#1

Weißes Wesen

in Düsteres und Trübsinniges 06.02.2005 00:36
von Genesis (gelöscht)
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Weißes Wesen


Nun lass den Morgentau dich hüllend winden
Und selbst die Sonnen schmiegt dein hörig’ Engelsgang.
Der stickend Nebel schweigt für dein’ Gesang,
Nun komm, vom Brückenufer lass entschwinden.

Mein weißes Wesen zögerst? Hältst für Schein?
Auf geht’s! Die Brück’ lass schweifen. Fühl den Regen,
Wie seid’nes Leben strömt im nassen Segen.
Und langsam formt dein Schritt den Wegeshain.

Was wendest Blick zur modrig Balkenbrücke?
Die Perlen zier’n die fiebrig’ Stirneslücke.
Besinn dein Weg, den Fluten letztes Pfand.

Das weiße Fieber lockt mit eis’ger Hand.
Der Nebel füllt mit Greul und Hass die Lungen.
Als schmerzlich Lieder, deine Lippen sungen.

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#2

Weißes Wesen

in Düsteres und Trübsinniges 06.02.2005 14:45
von MrsMerian (gelöscht)
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Hi Gen.

Ein Sonett.
Und den fünfhebigen Jambus hast Du sauber hinbekommen.
Du hast mir gestanden, dass Du ganz schön mit ihm zu kämpfen hattest... und das ist wohl normal.

Nun besteht in solchen Zwangslagen immer die Frage, wenn man nicht alles unter einen Hut bekommt, welche Seite man unter der Krempe vorschauen lässt.

Nicht allein deshalb ist Dein Text für mich "typisch Gen" geworden was zunächst nichts Schlimmes ist. Ich kenne ja nun einige Deiner Werke (;) bin immer noch sehr glücklich mit den Mauerblümchen).
Alle diese Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Stellenweise sehr zurechtgeschustert wirken.

Als ich am Morgen meines Abiballs beim Friseur saß und die mir meine Haare ziemlich krass aufgesteckt hat, hab ich sie gefragt: Was wird mit dem da... das was so raushängt?" und sie sagt: "Ach, das schneiden wir ab."
Haare hat man so viele am Kopf, dass es nachher kaum auffällt... aber in ein Sonett passen nicht genügend Worte um das wieder auszugleichen.
HIer wirkt es wie: Schnipp schnapp, Flexionen ab.


Zitat:

Der stickend Nebel schweigt für dein’ Gesang,


hier z. B. hast Du gleich zwei Mal gekürzt. es heißt: der stickende und Deinen Gesang.

NUn, im zweiten Quartett bekommei ch dann den Eindruck, als sei das hier ein mittelalterlicher Text oder so... wobei ch gar keine MIttelalterlichen Texte kenne


Zitat:

Mein weißes Wesen zögerst?


Das gefällt hier sogar noch gut... und dies

Zitat:

deine Lippen sungen

sagt mir, dass das Absicht ist.
Später jedoch, wirkt es ungelekt.
Genau hier:


Zitat:

Was wendest Blick zur modrig



Zitat:

Besinn dein Weg



Diese auf alt gemacht Sprache lässt mich nun in Z2 grübeln, was das Subjekt ist. Ist die Sonne im MHD nicht Sonnen? Dann könnte es nicht nur Objekt, sondern genauso gut Subjekt sein? Für Sonnen als Objekt spricht:

Zitat:

dein hörig’ Engelsgang

denn wenn "die Sonnen" Subjekt wäre, müsste es Deinen heißen.
Und ... Duu... was heißt denn in diesem Zusammenhang hörig?
Hörig sein heißt doch, sich unterwerfen, kann ein Gang sich unterwerfen? Der Gang eines Engels/ engelgleicher Gang?

Nun ist's aber genug gemeckert und gefragt.
Du verwendest, wie ich es schon gewohnt bin, sehr ausdrucksstarke Bilder.
Die Stelle:
Zitat:

Und langsam formt dein Schritt den Wegeshain.


finde ich ganz wuderbar. Vielleicht ist es aber diese Stelle, weil sie so schön ungezwungen in der jambischen Zeile liegt.
Im übrigen würde ich vor die oben zitierte Zeile ein Semikolon machen
Du weißt ja, dass ich die Dinger gut find.

Sei mir gegrüßt,
Mrs.

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#3

Weißes Wesen

in Düsteres und Trübsinniges 06.02.2005 15:27
von Genesis (gelöscht)
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Hi Mrs.
So wie du dich durch mein Gedicht winden musst, so muss ich das jetzt bei deiner Kritik.
Du hast recht, oftmals hab ich soviel Inhalt für einen Vers, dass ich versuchen muss, ihn irgendwie dort "hineinzuquetschen". Bei anderen Versen, fehlen mir dann wieder zwei Silben, so dass ich dort immer am Jonglieren bin.

Mittelalterlich? Naja modern ist es nicht, jedoch fand ich diese Worte im Bezug auf den Inhalt sehr passend, nicht zu harsch und vor allem fand ich die Wortwahl sehr eingehend und bezugsorientiert. Das lyrische Ich versucht hier eben auf eine sehr einfühlsame Art und Weise auf das lyrische Du einzugehen, da fande ich "Hey du" doch etwas unpassend.

Beim Vers:
"Und selbst die Sonnen schmiegt dein hörig’ Engelsgang."

Ist natürlich der Engelsgang das Subjektiv, umgeschrieben wäre es dann: Dein höriger Engelsgang schmiegt selbst die Sonnen.

Du musst beachten, dass der Aufgesang sich nicht in der Realität sondern in einer Traumwelt des lyrischen Dus abspielt, was die Hilflosigkeiten des lyrischen Ich auch erklärt. Daher muss ihr engelsgleicher Gang und der beschriebene Gesang als Synekdoche für das eben beschriebende "weiße Wesen" gelten.

Du weißt doch Mrs. wie ich deine Fragen und Anregungen zu schätzen weiß

Es kommt auch nur recht selten vor, dass sich ein Vers samt Aussage perfekt in die Form ummünzen lässt, ich hoff jedoch ich habe bei meinen restlichen Metaphern, die Kurve auch noch bekommen.

Soweit von mir, zur Honorierung der Kritik und der genommenen Zeit.

Thx & mfG GenEsis

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