#1

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 10.06.2005 12:53
von Hojaro (gelöscht)
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Weiße Insel, schwimm in Unschuld

Zwischen zweien Klauen sieht man dich nun strecken,
altes Wasser spielt mit deinen grünen Mauern.
Tiefgefurchte Wunden musst du immer lecken,
so als ob in Mauern neue Ängste lauern.

Heimatlos erhebst du dich mit jenen fremden
Menschen, welche deine roten Tore streichen.
Und noch immer hängen Düfte in den Hemden.
Diese wehen unbeirrbar von den Leichen …

Kamt vom Osten, Süden, Norden, weit getrieben,
klebt euch nicht bekanntes Gut in einen Schleier.
Meint ihr schon, ihr könntet euch schon neu verlieben?
Klingeln prangen stolz mit Schulze, Schmidt und Meier.

Mütter wissen nicht mehr, wo sie einst geboren,
schenken unbeholfnen Enkeln nur Geschichten.
Dünste, Hoffnungen sind ewiglich vergoren,
nur das Fenster mag das Trugbild herzurichten.

Insel zwischen Welten, was ist wenn die Mauern
bröckeln und die Bünde deiner Mutter reißen?
Werden eingegrenzte Kinder Zeiten überdauern?
Weiß man noch, wie Kaliningrad einst geheißen?

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#2

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 30.06.2005 10:37
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Hojo

Also ich wusste es nicht. Googelisch geschläut kommt man der Sache aber näher.

Eine deutsche Entklave, die jetzt rot ist, wiederaufgebaut. Und dazwischen die jetzige Minderheit, stolz auf ihr Erbe, das doch aber - mehr und mehr - in Vergessenheit gerät.

Der Text vermag mich zu packen, auch bevor ich wusste, worum es geht. Der Schlusssatz bewirkt bei mir den berühmten, kalten Schauer. Huch! Schön erzählt und mit passenden Bildern.Gefällt mir wirklich gut.

Gruss
Margot

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#3

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 30.06.2005 15:22
von Hojaro (gelöscht)
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Hi Margot!

Das macht mich doch ein wenig stolz, wenn ich dir einen kalten Schauer bereiten konnte. Da weiß ich doch, dass meine Intention doch nicht ganz verpufft. Erstaunlich ist aber, dass dir das Gedicht gefiel, bevor du wusstest, worum es in dem Gedicht ging. Eigentlich soll das Gedicht den Reiz erst aus dem geschichtlichen Kontext ziehen. Also vielen lieben Dank für deine Rückmeldung.

Grüße

Hojaro

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#4

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 30.06.2005 22:19
von muh-q wahn (gelöscht)
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Hmmja, klingt mir irgendwie revanchistisch, sorry. Zwar drehst du hier wieder wortmächtig ab aber manchmal auch durch (zwischen zweien Klauen, unbeirrbar von den Leichen, Mütter schenken Enkeln usw.), noch einmal sorry. Mir ist das zuviel und kann im Kontext nicht gefallen.

Ganz schlimm zum Schluss, wenn man Kaliningrad auf der dritten Silbe (falsch) betonen muss, um den Rhythmus einzuhalten. Da ist mir dann die Laune ganz vergangen. Vielleicht bin ich aber auch nur schlecht drauf.

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#5

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 30.06.2005 23:06
von Hojaro (gelöscht)
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Noch bin ich nicht durchgedreht.
Aber es wäre auch schlimm, wenn ich dich jedesmal verzücken könnte. Das mit Kalinigrad hab ich mir lang überlegt, war aber nötig, um den Text zu verstehen. Schließlich muss der alternierende Rhythmus beibehalten werden und Kaliningrad ist nun mal nicht alternierend. Da muss man eben ein wenig tricksen. Sorry, wenn's dir zu sehr aufstößt.
Danke auch dir für deinen Kommentar.

Grüße

Hojaro

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#6

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 01.07.2005 09:48
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Hojo

Tja, nun hast du eine Pro und eine Kontra Stimme. Die nächste Meinung entscheidet also. Wobei, da ich eine Frau bin, zählt meine sowieso doppelt!

Was ich noch dazu sagen wollte. Du findest es erstaunlich, dass mich ein Text begeistern kann, auch wenn ich ihn nicht "begriffen" habe. Nun, ich verlasse mich auf mein Gefühl beim Lesen. Vermögen mich die Worte zu berühren, auf irgendeine Weise, dann fange ich eigentlich erst an, mich intensiver damit zu beschäftigen. Erst dann wird es mir wichtig, was der Autor gemeint hat und wie er es umsetzt.
Ich vergleiche das immer mit Liedern in einer fremden Sprache. Ich mag zmB. spanische Musik sehr, kann aber kein Spanisch. Wenn ich aber ein Lied höre, das mir gefällt, dann versuche ich eine Übersetzung zu bekommen. So ist das in etwa mit Texten, die ich nicht "verstehe".

Gruss
Margot


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#7

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 01.07.2005 10:33
von muh-q wahn (gelöscht)
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Gut zu wissen, dass Margots Stimme nur zählt, weil sie eine Frau ist. War das ungefähr, was sie auszudrücken versuchte? Seit wann zählen eigentlich Mehrheitsmeinungen?

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#8

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 01.07.2005 19:01
von Loki (gelöscht)
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kommst du von dort, oder woher der regionalpatriotismus?


Zitat:

Schließlich muss der alternierende Rhythmus beibehalten werden und Kaliningrad ist nun mal nicht alternierend.



z.B. : Weiß man wie Kaliningrad noch einst geheißen?
XxXxXxXxXxXx

gruß, Loki

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#9

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 01.07.2005 22:31
von Hojaro (gelöscht)
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Nein, Loki, ich wohne ein paar hundert, vielleicht auch tausend Kilometer von Ostpreußen entfernt, habe nie dort gewohnt und auch keine Verwandten dort.

Kaliningrad wird m.E., wenn man es richtig betont, xXxx, betont. Aber ich denkw, dein Nebenankzent, den du gesetzt hast, ist auch nicht verkehrt. Kann man wohl so machen. Allerdings käme bei deiner Version eine für mich eigenartig klingende Inversion heraus. Trotzdem danke für deine Idee

Gruß

Hojaro

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#10

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 06.07.2005 10:36
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hallo Hojaro,

das ist sprachlich durchaus gelungen, metrisch ansehnlich und auch mit hübschen Reimen versehen. Die zugrundeliegende Thematik ist dagegen eine schwierige Angelegenheit. Dein Stück ist zu feinfühlig, als das man dort eine "Gebt uns unser Königsberg wieder!"-Aussage hineinlesen könnte, dennoch könntest Du es wohl problemlos unter Beifall auf jeder Tagung von Vertriebenenverbänden skandieren. Und da mir diese wiederum gehörig auf den Sack gehen, kann ich mich Deinem Werk nicht so richtig öffnen, auch wenn ich Dir damit sicher Unrecht tue.

Eingedenk des albernen Heckmecks in Kaliningrad haben Deine Zeilen jedoch auch eine Berechtigung. Um die preußische Geschichte zu verleugnen wurde meines Wissens dort ernsthaft darüber nachgedacht, dieses Jahr keine 750 Jahr-Feiern zu veranstalten, sondern nächstes Jahr eine 60-Jahrfeier nach der Umbenennung 1946. So etwas lässt einen nun auch kopfschütteln, Geschichte zu ignorieren ist immer eine schlechte Idee...

Die Betonung von Kaliningrad macht mich auch unglücklich. Dem Gedicht in der letzten Zeile einen Rahmen zu geben, diesen aber dann falsch auszusprechen (auch wenn Du dies bewusst in Kauf genommen hast) wirkt nicht schön. Da würde ich lieber Inversionen in Kauf nehmen.

Sehr zwiegespalten,


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#11

Weiße Insel, schwimm in Unschuld

in Gesellschaft 06.07.2005 21:39
von Hojaro (gelöscht)
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Dass das Gedicht so feinfühlig ist, hat einen profanen Grund. Man muss einfach vorsichtig mit allzu nationalistischen Phrasen sein. Ich wollte natürlich als Autor Königsberg hinterhertrauern, aber ob ich will, dass es zu Deutschland zurück kommt? Ich weiß nicht.

Wenn ihr die letzte Zeile alle so bemängelt, werde ich mich nochmal dran setzen. Ich will ja nicht euren Unmut schüren.

Also auch dir Danke für die Gedanken, Don

Grüße

Hojaro

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