit, die der etwas unbeholfenen leserin im zweifel eben nur ein lobendes wirrwarr an vergleichen und lobduseleien rausdrücken kann. ich bin kaum beeindruckt. vor allem weil ich von dir ziemlich gute textarbeit gewöhnt bin*). diese ist weiter als das gegenteil von raffineriert, weil er zu raffniert im sinne einer raffinierung ist. damit meine ich du hast aus einer guten kernidee durch zuviel raffinieren zuviele schwache abfallprodukte erzielt.


*) na ja im g.u.g.


ps.: und weil du zwei jägerlateinende worte verwendest finde ich die anmerkung der vorkommunardin, du würdest dies beherrschen, eigentlich pimperlich übertrieben. einen lyrischen text mit dieser sprache zu spicken, würde einmal wirklich interessant sein. ich mag jäger aber nicht, sind überwiegend NAZIS.

zuletzt bearbeitet 12.03.2010 21:27 | nach oben

#4

RE: Platzhirsche

in Gesellschaft 15.03.2010 14:08
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Hallali, Ivana und Ralfchen!

Merci für die Kommentare und Kritik.

Zuerst -ladies first- an die "Vorkommunardin" Ivana.
Was für dich am "Erquicklichsten" ist, wollte ich zuerst ganz weglassen,
weil ich dachte, die Strophe sei nicht gut an das Vorherige "angebunden"
und verweise zu deutlich auf das "(un-)menschliche" Verhalten menschlicher
Platzhirsche hin.
Insgesamt fasse ich deinen Kommenta positiv auf, was mir (Eitelkeit) gut tut.
Danke!.

Ja, Ralfchen, du hast Recht mit den Widersprüchlichkeiten (besonders in S1).
Angelockt durch das Licht der Kunst(Kunstlicht), als auch "innenweltgetrieben"
(z.B. Testosteron oder o.g. Eitelkeit, o.ä.) wagt der junge Spieß- (-bürger) -erbock
(Junghirsch) im Mondlicht (a bit mond- ruhm -süchtig?) den Sprung auf den
öffentlichen Platz (z.B. Forum) und ahnt weder die Reaktion des (-r) Platzhirsches
(-e), noch die oben auf dem Hochsitz lauernde.
So verstanden ist "Spießerbock" (-böckchen) doch nicht so unziehmlich komisch,
denke ich immer noch.
Sicher ist "Platzhirsche" zu weitschweifig ausgefallen, auf jeden Fall habe ich meine
Gesamtabsicht nicht gut genug vermitteln können. Man lernt nie aus.
Dein Kommentar befaßt sich z.T. mit deinem off-topics-verhältnis, bei dem -obwohl
ich deine Aversion gegen Jäger, trotz gelegentlicher Kontakte, und gegen Nazis,
gerade wegen gelegentlicher Kontakte, teile, -ich nicht auf deiner Seite bin.
Betreffs "das Gegenteil von raffiniert" und "zu viel raffinieren" will ich mich nicht
weiter äußern, obwohl ich mich auch selbst eher als naiv einschätze.
Nichts für ungut und Dank!


Hastanirwana
GHEG
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