#1

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 15.10.2005 02:41
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Dämonin


1

Es türmen sich die Taubenbrüste
auf krank-verstörten Häuserhöhlen.
Sie brechen aus: O, welch' Gelüste!
Ihr Grimmen lässt die Gassen grölen.

Dort trifft die Masse Fleisch auf Fleisch.
Das Kopfsteinpflaster stöhnt schon leis'
und Schweiß entrinnt aus allen Rillen.
Ein Mann, der gafft, sich tot zu stillen.

Ein Pudel wird zerstampft im Fleiß,
es traf die Masse weiches Fleisch.
Laternen ächzen jede Scham.
Das Kind, es heult: O, welche Gram!


2

Im Abendschrei die Gassen leer.
Das Fleisch, es keucht und schnauft noch schwer.
Die Höhlen ecken aneinander
und knurren stur zur Gastveranda.

Du Dresden, du mein teurer Flieder,
bist Räuber, Hure, Cabaret.
Ich stöhne dich in jedem Mieder,
ob dürr, ob fett - du Braut in spe!

Selbst wenn durch stumpfe Fluchtgangmassen
bald jede Zelle ausgefüllt,
werd' ich dir unters Strumpfband fassen -
mit trübem Blick und tot gestillt.


15. Oktober 2005

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#2

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 15.10.2005 09:25
von kein Name angegeben • ( Gast )
Hi Arno,

ohne wie ein "Schleimschei..." dazustehen - ich bin sprachlos!

Das ist wirklich ein grandioses Gedicht, meines Erachtens. Wie schon unzählige Male erwähnt, bin ich keine "Profigedichteleser/-schreiberin", von daher ..., vielleicht finden andere Tümpelanten noch Kritikpunkte.

Bei mir jedoch hast Du Sprachlosigkeit bewirkt und das große Verlangen dies hier kundzutun!
Tolle Beschreibung der abendlichen Stimmung in Dresden. In Deinen metrischen gut nachvollziehbaren Zeilen schwingt viel Liebe zur Heimat mit. Die hat selbst mich bewegt, obwohl ich mit Dresden wenig zu tun habe. Einmal war ich in dieser Stadt. Obwohl nur kurz und bei unschönen Wetter, habe ich aufgrund Deines Gedichtes grad eine noch tollere Stadt vor Augen gesehen ...

Schönes WE Dir!

Lieben Gruß

Süßchen

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#3

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 15.10.2005 16:29
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
hallo süßchen.

danke für deinen kommentar. ich hoffte, dass hier eine gewisse ambivalenz zu tage tritt, dh. das besagte nicht nur positiv rüberkommt.

auch dir n schönes WE.
auf bald.

grüße.
arno.

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#4

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 15.10.2005 20:08
von kein Name angegeben • ( Gast )
wow ...........
das ist wirklich genial
sowas lese ich gerne ... sowas inspiriert mich
flinke worte und zeilen
die mich mitreissen
bildhaft und gewaltig kommen die reime daher
stadt wird zu bewegung
und worte zu fleisch

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#5

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 02:02
von Nonverbal • Mitglied | 407 Beiträge | 407 Punkte
hallo arno,

ich möcht mich auch mal zu wort melden, deine zeilen finde ich auch sehr ansprechend. besonders bei der letzten strophe musste ich etwas schmunzeln...

Selbst wenn durch stumpfe Fluchtgangmassen
bald jede Zelle ausgefüllt,
werd' ich dir unters Strumpfband fassen -
mit trübem Blick und tot gestillt.

einfach genial, das hört sich nach soviel mehr an was dir die stadt geben kann. Ich war ja auch schonmal in Dresden ( aber nur zum fußball dresden:köln) also ich muss sagen mir gefällt die stadt nicht und schon garnicht der dialekt, den finde ich furchtbar *graus*

du hast aber mein blick gewendet, wenn ich nochmal in dresden sein sollte dann werde ich mal genauer hinschaun...
aber ich denke man hat zu einer stadt auch immer eine andere beziehung, besonders wenn man dort aufgewachsen ist.

liebe grüße franzi




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#6

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 12:27
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Man spürt sehr viel Liebe in deinen Zeilen...

Lg Gem

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#7

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 13:45
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
hallo ihr 3.

vorab: danke für eure rückmeldungen. hab mich sehr gefreut.

im einzelnen:
an: ni.kita-kira
..und stadt wird auch zu fleisch.

an: nonverbal
wenn dich die paar zeilen zu einem erneuten dresden-beschauen animieren, dann hätte ich ja mehr erreicht, als ich je mir hätte einfallen lassen könne. ich allerdings bin nicht in dresden aufgewachsen, und spreche daher auch kein "grausiges" sächsisch.

an: gemini
spürt man die? *g

nochmals danke an euch.


lg.
arno.

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#8

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 17:16
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hallo Arno!

Sprachlos bin ich auch aber bislang nicht ganz so begeistert. Vielleicht kommt das ja noch.

Die Ambivalenz ist ja sogar formal zu spüren, wenn du Paar- und Kreuzreim wechselst und über Kreuz teilweise wunderbare und im Paar frecherweise beschissene (Un-)Reime hinhaust. Allerdings kann ich nichts Positives entdecken, was über Dresden gesagt würde, außer vielleicht, dass es dein teurer Flieder sei, wobei ich zugeben muss, dass ich nicht einmal sicher bin, was du damit sagen willst.

Von Beginn an habe ich das Gefühl, es dreht sich um eine höchst unschöne Masse Menschen, die schwer atmend und mit glotzdummen Blicken durch eine zusätzlich von Tauben überbevölkerte und über und über beschissene Stadt stampfen und das lyrische Ich steht paralysiert am Straßenrand, gafft und greift mehr oder minder geil mitten ins dampfende Leben, und besäuft sich daran, stillt sich tot. Das wirkt auf mich wie ein Gemälde von George Grozz und die Widerlichkeit des Dargestellten deckt sich mit der gut gelungenen Widerlichkeit der Darstellung.

An manchen Ecken aber schlage ich mich mit dieser herum: Die Hühnerbrüste heißen so, um despektierlich zu machen, wenn unbehaarte Schmalbrüste den Larry mimen wollen. Taubenbrüste kennt man i.A. nicht gerupft und ich verstehe zwar die Tauben, nicht aber die Türmung auf verstörten Höhlen. Vielleicht doch aber diese seltsamen Häufungen kurioser Formulierungen und dann auch noch das O und Ach kurz aufeinander wirken wie eine Verarsche auf mich.

Und ich werde fortan nicht viel glücklicher, einzig die Zeile 4 der zweiten Strophe halte ich für eine äußerst gelungene Formulierung: Dieser geile Gaffer wird noch am Nektar verrecken, den er so begierig saugt. Aber gleich darauf wird im Fleiß zerstampft, die Scham wird geächzt (stehen da Nutten an Laternen und erledigen das Geschäft auch gleich dort?) und zum Schluss wird wieder ge-o-t. Oh weh!

Es wird nicht besser, auch wenn abends wenigstens die fleischigen Menschenmassen aus den Gassen verschwunden sind, denn es keucht und schnauft ja immer noch. Und das muss schon sehr widerlich sein, wenn man gleichzeitig durch die Nase schnaufen und durch den Mund keuchen kann. Wer es nicht glaubt, möge es ausprobieren. Ach, Arno, stöhne mich in jedem Mieder aber diesem Gedicht werde ich nicht die Braut, nein, ich fliehe in meine Zelle und stelle mich tot. Denn gleich wirst du kommen und mir zwar nicht unters Strumpfband fassen aber aufzeigen, dass es mir zu locker sitzt und ich Philosoph geblieben wäre, wenn ich nur geschwiegen hätte.

Was soll’s! Ich habe es eben nicht verstanden, heute ist sowieso nicht mein Tag.

Digitally Yours
Mattes

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#9

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 17:33
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Arno,

ja, ich schleiche auch schon seit Tagen um diese Zeilen und vermag nicht so recht warm mit ihnen zu werden. Meinen Zugang erschweren besonders bestimmte Formulierungen. Z.B.


Zitat:

Ein Mann, der gafft, sich tot zu stillen.



Was ist das für ein Satz? Das kriege ich schon von den Bezügen in sich nicht auf die Reihe. Ein Mann, der's schafft, sich tot zu stillen, das würde ich verstehen. Aber unter der Tätigkeit, sich zu gaffen, sich tot zu stillen, kann ich mir nichts vorstellen, zumal dann noch ein Prädikat im Hauptsatz "Der Mann" fehlte.
Dann


Zitat:

Ich stöhne dich in jedem Mieder,



Das Ich stöhnt hier also Dresden. Da die Stadt hier personifiziert wird, dächte ich, Stöhnen wäre etwas, was man mit Personen machen kann. Aber ich habe noch nie eine Person gestöhnt. Einen Namen kann man vielleicht stöhnen. Vielleicht ist das hier gemeint. Aber ganz klar ist mir das nicht.
Das gleiche Problem bei

Zitat:

Laternen ächzen jede Scham.


Vielleicht bin ich da zu konservativ oder fantasielos, aber ich habe Probleme aus diesen Formulierungen einen Sinn herauszubekommen. Das verstellt mir irgendwie den Zugang.

Grüße
GerateWohl


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#10

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 17.10.2005 23:26
von KediosRache (gelöscht)
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Erster Eindruck: Ein Maskenball toter Jahrhunderte.
Taubenbrüste.
Zunächst „Luftratten“, gestapelt. Dann zarte junge Mädels, noch vor der Reife besehen. Und nebenbei eine Peepshow von sinnestechnisch benachteiligten Dirnen. Und dagegen gesetzt die krank verstörten Häuserhöhlen. Krank ist hier ein Adverb zu verstört. Hier geht es also um eine krankhafte Verstörtheit, um psychische Erkrankung. Häuserhöhlen können zurückgesetzte Hauseingänge sein, die letzte Obdach in einer Ruine, die Wohnung eines Steinzeitmenschen. Und es geht zu Sache: da wird gegröhlt und gelüstet, ausgebrochen aus dem Siechtum der sicheren Baracke.

So, Strophenwechsel. Hier trifft die Masse „Fleisch auf Fleisch“, so ähnlich wie Eisen auf Eisen – nur was oder wen? Oder heißt die Masse Fleisch? Fleischmasse, das ist Hackfleisch oder Mettwurst. Erinnert mich daran, wie man Frikadellen knetet (die heißen anderswo Buletten oder Fleischpflanzerl oder was weiß ich wie, nur zur Klärung) das Kopfsteinpflaster stöhnt (Wegen dem Fleisch – das sind wogende Körperteile, bewegt und schwer, was selbst so ein Pflasterstein kaum erträgt – oder geht’s um den Fleischgeruch? Der wird ja jetzt auch angesprochen. Er quillt aus ALLEN (!) Rillen. Na, und das geilt einen nicht näher bekannten Mann irgendwie auf. (Wenn ich zu deutlich an die Szene denke, wird mir eher schlecht. Rohes Fleisch unterwegs beim Feiern. Findet ihr Hackfleisch erotisch?) Dass jener Unbekannte Voyeur irgendwie nicht ganz koscher ist, sieht man ja, er offenbart in seiner Leidenschaft auch eine gewisse Todessehnsucht, er ertrinkt förmlich im Drüsensekret. (Na, Mahlzeit)

Nächste Einheit: Ein Hund kommt zu Tode. Mit seiner Rasse verbinde ich eine gewisse Unschuld und Unfähigkeit, aber nicht ganz so der Lächerlichkeit preisgegeben wie einer dieser laufenden Staubwedel mit Schleife. (Ist das sehr subjektiv?) Und wer machts: Das Fleisch. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn ein Hündchen bei der Begegnung mit seinem Fresschen hier einmal den Kürzeren zieht. Laternen ächzen jede Scham. Scham ist eine Körperregion wie auch ein Gefühl, etwas moralisch nicht erlaubtes zu tun und darin bloßgestellt zu sein. Schämen sich die Laternen für Wurstlawine in ihren Straßen? Oder geht es hier um andere Laternen, die da unverhüllt gen Himmel ragen – weder die eine noch die andere laterne scheint mir in der lage, zu ächzen. Es sei denn, sie würden von der Masse besetzt und einverleibt, dann könnte die Konstruktion ächzen. Und ein Kind heult: Würde da Gramm stehen, könnte man denken, es hat Hunger und weint, weil es nicht an das Fleisch ran kommt. Aber vermutlich ist das Kind der (Ex)Besitzer des Pudels.


Level 2.

Ein Abendschrei. Wer schreit? Ein Nachtwächter, das Kind oder unsere leichten Mädels? Man weiß es nicht. Die Gassen sind leer. Daraus ist zu schließen, dass das keuchende Fleisch sich woanders hingewälzt hat. Höhlen knallen aufeinander (sie ecken an ) und knurren stur, wie Wachhunde zur „Gastveranda“. Nun, das ist entweder eine Veranda der Gäste oder eine Veranda, die sich nur als Gast hier aufhält. Also werden entweder ein nicht traditioneller Gebäudeteil oder simple Touristen angeknurrt.

Jetzt geht’s um Dresden. Eine intensiv duftend wie fabige, langgestreckte Doldenblume. Räuber (knurren und Hundetöten) Hure (Fleischsaft und diverse Geräusche) Cabaret (was sonst, siehe Text). „Ich stöhne dich in jedem Mieder, ob dürr ob fett“ ich muss wieder an das Hackfleisch denken, dürr oder fett, mehr oder weniger eingeweichte Brötchen drin. „ich“ ist in dem Mieder schon vor dem Stöhnen drin, sonst müsste es „in jedeS mieder heißen“. Eine Braut in Spe – die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man.

Fluchtgangmassen – Also, ein Fluchtgang ist so was wie ein Notausgang. Oder eine ziemlich feige Bande, die immer abhaut, wenns brenzlig wird. Und dass jetzt als Masse, als Klumpen (Räuberhackbraten) oder Unmengen von Fluchtwegen. Und die füllen jede Zelle aus (Gefängnis, Kloster oder die biologische Zelle? ) und dann geht „Ich“ „ihr“ an die Wäsche. Und wenns in nem Mieder ist. Der Blick ist dann aber trüb, von den Fleischresten an den Laternen und den Saftdämpfen, die noch über den Straßen liegen, die „Ich“ ja bereits ertränkt haben.

Soweit eine lineare Erfassung. Da das werk aus zwei Teilen besteht, interessiert beispielsweise die Beziehung von Teil eins zu Teil zwei. Beiderseits wurden bereits Prostituierte und Verbrechen aufgedeckt. Und der Ertrunkene findet sich auch zu beiden Seiten der Mittelleere. Dagegen ist in (1) das Gulasch unterwegs, und in (2) dann wieder zu hause. Es geht reichlich derb zu in den Straßen von Dresden, wenn hier Frischfleisch (Taubenbrüstchen) durch die Straßen getrieben wird und überall die Säfte triefen.

Ähm. Unklare Fälle:

Wenn „krank verstört“ nur „krank und verstört“ heißen soll, dann ist das schlecht gemacht. Wenn es das aber nicht heißen soll, dann raff ichs einfach nicht, glaub ich.

Und dann ist alles sehr aufs phonetische bezogen: da wird gelärmt und gekeucht und geheult - und die Tauben kommen da nicht ganz drum rum. Passt das wirklich?

Ziemlich viel Fleisch im Text. Da ich nicht wirklich annehme, dass hier der Umzug der Metzgersgilde statt findet, könnte ein wenig anderes als Fleisch den Sinn etwas erhellen.

Ist es Liebe? Oder ist es einfach nur purer Sex, pure, eine an den Rand des noch erträglichen gehende Körperlichkeit des Ausdrucks? Aber wie vollzieht man den Beischlaf mit einer ganzen Stadt, einschließlich der ganzen Höhlen darin?


Ich finde den Text kurios.
Aber nicht wirklich gut.

Vielleicht einfach nicht mein Stil…

Grüße an alle

Tom


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#11

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 18.10.2005 00:49
von Loki (gelöscht)
avatar
finde es sehr interessant.
Reimschema:
abab cdee dcff gghh ijij klkl
einziger, von mir entdeckter unreiner Reim: ausgefüllt-gestillt.

grüße, Loki

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#12

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 18.10.2005 07:20
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Na ja, Loki, das ist sehr gutwillig, aber zugegeben, Fleiß-leis' reimt sich natürlich. Fleisch-Fleisch ist kein Reim, das wäre ja noch schöner. Den von dir benannten empfinde ich eher als lässliche Sünde aber was hältst du denn von aneinanda-Veranda?

Ich bilde mir ein, Arnos Dichtkunst soweit einschätzen zu können, dass diese Dinge alle Methode haben und voller Absicht teils so grauslich gereimt sind. Es geht für mich nur um die Frage, was er damit will und ob ich das gut finde.

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#13

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 18.10.2005 11:31
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte


ich danke euch schonmal jetzt für die auseinandersetzung mit diesem textl. studier' grad die bibo von innen.. mal wieder .. so dass ich auf eure gedanken mit sicherheit zwar, aber mit sicherheit erst später werde antworten können.

lg derweil,
arno.

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#14

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 22.10.2005 02:52
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Puh, dann mal an die arbeit.

An matte:
Zunächst: ich wäre erstaunt, würde deine begeisterung für diesen text noch kommen.. *g
Also die staffelung von kreuz- bzw. paarreimen war in der tat so gewollt.. die beschissenheit der paarreime jedoch lag eindeutig an meinem hang zur niederen handwerksqualität.. ob der flieder allerdings so überaus positiv besetzt ist – zumal in diesem kontext hier – wage ich zu bezweifeln… von flieder komme ich schnell zum duft… ja, aber in verbindung mit hure und cabaret gewinnt dieses wort doch eher eine negative konnotation; wobei ich zugeben muss, dass es noch das positivere im text ist.

Im ersten teil gafft noch nicht das lyr. Ich.. zumindest wird eher eine andere sicht dargestellt.. erst mit der letzten zeile weiß man 100%ig, dass dieser mann, der vorhin noch gaffte, kein individuum ist, sondern vielmehr für eine art mensch oder besser: für eine art mensch in einem bestimmten moment steht… weiß man also, dass auch das lyr. Ich zu dieser kategorie gehört, die das gedicht zuerst beschrieb. Hühnerbrüste wäre natürlich auch eine alternative gewesen, um eine weitere beschreibung der masse fleisch zu bringen.. doch finde ich, dass man dies nicht allzu weit geschehen lassen sollte, weil man sich dann verheddert und das eigentliche daran: das abstoßende in seiner reinen, unverbrauchten art.. nicht mehr „genießen“ kann. finde ich jedenfalls. (Ansonsten sehe ich gerade noch mal, dass Ked ein paar Assoziationen zu den Taubenbrüsten hatte..) Als höhlen wollte ich die behausungen bezeichnen, in denen sich die masse fleisch in teil2 zurückziehen.. dies ist sicherlich nicht eindeutig beschrieben und daher auf jeden fall ein berechtigter kritikpunkt. Die ohs.. sind auch nicht als ein romantisch-verklärter ausdruck gemeint, sondern sollen ja als dem gesamtbild angepasst verstanden werden. und es sind ja auch nur 2.
beim schnaufen und keuchen ist ja keineswegs gesagt, dass dies zur gleichen zeit geschieht. Wäre ja auch ein bisschen schwer. Von daher kann ich deine annahme nicht verstehen, es wäre so.

noch etwas zum abschluss: wenn du in deine zelle fliehst, dann gehörest du ja zur masse fleisch… was ich mir nicht vorstellen kann. Denn hier hast du deine gedanken geliefert und nicht mit offenem muhmaul davor gesessen, bis ich meinen strumpfbandgriff hätte ansetzen können. besten dank fürs kommentieren.


An GW:
Hallo gw. Es ist schade, wenn einzelne formulierungen für dich den gesamtgenießprozess behindern.
Im einzelnen: „Ein Mann, der gafft, sich tot zu stillen.“  „[Dies dort ist] ein Mann, der [nach allen Seiten] gafft, [um] sich tot zu stillen.“ Ich denke, dass da grammatikalisch alles i.O. ist. Hier sind natürlich (Sprach-)Ellipsen eingebaut. Aber genau das bringt – meines Erachtens – Würze in diesen Text.
„Ich stöhne dich in jedem Mieder“  Mit dem Stöhnen meint der Text tatsächlich, dass man den Namen in einer gewissen Situation mit voller Leidenschaft hervorbringt. Der Name und das Wesen, was dieser bezeichnet – ich denke, dass diese Zeile (nach der kleinen Erklärung) auch nachvollziehbar ist. Mich stört sie jedenfalls nicht.
„Laternen ächzen jede Scham“  Wenn sich mir etwas nicht erschließt, versuche ich immer den Kontext abzugraben. Strophe 3 erzählt ja von des Pudels Tod.. da könnte man sicherlich die Scham einordnen. Das Ächzen.. nun ja.. ich denke, dass man sich einfach mal vorstellen muss, was passieren müsste, damit ein Ächzen (erst einmal völlig losgelöst von der Laterne) zustande kommt… später dann auf diese Laterne ummünzen. Abstraktere Gedanken, personifizierte Gegenstände sind nicht die Sache von jedem.. das ist auch nicht schlimm. Daher doppelt Dank fürs Kommentieren, GW.


An Ked:
Ein maskenball toter jahrhunderte? *g sehr interessante beschreibung..
Die masse ist zugleich auch fleisch.. sie ist immer fleisch. Weshalb dann im weiteren verlauf das kopfsteinpflaster stöhnt, ist nicht eindeutig beschrieben. Es stöhnt einfach. Jedoch ist anzunehmen, dass es in erster linie aufgrund der masse von fleisch ist.. im weitergehenden kann man den geruch natürlich auch nicht ausschließen, wenn es heißt, dass der schweiß fließt.. und mit schweiß kommt ja bekanntlich auch der (unangenehme) geruch. Zu beachten ist, dass eben dieser schweiß aus allen rillen kommt.. das bezieht sich also nicht nur auf die masse fleisch, sondern auch auf das kopfsteinpflaster.. (der grund: die masse).. es ist eine übertragung der schlechten eigenschaften von der bevölkerung auf ihre umwelt. die todessehnsucht des mannes mag wohl das fast einzig positive (neben dem tlw. abgewerteten flieder s.o.) sein – nur so als ergänzenden gedanke.
Die laternen scheinen sich aus vielerlei sicht schämen zu können/dürfen: das erste hast du ja schon angesprochen.. das zweite wäre, denke ich, im bezug auf den pudel zu sehen. Bzgl. Ächzen hast du ja einen weg gefunden.

Um es nicht zu vergessen: ich bin schlicht ob deiner assoziationen begeistert.

Zu den unklaren fällen:
„krank verstört“ das erste bezieht sich auf das zweite, insofern kann man nicht sagen „krank und verstört“. Eine sicht wäre sicherlich: da ist mein pathos mit mir durchgegangen. in der tat, es ist eine kleine schwachstelle, wenn es nicht so rüberkommt, wie es gemeint ist. Dass die häuserhöhlen (auch später noch im 2. teil) personifiziert werden, ist nicht grund genug. Allerdings ist der aspekt der kopplung und damit übertreibung des „krank verstört“ mir wichtig. Man könnte ja auch sagen „krankhaft verstört“.. dann kommt zu tage, dass das verstört sein schon eine art krankheit, vielleicht auch gewohnheit, geworden ist. Ist das irgendwie nachvollziehbar? ach ja.. und das "verstört sein" erschließt sich ja aus dem kontext. wer wäre das nicht, bei solchen bewohnern..
Die sache mit der phonetik müsstest du noch einmal näher erläutern, was genau dich dort stört. Konnte es so nicht nachvollziehen.
Das fleisch ist ein wichtiger bestandtteil des textes. Es hat sicherlich nichts mit der metzgergilde zu tun; es beschreibt wertend eine gruppe von menschen. Nun kann man den text ja nicht nur auf das fleisch reduzieren. Da steckt noch mehr im text, als fleisch – und das hast du ja auch oben schön gefunden und beschrieben.
Bei der frage, ob es „liebe oder purer sex“ ist, kann und will ich dir nicht helfen. Ich denke, dass der text hier die antworten gibt. Dass ein wenig abstrakte – und vielleicht auch ein wenig abstruse – gedanken enthalten sind, sollte den leser nicht abschrecken, die fantasie umzukrempeln – ganz im gegenteil sogar. danke für deinen kommentar!


An loki:
Fleisch/leis’ ist ja z.b. auch ein unreiner reim.. ich allerdings störe mich nicht dran. Man sollte keine angst davor haben, diese zu verwenden – zumal es ja hier im kontext gesehen.. und mit den paarreimen auch ganz gut passt. „ausgefüllt – gestillt“ ist natürlich auch ein unreiner.. doch hier hat man den blick auf str2 gerichtet.. und schon kann man – denke ich – verstehen, warum hier wieder ein unreiner daher wandelt. besten dank auch dir fürs kommentieren!


An matte (zum zweiten):

Zitat:

matte schrieb:
Ich bilde mir ein, Arnos Dichtkunst soweit einschätzen zu können, dass diese Dinge alle Methode haben und voller Absicht teils so grauslich gereimt sind.



Genauso sehe ich das auch (s.o.).


so, jetzt endlich schlafen.
Grüße an alle.
AB

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#15

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 22.10.2005 16:32
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Ich kann wieder einmal nur stoßseufzend feststellen: Herr, ich war blind und du ließest mich sehen. Shit, wann werde ich endlich lernen, meinen eigenen Prinzipien treu zu bleiben und die unterstellte Absicht auch solange zu überprüfen, bis ich sie verstehe. Oder, wenn nicht, tatsächlich das vorlaute Maul zu halten.

Nicht, dass ich in allen Punkten überzeugt worden wäre, aber doch in den meisten. Interessant und lehrreich war es auf jeden Fall.

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#16

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 22.10.2005 17:13
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
Bin ich soeben Opfer deiner Ironie geworden?

Ähm.. also die schwächste Zeile in dem Text ist Str1/Z4 - finde ich.. es klingt sehr herangeschustert.. vielleicht sollte ich sie mit Z3 verbinden..(?)

Was meint ihr?

lg.

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#17

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 22.10.2005 21:26
von Loki (gelöscht)
avatar
ja Arni, wenn es um unreine Reime geht, so bin ich ja sehr liberal (sonst eigentlich auch .

Mattes: Fleisch-Fleisch ist ein identischer Reim.

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#18

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 22.10.2005 21:40
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
jetzt nennt der mich auch schon arni. ..
ich denke jedenfalls, dass es hier vielleicht immer falsch rüberkommt.. und es gibt natürlich auch fans von reinen reimen.. aber ich bin für alles offen.. na ja, fast alles.

texte ohne reim gehören jedoch auch definitiv in meine offenheit. (ist das jetzt ein oxymoron? )

lg

edit: noch ein gedanke zu keds frage:
Zitat:

Hier trifft die Masse „Fleisch auf Fleisch“, so ähnlich wie Eisen auf Eisen – nur was oder wen? Oder heißt die Masse Fleisch?



der übergang beim fleisch ist eben nicht so fassbar.. hier geht die eine woge in die andere masse über.. grenzen sind nicht erkennbar.

bg.

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#19

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 27.10.2005 09:20
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
strophe1/zeile4 verändert.. ists so besser als vorher? was meint ihr dazu?

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#20

Dämonin

in Ausgezeichnete Lyrik 27.10.2005 09:44
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Klar besser, keine Frage.

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