#1

In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 18.04.2009 23:59
von LottaViktualia | 31 Beiträge | 31 Punkte
In mir ist eine Höhle
Jan. '09

In mir ist eine Höhle. Groß und hohl und leer.
Dort kreisen wie lachende Möwen, spöttisch…
Und lachen dabei.
Die, wie Möwen. Im Kreis.

Ich sagte „bitte“ – du wandst dich von mir ab.
Von deiner Zunge, wie Funken, bellender Spott.
Wie sprühende Funken stieg er auf
– prallte an der Zimmerdecke ab und kam zurück –
schlug ein, in mich.

Zerschmetterte den Umhang, der noch kein Flügel war.
Es waren Pseudo-Flügel – War mein Gott.
Ach! Wie hatte ich ihn angefleht!

Auf den wunden Schultern, ein Umhang, der eitrige Geschwüre verbarg.
Mein kostbarster Besitz – Decke aus Glas.

Tausende von Splittern als sie zerbarst.
Ein Regen. Traumregen.
Hoffnungsschwanger: ich.
Zu früh! Da waren noch keine Flügel.

Abort.

Allein.
Von dannen. Ging: ich.
Und nahm in mir, sie, wie Möwen, mit.

In mir ist eine Höhle. Groß und hohl und voller Funken.
Dort kreisen wie Pfeile, klingenscharf … gefährlich.
Sie, wie Klingen.
In mir.
zuletzt bearbeitet 19.04.2009 00:01 | nach oben

#2

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 26.04.2009 17:58
von gheggrun | 377 Beiträge | 377 Punkte

Hallihallo Viktualia!
Dein Gedicht strahlt ein Erleben aus,-nicht nur eine Beobachtung oder Idee.
Es hat bei mir den Wunsch ausgelöst, dem etwas entgegen zu setzen.
"Raben und Möven" ist mir dazu eingefallen,-hoffentlich etwas weniger schwermütig.

Raben und Möwen


Die klugen Raben
sind keine weißen,
eleganten Möwen,
die nichts vergraben,
um’s aufzuheben,
zu bewahren.

Die Möwen kreischen,
häßlich und verstimmt,
im zornheulendem Wind,
wo Raben schweigen.
Knochenfelder sind
ihre Weiden.


Die alten Leichen
säubern sie geschwind,
erfolgreich und bestimmt.
Licht wird bleichen
die Befreiten.

Der Höhenflug gelingt
Schwarzen wie Weißen
auf Flügelfederweichem.
Wenn der Wunsch verrinnt,
Frieden beginnt.




Hastanirwana
GHEG
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#3

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 28.04.2009 09:31
von oliver64 • Mitglied | 352 Beiträge | 352 Punkte

Hallololöchen Hallo,

ja, auch mir ist da etwas in den Sinn gekommen, was hoffentlich so etwas wie ein Abrundung darstellen kann:

Die Raben und Beeren,
die krähen vergnügt.
Sie sehen die leeren,
sie säen die Lehren,
und das ist verzwickt:

Was fruchten die Früchte,
wer liest sie zur Reife?
Wer steht dann im Lichte
und riefe: Begreife
die schriftliche Dichte?

So nicken die Kröpfe
und würgen im Chor.
Noch während ich schöpfe,
geht deutlich hervor,
was niemand erblickt.

Beste Grüße
Oliver





Gedichte und Kommentare in allerbester Absicht

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#4

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 07.06.2009 20:56
von LottaViktualia | 31 Beiträge | 31 Punkte

Hallo gheggrun und oli,

danke sehr für eure Beiträge -- wenn ich auch zugeben muss, dass ich mir insgeheim auch so was wie "zu viele Zeilensprünge" oder so was in der Art erhofft hatte.
Aber man kann schließlich nicht alles haben. ;)

Verspätete Grüße von Lotta,
die läuft und lacht.

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#5

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 15.06.2009 00:42
von Kjub • 498 Beiträge | 499 Punkte

Guten Morgen Lotta, seltsam, was du mit den Metaphern machst. Da ist ein Umhang, der Flügel werden soll/ könnte, der dann zu einer Decke aus Glas wird, um schlussendlich zu zerspringen. Hm, dieses Bilderspringen wirkt unruhig und unrund, andrerseits hat es eine chaotische Lebendigkeit, wie gheg schrieb.

In Antwort auf:
Es waren Pseudo-Flügel – War mein Gott.
Ach! Wie hatte ich ihn angefleht!
An dieser Stelle steige ich gedanklich aus, weil ich nachhaken muss - hier ist mir der Gedankensprung zu krass. Inhaltlich ist es zwar denkbar, aber der Lesefluss geht verloren.
Ein schönes Werk, wirkt inspiriert und mit lebendigem Herzen geschrieben.
Kjub

Ps: Wie die nachfolgenden Gedichte in ihrem Strophenkorsett eine Abrundung darstellen sollen, erschliesst sich mir nicht.

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#6

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 30.06.2009 16:54
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Ahoi Lotte

Zuerst fällt mir dein eigenwilliger Stil auf.
Du beherschst die Sprache eindeutig und ich könnte mir eine Scheibe davon abschneiden.
Der Spagat zwischen den Metaphern gelingt dir ausgesprochen gut. Es stehen so viele Kontraste in deinem Gedicht, dass ich nicht recht weiß, wo ich ansetzen soll. Du stellst die Möven gegen die Zimmerdecke. Du vermagst den Freiraum mit der Begrenztheit in Einklang zu bringen. Es sind einige Perlen in deinem Werk versteckt. Es ist die Kontroverse, die du suchst. Es ist das Gute gegen das Böse ohne das Aufkeimen einer Gewalt. Trotzdem wird es nicht steril. Es ist wie es ist. Ein ausgesprochen interessantes Werk.

Lieben Gruß

Gem


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#7

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 01.07.2009 14:39
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Lotta,
ein Text der herausfordert, weil er Bilder nur anreißt und sehr sprunghaft agiert.
"Dort kreisen wie lachende Möwen -> ja wer oder was kreist denn da? Vielleicht die Gedanken.
Was mir weniger gefällt sind die unnötigen Erklärungen wie:
Höhle -> groß, hohl ...,
Lachende Möwen, spöttisch -> beides kann sich der Leser selber vorstellen.
Insgesamt bin ich deinen Gedanken aber gerne gefolgt.
LG
Perry

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#8

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 01.07.2009 17:20
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte

Hallo Perry

Ich denke, dass du hier Unrecht hast. Die spöttischen Einlagen sind wohl kalkuliert. Gerade das macht den Reiz. Ich denke, dass die Ausgewogenheit dieses Werk auszeichnet und das ist es, was ein Gedicht ausmacht. Es gibt hier einen eindeutigen Stilmix, der besteht. Meine größte Angst besteht darin, dass der Autor irgendwann begreift, was er da schreibt.
Es gibt nach wie vor ausgezeichnete Dichter im Forum. Dieses Gedicht beweißt das. Ein neues frisches Gesicht. Ein neues Gesicht des Schreibens.


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#9

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 01.07.2009 17:51
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Gemini,
es geht doch hier nicht um Recht oder Unrecht haben, sondern darum Textstellen aus der subjektiven Sicht des Lesers kritisch oder lobendend zu beleuchten.
LG
Perry

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#10

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 02.07.2009 13:53
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte



Ja sicher Perry, du hast Recht. Natürlich ist es deine subjektive Sichtweise und mein Kommentar hat dir die genommen.
Allerdings bist du einer der wenigen Poster, welche die Tiefe in dem Werk bemerkt haben.
Was ich allerdings unnötig empfinde, ist das Korsett, welches die anderen Kritiker dem Werk anlegen möchten.
Ich würde mir hier keine andere Form wünschen. Es passt in kein Shape.
Es liegt an der sensiblen ausgeglichenheit der Verknüpfungen.
Ich denke, dass dieses Werk mehr birgt als es zu scheinen vermag.
Man erkennt deutlich die Geburt des Individuums. Es ist ebenj so, dass der Mensch sich aus einer Schale löst. Hier wird auch eine Geburt beschrieben. Es ist ein zweidimensionales Gedicht, welches die Kamerawinkel auf verschiedene positionen wirft. Es ermöglicht den Blick auf das Kind, den Mann und die Frau.
Alleine in dem Satz mit den Flügeln, erkennst du den Bruch. Es platzen die Geschwüre.
Das interessante an dem Werk ist nicht die Tiefe, es ist nicht das Werk, nicht die Kombination. Es ist das Fehlen eines Kompromisses.
Mag sein, dass das ein Erstlingswerk ist, aber die Kühle Atmosphäre und die eindeutige Beherschung der Sprache machen das wett.
Womöglich ist ihr nächstes Gedicht auch Mist, aber das hat Potential.

Lieben Gruß

Gem


Über mich erzählten sie endlose Schrecklichkeiten und Lügen, dass einem schier die Phantasie platzen wollte. Offenbar stärkte es sie innerlich, derart über mich herzuziehen, es brachte ihnen Gott weiß welche Art Mut, den sie brauchten, um immer erbarmungsloser zu werden, widerstandsfähiger und regelrecht bösartig, um durchzuhalten, um zu überstehen. Und auf diese Weise schlecht zu reden, zu verleumden, zu verachten, zu bedrohen, das tat ihnen ganz offenbar gut.

L.F Celine

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#11

RE: In mir ist eine Höhle

in Düsteres und Trübsinniges 24.07.2009 20:47
von LottaViktualia | 31 Beiträge | 31 Punkte

Hallo ihr drei. Danke für Eure Reaktionen!
Ich muss gestehen, dass ich mich in anbetracht der entstandenen Diskussion ein wenig hilflos gefühlt habe. Deshalb hat es lange gedauert. Nun aber...

Guten Abend Kjub, ich kann nachvollziehen, wenn du die Gedankensprünge zu krass findest. Es freut mich umso mehr, dass du trotzdem zu einer positiven Beurteilung kommst.

Hallo Perry, Die Frage nach dem "wer oder was" das dort kreist ist sehr wichtig. Allerdings obliegt die Antwort dem Leser. Ich selbst glaube, dass diese "Variable" wichtig ist, denn das lyr. Ich ist in seinem Erleben gefangen und scheitert bei dem Versuch das Erlebte zu artikulieren, weil es "keinen Namen hat". Deshalb kann auch nur das benannt werden, was bereits klar ersichtlich/ logisch ist. Die Eigenschaften der Höhle zum Beispiel. Aber das ist sicherlich nur ein Teil der Wahrheit, ;) nicht die einzige Art, diese Zeilen zu lesen und das ist gut so.

Ahoi Gemini, herzlichen Dank für das Lob! Es freut mich sehr! Das ist zumindest das erste Werk nach einer Neugeburt, während der ich mich z.B. aus einem engen, unbequemen Korsett befreit habe und anschließend lange schlief um mich von den Strapazen zu erholen.

In Antwort auf:
Meine größte Angst besteht darin, dass der Autor irgendwann begreift, was er da schreibt.
-- Meine größte Angst besteht darin eines Tages diesen Satz genau in der Weise zu verstehen, wie du ihn gedacht hast. ;) Leider fürchte ich, deinen Hoffnungen an mein Geschreibsel nur unzureichend entsprechen zu können. Das war nur ein Versehen und ich habe damit zufällig deinen Geschmack getroffen.
Und warte auf meine fürchterlichen sprachlichen Entgleisungen! ;)
Wenn du sagst, ich beherrschte die Sprache, dann ist das sehr nett. Mein eigenes Gefühl ist aber inmitten der Höhle zu stehen und da kreisen sie alle, die bösen Wörter. Ich werde immer kleiner in diesem Strudel. Und dann stürzen sie auf mich ein wie die bösen Hitchcock Vögel; es gibt da ein großes Puzzle in dem das letzte Stückchen fehlt, aber in Millionen von Teilen scheint es keins zu geben, das hinein passt... und dabei geht meine Frisur natürlich kaputt und ich stehe scheisse da. Das kennt man ja. Kein gutes Gefühl. -- So viel zu meinem persönlichen Verhältnis zu Sprache. ;)

Es grüßt Euch herzlich,
Lotta.

zuletzt bearbeitet 24.07.2009 22:39 | nach oben


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