#1

Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 22.11.2009 19:32
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte



Bettler sind Händler, die ein unschätzbares Gut für ein Almosen verkaufen: Menschlichkeit.




e-Gut
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#2

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 22.11.2009 19:53
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte

Hi Alcedo

Tja, ehm, also das ist mir zu romantisch gezeichnet. Der bemitleidenswerte, zu Unrecht in Armut lebende Bettler, der für ein Appel und ein Ei Menschlichkeit weitergibt bzw. verkauft? Ich bitte dich, Alcedo!

Wenn ich mir hier so die Bettler ansehe, die meist aus organisierten Banden bestehen, dann ... nä, sagt mir gar nicht zu.

Gruss
Margot


Die Frau in Rot

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#3

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 22.11.2009 20:14
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Alcedo,

Liest sich wie ein Spendenaufruf zur Weihnachtszeit. Muß ich mir merken, falls mich
mal eine ehrenamtliche Werbeaktion um die passende Broschürengestaltung bittet.

Inhaltlich hält der Text m. E. nicht stand. Süchtigen, die mich zwecks Finanzierung
ihrer Drogen anmachen, Trickser, die Hilfsbedürftigkeit - im wirtschaftlichen Sinne -
vortäuschen, und sich anschließend ins Fäustchen lachen, Zeitgenossen haben mir
dazu ein paar Takte bei passender Gelegenheit erzählt.
- Der Textbeginn: „Bettler sind Händler" regt diesen Gedankengang geradezu an.

Vielleicht liegt es an dem Begriff Bettler, der sich 2009 nicht mehr so romantisierend
begreifen läßt wie einstmals bei Ch. Dickens. (Heutzutage organisieren sich niedliche
Waisenkinder bsiweilen in Gangs und rücken der Bourgeoisie zu Leibe.)

Um nicht politisch unkorrekter Polemik geziehen zu werden: im Rahmen organisierter
Vereinstätigkeit leiste ich selbstverständlich meinen aktiven und finanziellen Beitrag.
Ich bin für Hilfestellung, das halte ich für unsere Pflicht, geht aber nur mit Verstand.

Sorry, ich schätze deine Beiträge, darum lese ich alles, was du schreibst. mcberry

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#4

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 28.11.2009 11:46
von Ralfchen (gelöscht)
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Zitat von Alcedo


Bettler sind Händler, die ein unschätzbares Gut für ein Almosen verkaufen: Menschlichkeit.






nun guteste(r) ALCEDO - dem kann ich in keinster weise zustimmen. bettler sind organisierte kriminalität. u. zw. in allen ländern. meist von den ansässigen zellen der zigeuner-mafia organisiert und kontrolliert. die polizeit ist machtlos dagegen. das einkommen eine bettlers in guter lage liegt zwischen 100 und 200 euros/tag. davon bleiben dem/der wichser/wichserin 30 bis 35%. der bettler verkauft dir nix mal nix. ein bekannter gab ner zigeunerbettlerin immer nen 50ziger (noch schillinge) als erihr mal nur zwanzig gab, beschimpfte sie ihn aufs ärgste. nicht selten werden schwer körperbehinderte eingesetzt, die ihre behinderung oder missbildungen oder kriegsverletzungen offen zur schau stellen. das ist entwürdigend und miserabel. und wenn du schon so einen wirren und irreführenden aphorismus schreibst, dann solltest du den umdrehen:


Bettler sind Gaukler,
die uns einen Blick
auf etwas werfen lassen,
das wir nicht sein wollen.



deinstens

zuletzt bearbeitet 28.11.2009 11:58 | nach oben

#5

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 28.11.2009 11:50
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Bettler verkaufen Almosen? Oder was? Na komm.

Gem


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#6

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 28.11.2009 17:26
von Brotnic2um • Mitglied | 645 Beiträge | 645 Punkte

Hi Al,

ich stimme Margot und Ralf zu. Das ist zu romantisiert. Kurzes Beispiel aus Berlin wo ich jährlich an die zwanzigtausend Kilometer runterschrubbe. Warum ich das erwähne? Weil mir aufgefallen ist, dass der klassische Berber, der klassische Punk von der Kreuzung fast vollständig verschwunden ist.

Wer kennt die Situation nicht? Man steht an der Kreuzung in einer langen Schlange vor der roten Ampel, schon kommt ein dienstbarer Geist an die Windschutzscheibe, zeichnet mit dem Gummi seines Wischers ein Herz so standfest wie Seife auf die Front und lächelt und seine Augen sagen: Wollen Rose? Wollen lieb sein? Wollen Gutmenschnorden verdienen? Ich blase Dir einen, dass Du denkst Du bist der Weihnachtsmann? Wer kennt das nicht?

Und ich erinnere mich, dass, bevor dieser Trend, diese Nebenverdienstmöglichkeit begann, ich meistens Gruppen unorganisierter junger Punks mit ihren Hunden an den befahrensten Kreuzungen Berlins sah, die sich zwar scheiße Mühe gaben, aber nicht so aufdringlich waren wie Straßenschwalben.

Kaum zwölf Monate später, ertappe ich mich dabei, dass ich denke, während ich wild gestikulierend dem Djin aus der Flasche, aus "Tausend und einer Nacht", meine Zustimmung verweigere meine Front zu putzen, meine Sicht zu verbessern, dass ich denke: "Ja, du siehst aus wie ein armer Hund, wie ein Zigeuner, so braun und so fremd, siehst aus wie ein armes Schwein, bist auch Eines, aber schaffst halt doch nur an für das Säckel deines verbrecherischen Gesindels. Ich kenn dich nicht, du arme Sau. Ich kenn nicht die Situation, den Druck, weshalb du anschaffen gehst, ob für deinen Patriarchen oder dein Mafiaschwein. Aber wo sind die kleinen Junkies hin, die diesen Markt des "Windschutzscheibenblasens ohne Gummi" erfunden haben, die mir ansonsten so ein gutes gefühl gegeben haben, wenn ich einen Euro springen ließ? Wo sind die kleinen Punks hin?

Heiß ich Friedmann? Denk ich, dass ich einer Hure aus Osteuropa einen Dienst erweise, wenn ich sie und ihre neun Schwestern aus dem Eichmannzug mal ran lasse? Bin ich ein Rassist, weil ich im Autokäfig wie Mengele die Verdammten, die Juden, die Zigeuner, die Punks und die, die es verdient haben, selektiere?


Gruß

Eckhard.


PS: Und jetzt denke ich an einen Menschen, der vor zwanzig Jahren noch in einem anderen Jahrhundert gelebt hat und barfuß durch die Straßen gelaufen ist.

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#7

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 29.11.2009 18:10
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Ich kauf ja nicht dem Bettler was und mir ist auch scheißegal, wer da was auch immer mit meinen paar lumpigen Cent macht, sondern ich kaufe mir etwas. Ich kaufe mir für ein paar Cent einen modernen Ablass, wenn ich nur naiv genug bin, eben nicht darüber nachzudenken, wer da bettelt. Genau aus dem Grund gebe auch ich keinem Bettler mehr etwas, aber bis vor ein paar Jahren tat ich es mitunter und fühlte mich dann jedes Mal ... menschlicher, genau. Daher funzt der Aphorismus schon ein wenig. Und dass er intensiverer Betrachtung nicht standhält, bewist ja nur, dass es sich um einen Aphorismus handelt.





Gedichte und Kommentare in allerbester Absicht

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#8

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 01.12.2009 00:12
von Ralfchen (gelöscht)
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gut geantwortet OLLI und auch du alter BROTNICerl. nur: ein wenig hart. so bin normalerweise ich, weil ich an den ungerechtigkeiten kein gutes haar lassen kann. ich würde für diesen abgestorbenen vierzeilen den begriff:

AFFERISMUS

prägen, denn sowas schreiben die primaten in bildsprache in den boden, wenn sie sich aus den baumkronen erstmals herablassen und mit ner bettelnden ratte konfrontiert sind.
aber im klartext: du schenkst dem bettler was und er nickt dir zu und denkt scih: beschissener wichser, dazu nickt sie/er dankend und verdreht die glotzer, wenn sie/er noch zwei hat.
ja und by the way bester Alcedo forumsweit: wo iss n' dein APHORISMUS I? den würde ich gern mal lesen.

zuletzt bearbeitet 01.12.2009 00:23 | nach oben

#9

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 01.12.2009 12:54
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Wenn du allen Affen recht gibst, dann ist das aber auch irgendwie affig.





Gedichte und Kommentare in allerbester Absicht

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#10

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 01.12.2009 22:42
von Ralfchen (gelöscht)
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na ja - allen affen geb ich nicht recht, nur denen die mir was eindringlich weismachen und beweisen können - hm?

zuletzt bearbeitet 01.12.2009 22:42 | nach oben

#11

RE: Aphorismus II (Bettler)

in Zwischenwelten 11.01.2010 18:10
von Alcedo • Mitglied | 2.708 Beiträge | 2838 Punkte

merci für die Antworten.

Dan Cranmer, ein Kwakiutl-Indianerhäuptling aus Kanada veranstaltete Anfang des vorigen Jahrhunderts die letzte große, dokumentierte Orgie des Schenkens, einen sogenannten Potlasch.
der Mann verschenkte in einem tagelang währenden Gebensrausch, alles was er besaß, alles was er im Laufe seines Lebens angehäuft hatte. Geld, Zelte, Boote, Felle, Waffen, Kleider, Schmuck, Nahrungsmittel, schlichtweg alles was ihm gehörte und dazu noch alles was ihm seine Bekannten und Freunde im Vorfeld der Orgie extra dafür geschenkt hatten, um es mit vollen Händen auszugeben - ohne Einschränkungen, an jeden Anwesenden.
den Behörden in Kanada fiel nichts anderes ein, zur Beseitigung des Menschenauflaufes, als den guten Cranmer in den Knast zu stecken wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.

die Mentalität und Einstellung dieses Indianers bleibt uns in ihrer Radikalität dermaßen fremd und unverständlich dass wir nichteinmal bewusst begreifen, dass sie in jedem von uns angelegt und vorhanden ist und meist sogar in den rudimentärsten Ansätzen ausgelebt wird, ausgelebt werden muss. es ist ein Bedürfnis. noch nicht mal ein primär menschliches, wie ich glaube. Anthropologen und Ethnologen sind angeblich davon überzeugt, dass erst durch das Schenken, der Mensch zum Menschen wird. wir sollten bescheidener bleiben. das hatten wir alles schon (beim Werkzeuggebrauch zum Beispiel). ich will nicht abschweifen. jeder, dem ein Haustier schon mal eine fette Maus oder Ratte als Geschenk vor die Füße legte, weiß was ich meine.

@Margot:
du wirst zugeben müssen, es entbehrt jeder Romantik: falls der Handel vonstatten geht, folgt er universellen Regeln - einer/eine gibt und einer/eine nimmt und viceversa. falls. falls nicht, bleibt es für mich hier belanglos.

@mcberry:
"ich schätze deine Beiträge, darum lese ich alles, was du schreibst." dafür, mein lieber, erstmal herzlichen Dank. das ist mehr als lohnend.
jeder erkennt einen Hungernden, einen Frierenden, einen Leidgeplagten. vielleicht hat nicht jeder von uns hier schon mal gebettelt. mach dir aber nichts vor, amice, auch Du würdest es tun, wenn du keinen anderen Ausweg sehen würdest. und ja, ich habe es auch schon getan.
und mit Verstand, mein lieber, lässt sich garnichts dagegen ausrichten, rein garnichts.

@Ralfchen:
du gaukelst dir selbst was vor. indem du alle Bettler als Kriminelle abstempelst, glaubst du sie ausgrenzen zu können.
Aphorismus I steht hier: Aphorismus I (Menschen)

@Gemini:
Händler, Gem, Händler, mehr nicht.

@Brotnic2um:
bitte sei so gut und versteig dich nicht mehr zu Mengelevergleichen.
ja, vielleicht denke ich anders, vielleicht wegen einem differenten Hintergrund. freut mich dass du das mit dem anderen Jahrhundert nicht vergessen hast, Eckhard.
vielleicht ist es aber auch bloss so, dass ich mit diesen Leuten sprechen kann (wie du es mit den Punkern sicher auch konntest). die meisten kommen ja aus Moldawien, Rumänien und Ungarn. es ist durchaus interessant zu erfahren wie hoch die Schleuserentgelte sind und welche Routen genutzt werden, und ob die Grenzer Dunkelhäutige immer noch nicht rauslassen. die Leute sehen ihre Tätigkeit hier im Westen als mehr oder weniger lohnende Alternative zur heimischen Arbeitslosigkeit. wirklich Mittellose können sich die Anfahrt hierher ja gar nicht leisten.
meist spreche ich auch nicht direkt die Bettelnden an, sondern jene die in der Fußgängerzone abseits stehen und sich nicht trauen hinzuknien, oder ähnlich demütigende Haltungen anzunehmen. die sind gesprächiger.
unlängst aber, habe ich einen am Weg sitzen sehen, der auffällig verwahrlost aussah. seine Kumpels hatten sich einige Strassen weiter am Weihnachtsmarkt vergnügt. er war schmächtig, barhäuptig und mit einer umgedrehten speckigen Schnabelmütze vor sich. ich fragte mich, ob er seine dunklen Haare diesen Winter schon einmal gewaschen hatte. als ich ihn ansprach blickte er auf. er verstand kaum was ich fragte. erst als ich dann bemerkte wie stark er schielte und die Art wie er lächelte, begriff ich langsam. er war das stumpfsinnige Mitbringsel der anderen. er hieß Jancsi, war zwischen dreissig und vierzig und kam aus Szeged.
Was tust du hier Jancsi?
"Anyám beteg." (Mutter ist krank) war die lächelnde Antwort. ich verhaspelte mich und wünschte ihm fast Frohe Ostern anstatt Weihnachten als ich ihm ein paar Münzen in die Mütze fallen ließ. ich hoffte wirklich eine oder zwei kommen bei seiner Mutter zu Hause an.

@oliver64:
richtig, eine andere Art Ablasshandel. gottseidank bekommt wenigstens der Vatikan nichts davon.
und nochmals richtig: es ist bloss ein Aphorismus.
verflucht, ich dachte nie, dass ich das je zu dir sagen würde, aber deine Kommentare zu meinen Texten in letzter Zeit, tun ziemlich gut und bestärken mich beim Schreiben. danke.

Grüße
Alcedo


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