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Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 09.10.2005 17:00von Richard III • | 868 Beiträge | 871 Punkte
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
(Georg Trakl)
Elis, wenn die Amsel im schwarzen Wald ruft,
Dieses ist dein Untergang.
Deine Lippen trinken die Kühle des blauen Felsenquells.
Laß, wenn deine Stirne leise blutet
Uralte Legenden
Und dunkle Deutung des Vogelflugs.
Du aber gehst mit weichen Schritten in die Nacht,
Die voll purpurner Trauben hängt
Und du regst die Arme schöner im Blau.
Ein Dornenbusch tönt,
Wo deine mondenen Augen sind.
O, wie lange bist, Elis, du verstorben.
Dein Leib ist eine Hyazinthe,
In die ein Mönch die wächsernen Finger taucht.
Eine schwarze Höhle ist unser Schweigen,
Daraus bisweilen ein sanftes Tier tritt
Und langsam die schweren Lider senkt.
Auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau,
Das letzte Gold verfallener Sterne.
Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 07.10.2008 17:25von Simone • Mitglied | 1.674 Beiträge | 1674 Punkte
Am Moor
Wanderer im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.
Aufruhr. In verfallener Hütte
Aufflattert mit schwarzen Flügeln die Fäulnis;
Verkrüppelte Birken seufzen im Wind.
Abend in verlassener Schenke. Den Heimweg umwittert
Die sanfte Schwermut grasender Herden,
Erscheinung der Nacht: Kröten tauchen aus silbernen Wassern.
Am Moor
(2. Fassung)
Mantel im schwarzen Wind. Leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors; am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.
Knöchern gleiten die Hände durch kahle Birken,
Knickt der Schritt in braunes Gehölz,
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.
Aufruhr. In verfallener Hütte
Flattert mit schwarzen Flügeln ein gefallener Engel,
Schatten der Wolke; und der Wahnsinn des Baums;
Schrei der Elster. Altes Weiblein kreuzt den Weg
Ins Dorf. Unter schwarzem Geäst
O was bannt mit Fluch und Feuer den Schritt
Stummes Glockengeläut; Nähe des Schnees.
Sturm. Der dunkle Geist der Fäulnis im Moor
Und die Schwermut grasender Herden.
Schweigend jagt
Den Himmel mit zerbrochnen Masten die Nacht.
Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 07.10.2008 17:49von Wilhelm Pfusch • Administrator | 2.006 Beiträge | 2043 Punkte
Es ist Schnee gefallen. Nach Mitternacht verläßt du betrunken von purpurnem Wein
den dunklen Bezirk der Menschen, die rote Flamme ihres Herdes. O die Finsternis!
Schwarzer Frost. Die Erde ist hart, nach Bitterem schmeckt die Luft. Deine Sterne
schließen sich zu bösen Zeichen. Mit versteinerten Schritten stampfst du am Bahndamm
hin, mit runden Augen, wie ein Soldat, der eine schwarze Schanze stürmt. Avanti!
Bitterer Schnee und Mond! Ein roter Wolf, den ein Engel würgt. Deine Beine klirren
schreitend wie blaues Eis und ein Lächeln voll Trauer und Hochmut hat dein Antlitz
versteinert und die Stirne erbleicht vor der Wollust des Frostes; oder sie neigt sich
schweigend über den Schlaf eines Wächters, der in seiner hölzernen Hütte hinsank.
Frost und Rauch. Ein weißes Sternenhemd verbrennt die tragenden Schultern und
Gottes Geier zerfleischen dein metallenes Herz. O der steinerne Hügel. Stille schmilzt
und vergessen der kühle Leib im silbernen Schnee hin. Schwarz ist der Schlaf.
Das Ohr folgt lange den Pfaden der Sterne im Eis.
Beim Erwachen klangen die Glocken im Dorf.
Aus dem östlichen Tor trat silbern der rosige Tag.
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RE: Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 25.12.2009 18:29von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Amen
Verwestes gleitend durch die morsche Stube;
Schatten an gelben Tapeten; in dunklen Spiegeln wölbt
sich unserer Hände elfenbeinerne Traurigkeit.
Braune Perlen rinnen durch die erstorbenen Finger.
In der Stille
tun sich eines Engels blaue Mohnaugen auf.
Blau ist auch der Abend;
die Stunde unseres Absterbens, Azraels Schatten,
der ein braunes Gärtchen verdunkelt.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 25.12.2009 18:31von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
Georg Trakl an Karl Kraus
Innsbruck, 13.12.1913
Hochverehrter Herr Kraus!
In diesen Tagen rasender Betrunkenheit und verbrechischer Melancholie sind einige Verse entstanden, die ich Sie bitte, entgegenzunehmen, als Ausdruck für Verehrung für einen Mann, der wie keiner der Welt ein Beispiel gibt:
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
lang die Abendglocke läutet,
vielen ist der Tisch bereitet
und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Seine Wunde voller Gnaden
pflegt der Liebe sanfte Kraft.
O! des Menschen bloße Pein.
Der mit Engeln stumm gerungen,
langt von heiligem Schmerz bezwungen
still nach Gottes Brot und Wien.
O grüßen Sie auch den herrlichen Loos-Luzifer.
Mit dem Ausdruck respektvoller Verehrung,
Ihr sehr ergebner Georg Trakl
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
RE: Georg Trakl (1887-1914)
in Rumpelkammer 25.12.2009 18:37von Gedichtbandage • Mitglied | 531 Beiträge | 525 Punkte
MELANCHOLIE
Die blaue Seele hat sich stumm verschlossen,
ins offne Fenster sinkt der braune Wald,
die Stille dunkler Tiere; im Grunde mahlt
die Mühle, am Steg ruhn Wolken hingegossen,
die goldnen Fremdlinge. Ein Zug von Rosen
sprengt rot ins Dorf. Der Garten braun und kalt.
Die Aster friert, am Zaun so zart gemalt
der Sonnenblume Gold schon fast zerflossen.
Der Dirnen Stimmen; Tau ist ausgegossen
ins harte Gras und Sterne weiß und kalt.
Im teuren Schatten sieh den Tod gemalt,
voll Tränen jedes Antlitz und verschlossen.
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>> Du verdammter Sadist:
Du versuchst deine Leser zum Denken zu zwingen.<< - E. E. Cummings zu Ezra Pound
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