#1

Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 21.10.2009 21:34
von hans beislschmidt | 160 Beiträge | 245 Punkte

Nur was ständig in Bewegung

Gebt mir einen festen Punkt
und ich heb die Welt aus ihren Angeln.
So denn dieser Leitsatz funkt,
wird uns keine Muskelkraft ermangeln.

Doch was Archimedes sinnentstellt,
unbestritten und von großem Wissen,
bewegt nicht das Gewicht der Welt,
wenn auch physikalisch dienstbeflissen.

Bei der Frage um das Rätsel Welt,
hilft kein Rohrstock und kein Lineal.
Und was sie im Innersten zusammenhält
entspricht moralisch keinem Ideal.

Keine Achse gibt’s den Menschen zu Gefallen.
Alles wiegt sich lediglich auf Wellen.
Reduziert die Zeit zu kleinen Intervallen,
kann die dunkle Seite nicht erhellen.

Fragen quälen nach dem Sein, Woher, Wohin
flüstern lediglich wie Waldesrauschen.
Sagen nur welch winzig kleines Teil ich bin,
und doch, bemüh` ich mich ums Lauschen.

Nur was ständig in Bewegung
kann als „Stetig“ mir erscheinen.
Taugt als einzig wahre Flugrichtung
und will die Zeit in mir vereinen.



Hans Beislschmidt


Das Leben ist kurz aber es geht vorbei
nach oben

#2

RE: Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 21.10.2009 23:28
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Abend, Herr Beislschmidt!

Nach einem verheißungsvollen Beginn, folge ich den Ausführungen in eine Welt, die von Physik spricht. Von der physikalische Sichtweise des Schreibers, der ich nicht richtig folgen kann, werde ich durch einen etwas unregelmäßigen Rhythmus abgelenkt und ein Hauch sichtbar gewollten Reimens schlägt stellenweise durch. Ich nehme einfach den guten Willen für die Tat und respektiere die Leistung. Nur wäre es schade, dieses Gedicht ohne Überarbeitung als fertig zu betrachten.

Gruß
Joame

nach oben

#3

RE: Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 22.10.2009 01:08
von hans beislschmidt | 160 Beiträge | 245 Punkte

Hey Joame,

das Frau Plebis geht so schwer über die Lippen - wir können uns doch duzen, wenn das OK für dich ist ...

also ... vielen Dank für dein bereitwilliges Auffangen …

Ganz so einfach ist es mit den physikalischen Gesetzen natürlich nicht, von den übrigen ganz zu schweigen … is halt kein "sorry" Gedicht

Ich habe mit diesem Werk versucht unser Dasein in bereits erbrachte erkenntnistheoretische Grundsätze einzubinden und eine lyrische Affinität herzustellen. Dass dies anhand der sechs Bedeutungen reduziert ausfallen muss, ist mir hoffentlich zu verzeihen. Um diese gedankliche Arbeit noch einmal für dich herauszuschälen, gestatte ich mir die angesprochenen sechs nachfolgend etwas detaillierter vorzustellen ….

In Antwort auf:
Gebt mir einen festen Punkt
und ich heb die Welt aus ihren Angeln.


Ich weiß jetzt nicht genau, wie die Moderation das sieht mit Link Hinweisen, deshalb empfehle ich dieses Zitat unter Archimedes weiter zu googlen. Als einfacher Hinweis könnte das vielleicht schon genügen.
Er hatte das Hebelgesetz entdeckt (oder zumindest mit diesem Spruch darauf angespielt). Wenn mein Hebel nur lang genug ist, und der Hebel auf der anderen Seite kurz genug, und ein fester Punkt dazwischen, um den sich der Hebel drehen kann, dann kann ich ein beliebig großes Gewicht heben. Also theoretisch auch die gesamte Erde. Ich bräuchte dazu nur einen riesigen Hebel und einen festen Punkt. Dass das Gewicht von Dingen auf der Erde nur durch die Anziehungskraft der Erde entsteht, wusste Archimedes freilich noch nicht...

In Antwort auf:
Und was sie im Innersten zusammenhält
entspricht moralisch keinem Ideal.


Das ist jetzt wieder etwas einfacher, denn im Faust nachzulesen …
Der Gelehrte Heinrich Faust zweifelt am Erkenntniswert der Wissenschaft, die
weit davon entfernt ist, zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Es entspinnt sich in der Folge eine wunderbare Diskussion mit Mephisto

In Antwort auf:
bewegt nicht das Gewicht der Welt,


Das Gewicht der Welt – das bedeutendste Buch von Peter Handke ist nun auch nicht der Brüller aber sehr ästhetisch in Sprache und Aufbau, steht für Schönheit der Sprache.

In Antwort auf:
Reduziert die Zeit zu kleinen Intervallen,


Dieser physikalische Ansatz ist nicht so wichtig, vielleicht für Akustiker oder Elektrotechniker …

In Antwort auf:
Fragen quälen nach dem Sein, Woher, Wohin


Das könnte man etwas intensivieren, wenn man nachliest bei „Kritik an der reinen Vernunft“ von Kant, da sind diese drei "Schlagworte" Bestandteil erkenntnistheoretischer Überlegungen.

In Antwort auf:
Nur was ständig in Bewegung
kann als „Stetig“ mir erscheinen.


Dieses ständig in Bewegung sein ist der Denkansatz von Karl Jaspers, der seinen Existentialismus gerne mit einer Planke in den Wellen verglichen hat – will sagen, es gibt keinen Fixpunkt – nichts – absolut nichts – nur die Bewegung ist letztlich eine Konstante.


Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken etwas verdeutlichen und vermitteln, dass die Bedeutung nicht nur im gewollt-gekonnten Reimen liegt und lediglich den guten Willen und die metrische Willfährigkeit benötigt. Es gehört schon auch ein bisschen WISSEN dazu, manchmal jedenfalls. Wenn du glaubst dem Werk aus dem unfertigen Status verhelfen zu können, würde ich mich freuen mit dir über Kadenzen und Philosophie zu diskutieren .

Gruß vom Hans


.


Das Leben ist kurz aber es geht vorbei
nach oben

#4

.

in Philosophisches und Grübeleien 22.10.2009 10:08
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

.

zuletzt bearbeitet 21.12.2021 20:12 | nach oben

#5

RE: Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 22.10.2009 19:12
von hans beislschmidt | 160 Beiträge | 245 Punkte

Hey Joame,

Bis auf das „Gewicht der Welt“ konnte ich meine Strophen-Gedankenansätze gut transportieren. Nur im Falle Peter Handkes scheinen wir unterschiedliche Meinungen zu haben.

In Antwort auf:
In dieser Zusammenhang sehe ich Handke nicht als kompetent an


Das Gewicht der Welt sehe nicht ausschließlich vor dem Hintergrund der schönen Sprache, sondern auch vor dem Hintergrund des politischen Peter Handke. Er, der von der Stadt Düsseldorf wieder ausgeladen wurde, weil die Jury ihn nicht für würdig erachtete den Heinrich Heine Preis in Empfang zu nehmen. Er, der sich politisch als Slowene äußerte und die Bombardierung Belgrads in „le Monde“ anprangerte, hat sich den journalistischen Unmut zugezogen. Er, der Milosevic in den Haag im Gefängnis besuchte hat sich um den Literatur Nobel Preis gebracht, wovon Elfriede Jellinek letztlich profitierte. Er, der seine Preisgelder zurückgegeben hat und seinen handschriftlichen Nachlass veräußert hat und dieses Geld den Dörfern im Kosovo gespendet hat, hat sich in der Denknomenklatur des bürgerlichen Westens zu Persona non grata gemacht … und doch hat er Rückgrad bewiesen in seiner eigenen widersprüchlichen Art. Für mich hat er aus diesem Grund dem Buch „das Gewicht der Welt“ eine neue Deutung beschert.

Man könnte darüber sinnieren ob 1389 bei der Schlacht auf den Amselfeldern die Serben die Hegemonie des Osmanischen Großreiches gebrochen haben und sich für ein christliches Europa geopfert haben. Man könnte weiters den Schluss daraus ziehen, dass dieses Ereignis die Serben nicht vergessen haben und deshalb zu Recht, wie ich meine dieses Kosovo als ihre Heimat betrachten. Man könnte weiters den Schluss ziehen, dass die muslimischen Nachfahren der Osmanen die heute fälschlich als Kosovaren bezeichnet werden keinen Anspruch auf die feindliche Landvereinnahmung haben. Wenn dieser etwas längere Gedankengang zu dem führt, für was Peter Handke in seinem Serbienbild steht – dann wären wir dem „Gewicht der Welt“ ein Stückchen näher gerückt.

Manchmal ist ein kleines lyrisches Versatzstück doch umfangreicher als man glaubt …

Gruß vom Hans


.


Das Leben ist kurz aber es geht vorbei
zuletzt bearbeitet 22.10.2009 19:14 | nach oben

#6

RE: Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 26.11.2009 12:55
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Hallo Leute

Ich sage euch nur meine Meinung, aber wenn ein Gedicht so in seine Einzelteile zerlegt werden muss um es zu interpretieren, ist es kein Gedicht. Ein Gedicht funktioniert, oder es funktioniert nicht. Ein Gedicht ist ein Impuls. Keine Erklärung über den dreißig jährigen Krieg.
Ich denke hier, dass jemand seine Aufgaben gemacht hat und Rede und Antwort stehen kann. Eine eigene Sprache, kann ich nichct erkennen. Ich sehe auch nicht, was die Menschen mit einem langen Hebel machen sollten? Ich könnte noch weiter in die Tiefe gehen, aber das mache ich nicht.
Vereinfacht, sehe ich eine Figur, die keine Richtung verfolgen will. Sie steht auch keinem Wunder gegenüber. Es ist nur der Protagonist hier, der über die vermeintlichen Wunder der Zivilastion sinniert.
Für ein Gedicht ist es für meine Begriffe zu wenig. Für einen abendfüllenden Plausch genug.

Lieben Gruß

Gem


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

zuletzt bearbeitet 26.11.2009 12:56 | nach oben

#7

RE: Nur was ständig in Bewegung

in Philosophisches und Grübeleien 26.11.2009 22:29
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

So hart würde ich es nicht formulieren, bitte etwas mehr Respekt vor einem schon bekannten Poeten, der einen Ruf vorzuweisen hat.
Es ist doch ein Gedicht; die 'wissenschaftlichen Gedanken' müssen wir nicht zu unseren eigenen machen.

Gruß
Joame

nach oben


Besucher
0 Mitglieder und 18 Gäste sind Online

Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: Christian87655
Forum Statistiken
Das Forum hat 8220 Themen und 61619 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online:

Besucherrekord: 420 Benutzer (07.01.2011 19:53).