Reiseführer in der einen, Latte Macchiato in der anderen Hand, beugt er sich zu ihr herüber. Sein Atem riecht nach letzter Nacht.
Sie dreht den Kopf zur Seite. Tauben. Graue Flecken auf Natursteinpflaster. Fressen, scheißen, schlafen, sich paaren und wieder fressen. Ihre Zunge bleibt am Gaumen kleben, als sie versucht zu schlucken.
Sein Haar fällt widerspenstig über die Augen. Grau an den Schläfen, aber immer noch dicht. Er möchte eine Fahrt auf dem Canal Grande machen, sagt er, mit der Linie 1 vom Piazzale Roma bis zum Lido. Paläste, Markusplatz und Seufzerbrücke inklusive. Sehenswürdigkeiten im Schnelldurchlauf, die ganze Stadt an einem Tag.
Ihre Mundwinkel lächeln. Ihr Rachen schmerzt, als sie die Trockenheit mit Kaffee hinunter spült. Ihre Füße kribbeln. Es wird regnen.
Ein kurzes Aufflattern. Ein paar Kinder versuchen die Tauben zu verscheuchen. Lachen. Leben.
Seine Augen sind noch blauer als sonst. Heller. Die Gedanken direkt unter dem Wasserspiegel. Ein leeres Glas, eine Packung Zigaretten, das goldene Feuerzeug. Seine Hand auf ihrer, schwer und feucht. Sie könne nicht, sagt er, sieht ihr dabei ins Gesicht, atmet ein, schließt den Mund. Die Falte zwischen seinen Augen, tiefer als im letzten Jahr. Als gestern? Die Sonne brennt schmale, rote Kanäle auf die Karte seines Handrückens.
Ihre Finger versteifen sich. Ein kurzer Widerstand, dann sieht er auf seine Armbanduhr. Ob sie Frühstücken möchte, fragt er. Ihr Magen rebelliert, sie nickt langsam. Flimmernde Luft, verwischte Sicht und unter ihrem Stuhl klebt Kaugummi. Sie reibt die klebrigen Finger an ihren Shorts. Nicht sehr erfolgreich, aber ausdauernd.
Er greift zu den Zigaretten, steckt sich umständlich eine an. Saugt den Rauch tief in die Lungen, wartet, eine halbe Sekunde zu lang, bis er ihn durch die Nase ausbläst. Noch einmal: sie könne nicht. Etwas leiser: Wir. Aber nicht zu ihr, nicht direkt. Er zieht die Schultern hoch. Ein Kind, ein kleiner Junge nur.
Sie steht auf. Hastig. Stößt ihre Tasse von dem kleinen Bistro Tisch, geht zur Toilette, lässt kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen. Betrachtet ihre Finger. Das Gesicht im Spiegel. Die Fliege in den weißen Fugen.
Wieder draußen, schlägt ihr der Tag ins Gesicht. Grell und heiß.
Sein Rücken ist gebeugt, selbst im Sitzen noch. Sie schließt die Augen, spürt den Regen schon lange, lange bevor er ihre Haut berührt.