#1

Keine Ahnung

in Diverse 27.04.2009 18:48
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Keine Ahnung

Ich weiß nicht mal, warum mein Haus brennt,
noch warum im Garten davor keine Frau - nicht mal zufällig -
durch meinen lockeren Gürtel auf meinen Arm steigt.

Geschweige denn, weshalb Maschinen und Menschen
ihre Zeiger verlieren, anstatt durchzudrehen
und gegen die Fußstapfen der Sonne seilzuspringen.

Statt dessen verrauchen die Fragen in den Hälsen der Flure,
bis meine Hose auf den Boden in die Flammen fällt,
um die letzte zu stellen - was in den Taschen war.

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zuletzt bearbeitet 27.04.2009 18:49 | nach oben

#2

RE: Keine Ahnung

in Diverse 28.04.2009 09:15
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Hallo Gunter,

Heinz Erhardt hat einmal aus dem Stand heraus, während eines Interviews, als er krampfhaft versuchte, seine Hose anständig zu schließen, folgenden Spruch gebracht: Alles auf der Welt geht natürlich zu, nur meine Hose, die geht natürlich nicht zu. Keine Ahnung, warum ich jetzt daran denken musste, vermutlich, weil ich nur eine eigene Ahnung habe, worum es in deinem Gedicht gehen könnte, während das lyrische Ich sich zuhause die Hose abschnallt und fallen lässt.

Ich lese es als ein Gedicht über die Spannungen und Verkrampfungen zwischenmenschlicher Beziehungen, die sich eigentlich keiner wünscht, kaum einer versteht, wie und warum sie entstanden und vor allem, wie sie schnell und unblutig zu beenden sind. Das haus des lyrI brennt und er hat keine Ahnung warum. Die Eifersucht des Partners scheint unbegründet, da doch weder gezielt noch zufällig irgend eine Frau dem lyrI durch die freigelegte Unterhose in die Arme springt. Möglich ist natürlich auch, dass dieses lyrI vollkommen einsam ist und an der Welt verrückt geworden, sein Haus tatsächlich in Brand gesetzt hat, aber mir gefällt das brennende Haus als Metapher dann doch noch besser.

Jedenfalls beeindruckst du mich mit ungewöhnlichen Formulierungen, die aber allesamt nachvollziehbar sind. Die gottlob einzige Ausnahme findet sich in S2V3, diese Metapher ist mir zu dunkel, klingt aber schön durchgedreht. ;)

Wenn ich jetzt so davor sitze, kommt mir meine Eifersuchtsdramadeutung doch etwas hergeholt vor. Es spielt letztlich auch keine Rolle, welches Lebensdrama dieses lyrI verbrennen lässt, am Ende stellt sich nur die Frage, was in den Taschen war und das ist entgegen meiner Vermutung eher keine inquisitorische Frage der gehörnten Ehefrau, sondern eine philosophische, sorry. :o Klasse Gedicht, gefällt mir sehr gut und zwar ohne Abstriche.

Gruß
Oliver





Gedichte und Kommentare in allerbester Absicht

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#3

RE: Keine Ahnung

in Diverse 05.05.2009 09:24
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte

Hallo Oliver,

erstmal entschuldige die späte Rückmeldung. Ich habe mir einen Keks gefreut über Deinen Kommentar, was die Kommentarschlampe in mir aber nicht verdrängen konnte.

Ja, natürlich habe ich wiedermal den Blick auf die Zwischenmenschlichen Beziehungen, den ich auch so gerne auf (fast) alles andere beziehe.
Die Ausnahmenmetapher S2V3 hat zugegebenermaßen auch vordringlich die Funktion abgedreht bzw. besser gesagt durchgedreht zu klingen in Bezug auf den Vers davor. Wobei der Gedanke hier der war, dass hier der Verlust der Zeiger ein Lösen von Ordnung und Struktur gemeint ist, die Fußstapfen der Sonne sich natürlich auf den Lauf der Sonne als eine Art Sonnenuhr beziehen, das Seil beim Seilspringen sich eigentlich auf die Kabel der Maschinen beziehen sollte. Aber letzteres ist wahrscheinlich etwas zu weit weg.

Ich gebe zu, dass ich jetzt aus lauter Eitelkeit gar nicht viel mehr zu dem Text sagen will, außer dass Deine Deutungsansätze eine Bestätigung für mich sind, dass das Gedicht funktioniert und damit komme ich wieder auf den Eingangs erwähnten Keks zurück.

Danke für Deinen Kommentar und viele Grüße,
GW


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#4

RE: Keine Ahnung

in Diverse 05.05.2009 22:22
von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte

In Antwort auf:
Zitat von GerateWohl
Keine Ahnung

Ich weiß nicht mal, warum mein Haus brennt,
noch warum im Garten davor keine Frau - nicht mal zufällig -
durch meinen lockeren Gürtel auf meinen Arm steigt.

Geschweige denn, weshalb Maschinen und Menschen
ihre Zeiger verlieren, anstatt durchzudrehen
und gegen die Fußstapfen der Sonne seilzuspringen.

Statt dessen verrauchen die Fragen in den Hälsen der Flure,
bis meine Hose auf den Boden in die Flammen fällt,
um die letzte zu stellen - was in den Taschen war.




Hi GW.,

ich will Dir ja nicht Deinen schönen Text vermiesepetern, der ist nach meinem Empfinden EIGENTLICH ganz großes Kino, nur komme ich mal stänkern, ein bisschen wenigstens ;-))), wegen der Aggregatzustände welche dieser auslöst/beinhaltet/verpufft/zerfließt kann/könnte, - aber nur, weil Du mich bei Deinem anderen hübschen Ding immer noch so blöde aus der Wäsche schmulen läßt.


"Ich weiß nicht mal, warum mein Haus brennt, "
...Was weiß du denn überhaupt? UND was ist das denn für ein Einstieg, bitte, soll das eine Frage sein? - Keine Ahnung!
"noch warum im Garten davor keine Frau - nicht mal zufällig -"
...was bitte hat der Garten davor mit dem oben genannten brennenden Haus zu tun!? ...und dann auch noch mit dem Zufall tanzen wollen! Schon mal was von Bells Theorem gehört? Ernsthaft jetzt, spätestens hier wird klar, dass du ein ziemlich armer Hund ist. Warum auch immer, vielleicht ist der so schön daneben und asynchron (sowohl Zeit!) dass er immer voll daneben greift/macht... Keine Ahnung!
"durch meinen lockeren Gürtel auf meinen Arm steigt."
...wieso hat du so massiv abgespeckt, dass die Hose schon am A...llerwertesten schlackert?
Sorry, auch wieder etwas zurück, "durch meinen lockeren Gürtel" ist mehrfach auslegbar, jedoch habe ich keine Ahnung, ernsthaft, wieso hier auch noch jemand auf den Arm steigen soll, auf den Arm nehmen ist doch schon sowohl als auch auslegbar, aber durch den lockeren Gürtel, die lockere Leine, die das du sich liebestoll und treuherzig umlegte???
Ich bin ja so blöde! Das du versucht eine Frau zu retten, es würde sie herausheben aus diesem unsäglichen Zustand, welcher das auch immer sein soll, das brennende Haus - die Angst, personifiziert und auch nicht, ebenso die, dass MaDame sich noch im Haus befindet und Hilflosigkeit gegenüber dem Ausgeliefertsein der Situation... irgendwie so... Keine Ahnung!

"Geschweige denn, weshalb Maschinen und Menschen "
... Menschen >?sind hier?< Computer/ Maschinen, also Menschen, hää?* -wirklich, jedenfalls verstört mich diese pauschale Aussage derart, ... *oder schlicht einfach getrennt zu betrachten? Keine Ahnung!
"ihre Zeiger verlieren, anstatt durchzudrehen"
...dass ich unweigerlich an Korzybski denken muss, wegen dem, wenn ersteres zuträfe, Überstülpen von Eigenschaften auf Gruppen und klar darauf poche, dass der sagte, was ich auch ganz fest glauben will, so in etwa: nur in einem Bereich ist es legitim Gruppen Eigenschaften zuzuschreiben, nämlich Mathe! Weil Mengen völlig abstrakt sind und durch Definitionen erzeugt werden und nicht außerhalb bloßen Denkens... ich trage übrigens keine Uhr, die verlor ich neulich im Media-Markt am Alex, seitdem, ist schon ne Weile her, renne ich auch zeitlos durch die Gegend und versuche immer einzuholen, was schon längst abgezählt ist... vielleicht kennt mich das du oder das du ist ich oder wir oder keiner...??? Keine Ahnung!
"und gegen die Fußstapfen der Sonne seilzuspringen."
... du ist heute völlig neben der Spur, schwankt in Zukunftsangst und Wehmutsanfällen, klammert am irgendwie Greifbaren, Naturgesetzmäßigkeiten, aber selbst die sind nicht das, was sie gerade noch erschienen, plausibel, nein, selbst die umgebenden dus, rennen aus seiner Sicht ziemlich irre in der Gegend herum und um dem zu entrinnen, veranstalten sie die seltsamsten Absurditäten, nur du hat keine Ahnung, ob das an ihm liegt oder an den anderen und sonst auch keinen Schimmer von rein gar nichts, bezweifelt die Echtheit, die Authentizität... Wovon, allem und nichts? Keine Ahnung!

"Statt dessen verrauchen die Fragen in den Hälsen der Flure, "
...du ist einsam, abgetrennt, oder aber bewußt selbstisoliert, was das andere ja nicht unbedingt ausschließt, jedenfalls bekommt du keine Antworten auf seine Fragen, wo auch immer die gestellt werden und vordergründig, auch wenn es sich mir nicht erschließt, von wo, ob die anderen Hohlräume/Leerkörper dastehen, gibt es überhaupt ein hier indirekt angesprochenes du? ... es offenbart sich mir nicht. Nicht so. Keine Ahnung!
"bis meine Hose auf den Boden in die Flammen fällt,"
... das du schließt den Kreis, den Gürtel leider nicht, gelangt irgendwie wieder an den Ausgangspunkt, das brennende Haus, aber es könnte auch sein, dass du sich durch unaufhörliches Geschrei derart aufbraucht, und warum ist da eigentlich Feuer? Und wieso ist du mittendrin, nicht im Garten, rennt es rein?
Ist das eine Schleife und kein Kreis?
Oder spontane Selbstverbrennung, aber wieso sind die dann auf dem Boden, die Flammen? Keine Ahnung!
"um die letzte zu stellen - was in den Taschen war."
...alles in allem ist das letzlich egal, vergänglich und wenn es Liebe war, was solls, vorbei ist genau das und fein ist, dass diese Frage nicht beantwortet wird, sondern sich trägt weiter und weiter und was ist schon Gefühl? Keine Ahnung!

Schluss und endlich wäre dem lyr. Du nahezulegen: WAS, verdammt, IS NUR LOS MIT DIR? Reiß dich mal zusammen, schön ordentlich! Lass dich nicht so hängen! Verstehste? Nich?! Keine Ahnung!


Wie immer gern gelesen, war ganz schön schwer - aber geistig sehr befriedigend :-))))))))))))))))


Und es ist mir schnurz, ob genau DAS Deine Intention war ;-) Den 2. Absatz kannst Du also gerne völlig ignorieren, da war mir schlicht etwas hilflos nach klugschönreden zumute, auch, wenn es doch nur der Zustand des dus eingebettet in die erste und letzte Strophe ist. Besonders gelungen finde ich dieses Schleifchen aus den sich ergebenden/zusammenreimenden Aspekten, das spielt sich immer wieder ab... wenn man möchte...

Fein, fein, fein...


Allerbestens,
GB.


_________________________________________________________
>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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#5

RE: Keine Ahnung

in Diverse 06.05.2009 18:26
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Geratewohl,
ein schönes Stück absurder Lyrik. Der Einstieg erinnert ein wenig an die Werbung in der ein Typ u.a. fragt, ob jemand weiß wo seine Badewanne abgeblieben ist.
Ansonsten gefallen mir die ineinanderfließenden Szenen, des brennenden Hauses, der ominösen nicht vorhanden Frau und der Frage nach dem Tascheninhalt der rutschenden Hose gut.
Sich einen "Reim" darauf zu machen ist unnötig, denn der Text kommt ohne aus.
LG
Perry

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